BGH,
Beschl. v. 24.11.2009 - 1 StR 520/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 520/09
vom
24. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2009
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 22. Juni 2009 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
I.
Nach den Urteilsfeststellungen stritten der Angeklagte und sein im
selben Haus lebender Bruder oft, vor allem um Geld. Nach einem Streit
um 85,-- Euro schoss der Bruder dem Angeklagten am Vormittag des 7.
Dezember 2007 auf dem Speicher zweimal mit einer Schreckschusswaffe ins
Gesicht. Der Angeklagte kam ins Krankenhaus, wo er
äußerlich ruhig und unaufgeregt wirkte. Obwohl er
stationär aufgenommen werden sollte, fuhr er am Abend ohne
Abmeldung nach Hause. Dort stellte er fest, dass der Bruder entgegen
seiner Erwartung nicht verhaftet war. Schon vorher vorhandene Hass- und
Wutgefühle kamen hoch, mit dem Gedanken „er oder
ich“ nahm er ein Bajonett, ging durch das Haus über
eine Treppe zu der in einem anderen Stockwerk gelegenen Wohnung des
Bruders und betrat das Zimmer, in dem der Bruder war. Der war
völlig überrascht, da er den Angeklagten im
Krankenhaus vermutete. In Tötungsabsicht stach der Angeklagte
auf den Bruder ein, der sich wegen seiner Überraschung nicht
Erfolg versprechend wehren konnte, vor allem, aber nicht
ausschließlich ins Gesicht und in den Hals. Der Bruder
verstarb alsbald an einem Stich ins rechte
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Auge, der ins Kleinhirn ging, und einem Stich in den Halsansatz, der
die Lunge durchstieß. Ein weiterer Stich in den
Wangenknochen, der die Wirbelsäulenarterie durchtrennte, war
potentiell lebensbedrohlich. Nach der Tat rief der Angeklagte die
Polizei. Bei seiner Festnahme erklärte er den Beamten, es sei
gut, dass der Bruder tot sei, er gehe dafür gerne ins
Gefängnis. Einen hinzukommenden Mieter forderte er auf, die
Miete weiter zu bezahlen, auch wenn der Bruder jetzt tot sei.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der zum
äußeren Geschehensablauf voll geständige
Angeklagte wegen heimtückisch begangenen Mordes zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Eine erhebliche
Einschränkung der Schuldfähigkeit hat die Strafkammer
nach sachverständiger Beratung verneint.
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II.
Die Revision erhebt eine Verfahrensrüge und die näher
ausgeführte Sachrüge. Ihr gesamtes Vorbringen zielt
darauf, das Landgericht habe den seelischen Zustand des Angeklagten bei
der Tat nicht rechtsfehlerfrei festgestellt und gewürdigt.
Diese Mängel hätten vor allem zur fehlerhaften
Annahme einer uneingeschränkten Schuldfähigkeit
geführt; es sei aber auch nicht auszuschließen, dass
sie sich auf die hiervon unabhängige Frage der Bejahung der
subjektiven Voraussetzungen hinsichtlich des Mordmerkmals der
Heimtücke ausgewirkt haben.
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Die Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Zur Verfahrensrüge:
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a) Ihr liegt Folgendes zu Grunde:
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Der Verteidiger des Angeklagten benannte sich zu folgenden Themen
selbst als Zeugen:
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„1). Bei der Haftbefehlseröffnung, ca. 18 Std. nach
der Tat, war der Angeklagte nicht in der Lage, wahrzunehmen, dass ich
ihn als Verteidiger und nicht als Haftrichter aufsuchte.
2). Am … folgenden Besuchstag … war der
Angeklagte nach wie vor in … hochgradiger Erregung; er war
nicht in der Lage, Angaben zum Tathergang zu machen …
über das hinausgehend, was er … bei der Polizei
geäußert hatte.
3). … einige Wochen später war für mich
der Grad der Erregung bei einem … weiteren Treffen erkennbar
als er - wieder im Besitz seiner Erinnerung den Tathergang schilderte,
wie er von seinem Bruder angegriffen wurde. In diesem Moment sprang er
auf, aufgeregt als er die Situation auf dem Speicher
nachspielte“.
Nachdem der Verteidiger diesen Antrag gestellt hatte, erklärte
der Angeklagte, dass er den Verteidiger insoweit von der
Schweigepflicht befreie.
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b) Die Strafkammer hält den Beweisantrag unter Berufung auf
BGH, Beschl. vom 12. September 2007 - 5 StR 257/07 (NStZ 2008, 115 =
StV 2008, 284 mit im Kern kritischer Anmerkung Beulke/Ruhmannseder aaO,
285) für unzulässig. Mitteilungen des Angeklagten an
seinen Verteidiger und Umstände, die zur Entscheidung
über Art und Inhalt der Verteidigungsstrategie
geführt haben, gehörten zum Kernbereich der
Verteidigung und seien gerichtlicher Kognition entzogen.
