BGH,
Beschl. v. 24.11.2004 - 5 StR 480/04
5 StR 480/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 24. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2004
beschlossen:
Auf die Revision des
Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 20. Juli 2004
nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n
d e
Das Landgericht hat den
Angeklagten wegen unerlaubten Handel-
treibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
zu einer Freiheits-
strafe von vier Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des
Ange-
klagten hat mit einer Aufklärungsrüge Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgendes festgestellt: Der Angeklagte befand
sich im Januar 2003 auf
Grund einer Verurteilung wegen
unerlaubten Han-
deltreibens mit Betäubungsmitteln in der
JVA Tegel. An sechs Tagen wurde
ihm Ausgang zu seiner Familie gewährt. Der
inzwischen rechtskräftig verur-
teilte Zeuge
K
bestellte am 4. Januar
2003 bei dem belgischen
Rauschgifthändler
H
, zu dem auch der Angeklagte in
Kontakt stand,
500 Gramm Heroin, das
K
von
N
, der Freundin des
H
,
in Berlin übergeben
werden sollte. Dazu kam
es aber nicht mehr,
weil H
das Vertrauen zu
K
verloren hatte.
N
„brachte“ die
500 Gramm Heroin an einem
nicht genau feststellbaren Tag
nach dem
5. Januar 2003 „in die Verfügungsgewalt“
des Angeklagten.
K
erwarb
anschließend von
H
ein Kilogr amm Heroin von besonders schlechter
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Qualität.
H
bot
K
die Rücknahme des Rauschgifts an und for-
derte diesen auf, auch das dem Angeklagten gelieferte Heroin wegen
minde-
r er Qualität zu ihm zurückzubringen. Der Angeklagte
beschrieb am 18. Janu-
ar 2003
K
während eines Telefongesprächs den Ort, an dem er das
Heroin versteckt hatte.
K
gr ub das Heroin aus.
Er stellte fest, daß
40 Gramm fehlten, und brachte es
H
zurück.
Das Landgericht stützt seine
Überzeugung von der
Täterschaft des
Angeklagten ausschließlich auf die als glaubhaft bewertete
Aussage des tat-
beteiligten Zeugen
K
, der die Übergabe des Heroins als Zeuge vom
Hörensagen und das
Ausgraben des Rauschgifts als
Tatzeuge geschildert
hat. Zwar seien wegen fehlender Präzision seiner Aussagen
Mißverständnis-
se und scheinbare
Widersprüche entstanden. Der
Zeuge habe sich ferner
nicht mehr an alle
Daten und den genauen
Ort der Ausgr abung erinnern
können. Entgegen der Darstellung des Zeugen in dem gegen ihn
gerichteten
Strafverfahren, in dem eine direkte Übergabe des
Rauschgifts an den Ange-
klagten festgestellt worden ist, seien die Drogen von
N
in die Verfü-
gungsgewalt des Angeklagten
gebracht worden, „etwa
durch Übergabe an
die Ehefrau“, und der Angeklagte habe sie
erst bei einem kurze Zeit
darauf
folgenden Hafturlaub persönlich übernommen.
Der Angeklagte hat die
Tat in Abrede gestellt und
darauf hingewie-
sen, daß er sich in
den Tagen nach dem 5. Januar
2003 in der Haftanstalt
befunden habe und deshalb das Heroin nicht von
N
erhalten haben
könne.
2. Die Revision macht zu
Recht geltend, das Landgericht
hätte sich
in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht dazu
gedrängt sehen müssen, die Ehe-
frau des Angeklagten zu vernehmen, die
ausgesagt hätte, daß
sie keinerlei
Drogen für den Angeklagten im
fraglichen Tatzeitr aum entgegengenommen
hätte. Die Aufklärungspflicht ist
auch verletzt, wenn bei
verständiger Würdi-
gung der Sachlage durch
den abwägenden Richter
die Verwendung einer
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Aufklärungsmöglichkeit den
Schuldvor wurf möglicherweise in
Frage gestellt
hätte (vgl. BGHR StPO
§ 244 Abs. 2 Umfang
1). Dies ist hier der Fall.