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Ergänzend ist ausgeführt, soweit eine Verwechslung
des Verteidigers mit dem Haftrichter behauptet sei, fehle es an dem
für einen Beweisantrag erforderlichen Tatsachenvortrag. Es
werde nicht klar, „aufgrund welcher Tatsachen dies
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so gewesen sei, sondern <der Antrag> gibt allenfalls die
Einschätzung des Pflichtverteidigers wieder“.
Entsprechendes gelte für den im zweiten Teil des Antrags unter
Beweis gestellten „Zustand hochgradiger Erregung“.
Unabhängig von alledem sei die beantragte Beweiserhebung aber
auch dann, wenn ein in jeder Hinsicht zulässiger Beweisantrag
vorläge, kein Gebot der Aufklärungspflicht. Die
Beweiserhebung sei erkennbar darauf gerichtet, Befundtatsachen
für einen Affekt i.S.d. § 20 StGB zu erbringen. Der
Sachverständige habe jedoch auf entsprechende Anfrage
erklärt und - im Beschluss dargelegt - näher
erläutert, dass auch dann, wenn das Antragsvorbringen in
vollem Umfang zu Grunde zu legen sei, „sich keine
Anhaltspunkte finden lassen, die dafür gesprochen
hätten, einen Affekt festzustellen“.
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c) Der Senat neigt nicht zu der Auffassung, dass der Antrag
unzulässig sei (aa); er hält den Beweisantrag auch
für hinreichend konkretisiert (bb). Die Rüge bleibt
dennoch erfolglos, weil die Strafkammer im Ergebnis zu Recht (auch) von
der Bedeutungslosigkeit des Antrags ausgegangen ist (cc).
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(aa) Der Verteidiger hat gemäß § 53 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 StPO für ihm in dieser Eigenschaft anvertraute
oder bekannt gewordene Tatsachen ein Zeugnisverweigerungsrecht. Es
entfällt, wenn er von seiner Schweigepflicht entbunden wurde,
§ 53 Abs. 2 Satz 1 StPO. Dies zeigt ohne weiteres, dass ein
Verteidiger grundsätzlich Zeuge sein kann, und zwar auch in
dem Verfahren, in dem er den Angeklagten verteidigt (vgl. die Nachw.
bei Beulke/Ruhmannseder aaO Fußn. 23, 26). Der Senat neigt
nicht zu der Auffassung, dass hiervon, wie die Strafkammer im Anschluss
an einen nicht tragenden Hinweis („obiter dictum“)
in der genannten Entscheidung des 5. Strafsenats meint, eine Ausnahme
gilt, wenn sich die Aussage des Verteidigers auf den
„Kernbereich“ der Verteidigung beziehen soll. Was
im Einzelnen zu diesem Kernbereich zählt - also z.B. hier die
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cher der Schweigepflicht unterfallende) Erkenntnis des Verteidigers,
dass der Angeklagte ihn zunächst nicht vom Haftrichter
unterscheiden konnte - kann dabei offen bleiben. Das gesamte
Verhältnis zwischen Verteidiger und Mandant ist durch
§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO, flankiert durch § 203
Abs. 1 Nr. 3 StGB, davor geschützt, dass der Verteidiger gegen
den Willen des Mandanten über in diesem Zusammenhang von ihm
gewonnene Erkenntnisse als Zeuge aussagen muss („besonders
geschützter Freiraum“, Beulke/Ruhmannseder aaO,
286). Daraus folgt aber nicht, dass der Angeklagte, der sich von einer
solchen Aussage Wesentliches für seine Verteidigung
verspricht, nicht wirksam auf diesen Schutz verzichten darf, indem er
den Verteidiger von seiner Schweigepflicht befreit. Der Senat hat
bereits ausgesprochen, dass es sogar im Falle einer Beweisgewinnung
unter Verletzung von Schutzrechten des Angeklagten -
abgehörtes Selbstgespräch in einem Krankenzimmer -
„schwerlich vorstellbar“ erscheine, „dem
Angeklagten ‚zum Schutze seiner
Menschenwürde’ zu verbieten, diese Information zum
Inbegriff der Hauptverhandlung zu machen“ (BGHSt 50, 206,
215; vgl. hierzu auch Roxin/Schäfer/Widmaier StV 2006, 655,
656; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366 ff.). Zur Möglichkeit
eines Angeklagten, sich zu seiner Entlastung der - aus anderen
Gründen freilich ungeeigneten - Kontrolle durch einen
„Lügendetektor“ zu unterwerfen, hat der
Senat ausgeführt, dass ihm dies bei differenzierender, auf
sein Einverständnis abstellender Sichtweise nicht mit dem
Hinweis auf gebotenen Schutz seiner Persönlichkeitsrechte
versagt werden kann (BGHSt 44, 308, 317 m.w.N.). An diesen
Maßstäben gemessen kann die vom Angeklagten mit dem
Ziel seiner Entlastung gewünschte Zeugenvernehmung seines
Verteidigers, deren Grundlage - Befreiung von der Schweigepflicht - im
Gesetz vorgesehen ist (§ 53 Abs. 2 Satz 1 StPO) und die er
nach seinem Belieben herbeiführen kann, schwerlich wegen
gebotenen Schutzes der Verteidigungsinteressen unzulässig
sein. Unabhängig davon erscheint auch fraglich, ob hier eigene
Erläuterungen des Angeklagten zum Zusammenwirken seines psy-
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chischen Zustands und seiner Äußerungen
gegenüber dem Verteidiger und eine
Verteidigererklärung ein ausreichender Ersatz wären
(zu Bedenken gegen diese in BGH StV 2008, 284, 285 erwogene
Möglichkeit vgl. auch Beulke/Ruhmannseder aaO, 287).
(bb) Der Beweisantrag ist auch genügend konkretisiert. Die
Behauptung, der Angeklagte habe bei der Haftbefehlseröffnung
den Verteidiger mit dem Haftrichter verwechselt, ist eine
Tatsachenbehauptung. Bei sinngerechter Auslegung enthält sie
die Behauptung entsprechender Äußerungen des
Angeklagten. Wie der Verteidiger auf anderem Wege zu der Annahme einer
solchen Verwechslung gelangt sein könnte, ist nicht leicht
vorstellbar. Unabhängig davon ist der Antrag auch im Blick auf
eine schlagwortartige Verkürzung des Beweisthemas ausreichend;
unter diesem Blickwinkel hat der Bundesgerichtshof etwa die Behauptung
einer „Anstiftung“ des Angeklagten durch einen
Dritten (BGHSt 1, 137, 138), die Behauptung, Zeugen hätten bei
der Polizei „nicht die Wahrheit gesagt“ (BGHSt 39,
141, 143 f.), oder die Behauptung, ein Zeuge leide unter einer
„krankheitsbedingten Alkoholabhängigkeit mit
Persönlichkeitsdeformation“ (NStZ 2008, 52, 53) als
für Beweisanträge hinreichende Tatsachenbehauptungen
anerkannt. Hieran gemessen ist auch die behauptete Verwechslung als
genügende Tatsachenbehauptung für einen Beweisantrag
anzusehen, ebenso die im zweiten Teil des Beweisantrags behauptete
hochgradige Erregung des Angeklagten.
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(cc) Die Rüge bleibt gleichwohl erfolglos, weil die
Strafkammer den Antrag auch der Sache nach im letzten Teil ihres
Beschlusses mit tragfähigen Erwägungen als
bedeutungslos zurückgewiesen hat. Der Grundsatz, dass die
Ablehnung eines Beweisantrags nicht auf mehrere, insbesondere sich
gegenseitig ausschließende Gründe gestützt
werden kann (BGH NStZ 2004, 51 <dort war der Antrag zugleich als
„ins Blaue“ gestellt, als bedeutungslos und wegen
Wahrunterstellung abgelehnt worden>; Fischer in KK 6. Aufl.
§ 244 Rdn. 120), ist hier
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nicht einschlägig. Die Möglichkeit, einen Antrag
schon aus formalen Gründen - hier: generelle
Unzulässigkeit der Beweiserhebung sowie
unzulänglicher Tatsachenvortrag - zurückzuweisen,
steht nicht in innerem Widerspruch zu der Erwägung, der Antrag
bliebe (hier: wegen Bedeutungslosigkeit) selbst dann erfolglos, wenn
die genannten formalen Mängel nicht vorlägen, die
Beweiserhebung also generell zulässig und das Vorbringen
genügend tatsachenfundiert wäre. Die
Informationsfunktion des Ablehnungsbeschlusses gemäß
§ 244 Abs. 6 StPO (vgl. Fischer aaO Rdn. 119) wird - anders
als bei unterschiedlichen sachlichen Ablehnungsgründen - durch
solche „gestuften“ Ablehnungsgründe nicht
eingeschränkt, sondern erweitert.