Für
eine Überführ ung des
Angeklagten ist vorliegend der
Beweis der Inbesitz-
nahme und der Rückgabe des
Heroins erforderlich. Die vermißte
Beweiser-
hebung hätte die
Beweiswürdigung für
die Inbesitznahme des Rauschgifts
verändern können. Nachdem eine - dem Zusammenhang der
Urteilsgründe
zu entnehmende - ursprünglich angenommene
Heroinübergabe an den An-
geklagten persönlich nicht mehr tragfähig
zu begründen war, hat das Land-
gericht auf einen Erwerb des mittelbaren Besitzes
des Angeklagten an dem
Rauschgift mit Hilfe seiner Ehefrau - wenn auch durch die Formulierung
„et-
wa“ mit einer
gewissen, aber keine
Alternative darstellenden Einschrän-
kung - abgestellt. Damit rückte die
Ehefrau des Angeklagten in die Rolle ei-
ner neuen Tatzeugin. Ihre Aussage wäre
geeignet gewesen, einen Teil des
Schuldvorwurfs, die Inbesitznahme des Rauschgifts, zu widerlegen. Vor
dem
Hintergrund, daß dafür lediglich
ein Zeuge vom
Hörensagen zur Verfügung
stand, dessen Aussage dem
Landgericht nicht für einen Erwerb des
unmit-
telbaren Besitzes am Rauschgift durch den
Angeklagten ausreichte, war die
Vernehmung dieser Zeugin geboten. Dies gilt bei der gegebenen
Beweislage
ungeachtet der engen Beziehung
zwischen dem Angeklagten und
der nicht
gehörten Zeugin.
Auch soweit die Aussage der Ehefrau des Angeklagten
lediglich zur
kr itischen Prüfung der
übrigen belastenden Aussagen des
Zeugen
K
heranzuziehen gewesen wäre, hätte die
Aufklärungspflicht ihre Vernehmung
geboten. Nach den vom
Landgericht dargestellten
Einschränkungen der
Qualität der Aussage
des Belastungszeugen bestand keine so
erdrückende
Beweislage für eine Täterschaft
des Angeklagten, daß die aufgrund der Be-
weise in der Hauptverhandlung gewonnene
tatrichterliche Überzeugung von
der Schuld des Angeklagten
durch die vermißte
Beweisaufnahme nicht ins-
gesamt hätte in Frage
gestellt werden können
(vgl. BGHR aaO; BGH
wistra 1999, 376) . Die Sache bedarf demnach neuer
Aufklärung und Bewer-
tung.
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3. Der Senat weist
darauf hin, daß der
vom Landgericht angenom-
mene Teilverkauf von 40 Gramm Heroin dur ch den Angeklagten nicht
belegt
ist. Der Zeuge
K
konnte mangels eigener Kenntnis von dem genauen
Gewicht der ursprünglichen Her oinliefer ung eine so
geringe Verkaufsmenge
ersichtlich nicht zuverlässig
feststellen und hat nichts
darüber ausgesagt,
wem Rauschgift verkauft wur de.
4. Der neue Tatrichter wird die Glaubhaftigkeit der
Aussage des K
näher zu prüfen
haben. Für die
Glaubhaftigkeitsbeurteilung gerade
bei Aussagen im Bereich des
Betäubungsmittelstrafrechts ist es
regelmäßig
ein wesentlicher Gesichtspunkt, ob sich
der Zeuge durch seine Aussage in
dem gegen ihn selbst gerichteten
Verfahren im Hinblick auf § 31 BtMG ent-
lasten wollte; für diesen Fall
besteht nämlich die
nicht fernliegende Gefahr,
daß der
„Aufklärungsgehilfe“,
der sich durch seine
Aussage Vorteile ver-
spricht, den Nichtgeständigen zu Unrecht belastet (vgl. BGH
NStZ-RR 2003,
245). Ist ein
geständiger Mitbeschuldigter,
auf dessen belastende Aussage
die Überführung des
Angeklagten entscheidend gestützt wird,
bereits - wie
hier - wegen seiner Beteiligung an derselben
Betäubungsmittelstraftat verur-
teilt worden, muß die Beweiswürdigung deshalb
erkennen lassen, ob sich der
Betr effende eine Strafmilderung
als
„Aufklärungsgehilfe“
verdient hat oder
nicht und ob er sich möglicher weise darüber hinaus
in bedenklicher Weise zu
Lasten des nicht
geständigen Angeklagten
eingelassen haben kann (vgl.
BGH StV 2004, 578,
579). Sollten sich in der
Aussage des Belastungszeu-
gen die bisher festgestellten
Qualitätsmängel wiederholen,
wird es einer ins
einzelne gehenden Darstellung
und Bewertung der die
Mängel begründen-
den Umstände und einer
Betrachtung der Entwicklung
der verschiedenen
Aussagen in einer
lückenlosen Gesamtwürdigung
bedürfen (vgl. BGH
NJW 2003, 2250 m.w.N.). Soweit eine gewisse Bestätigung der
Angaben des
K
in der Aussage der Zeugin
W
gefunden wur de, wäre auch eine
nähere Darlegung ihrer Angaben und der Entwicklung ihrer
Aussage geboten
gewesen. Es wird auch nahe liegen, das von der Revision aus der
bisherigen
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Einlassung des Angeklagten vorgetragene Telefongespräch des
Angeklagten
mit
„H
“ in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.
Harms
Basdorf
Gerhardt
Brause
Schaal
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