Im Übrigen hat die Strafkammer allerdings im Ansatz mit der
Erwägung, auch bei einem zulässigen Beweisantrag sei
es kein Gebot der Aufklärungspflicht, diesem nachzugehen,
verschiedene Gesichtspunkte vermengt: Allerdings kann auch ein
unzulässiger Beweisantrag nach Maßgabe der
Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zur
Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen führen (vgl. BGH NStZ
2008, 52); liegt jedoch ein in jeder Hinsicht zulässiger
Beweisantrag vor, richtet sich seine Verbescheidung nicht nach der
Aufklärungspflicht, sondern er kann nur nach Maßgabe
von § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 oder Abs. 5 StPO abgelehnt
werden. Der aufgezeigte Mangel im Prüfansatz
gefährdet unter den hier gegebenen Umständen den
Bestand des Urteils allerdings nicht. Die Strafkammer geht zu Recht
davon aus, dass der Beweisantrag Anknüpfungspunkte
für die Schuldfähigkeitsbeurteilung erbringen sollte.
Wenn, so die Strafkammer nach sachverständiger Beratung, auch
im Falle des Gelingens des Beweises solche Anhaltspunkte nicht zu
erwarten sind, führt dies unterschiedslos zugleich dazu, dass
sich die Strafkammer zur Erhebung dieser Beweise nicht
gedrängt sehen muss und dass die Beweiserhebung für
die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Ein aus anderen Gründen
rechtsfehlerhafter Prüfungsmaßstab ist nicht zu
erkennen. Die Strafkammer folgt dem Sachverständigen dahin,
dass die ge-
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nannten Beweisbehauptungen, ihre Erweislichkeit unterstellt, keinen
Anhaltspunkt für einen „relevanten“ Affekt
erkennen lassen. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich
daraus keine rechtsfehlerhafte
„Beweislastverteilung“. Tatsachen, die keinen
Anhaltspunkt für eine bestimmte Schlussfolgerung ergeben,
können auch nicht nach Maßgabe des Zweifelssatzes
die wesentliche Grundlage für die Annahme sein, diese
Schlussfolgerung sei nicht auszuschließen.
2. In der Sache hält die Annahme uneingeschränkter
Schuldfähigkeit auch unter Berücksichtigung des
gesamten hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens - im Zusammenhang
mit den Angriffen gegen die Annahme von Bedeutungslosigkeit des
Beweisantrags ebenso wie zur Begründung der Sachrüge
- insgesamt der rechtlichen Überprüfung Stand.
Zusammenfassend und ergänzend zu den zutreffenden
Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat
insoweit: Die Strafkammer hat nach sachverständiger Beratung
in ihre Erwägungen zur Schuldfähigkeit alle
wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen. Sie hat dabei die generell sich
konflikthaft zuspitzende Täter-Opfer-Beziehung ebenso erwogen
wie die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und die
„grundsätzlich …
affektbegünstigende Ausgangssituation“
(Schüsse am Morgen) sowie die Feststellungen zum Vor- und
Nachtatverhalten. Wenn sie im Ergebnis dem zeitlichen Abstand zwischen
Schüssen und Tat von fast neun Stunden - in denen sich der
Angeklagte unauffällig verhielt -, der Tatvorbereitung - der
Angeklagte nahm erst das Bajonett und ging dann durch das Haus in ein
anderes Stockwerk zur Wohnung des Bruders - und dem Nachtatverhalten -
er billigte seine Tat und ermahnte einen Mieter zu weiterer
Vertragstreue - maßgebliches Gewicht beimisst und einen die
volle Schuldfähigkeit in Frage stellenden Affekt verneint, so
überschreitet sie damit nicht die dem Tatrichter bei der
Beweiswürdigung gezogenen Grenzen. Bei dem Revisionsvorbringen
handelt es sich letztlich um den im Revisionsverfahren unbehelflichen
Versuch, eine rechtsfehlerfreie tatrichterliche Be-
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weiswürdigung durch eine eigene zu ersetzen. Soweit die
Revision erwägt, es deute auf nur eingeschränkte
Schuldfähigkeit hin, dass der Angeklagte selbst die Polizei
rief, kann dies schon im Ansatz die Möglichkeit einer
lückenhaften Prüfung durch die Strafkammer nicht
verdeutlichen. Die alsbaldige Übernahme von Verantwortung
für eine Tat ist offenbar keine Grundlage für die
Annahme, der Täter habe bei der Tat nicht voll verantwortlich
gehandelt, wie dies etwa bei einer spontan und abrupt begangenen Tat
ohne Schutz vor Entdeckung der Fall sein kann (sog. „fehlende
Sicherheitstendenz“, vgl. hierzu BGH NStZ 2005, 149 f.
m.w.N.). Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, gegen die von der
Strafkammer als Beleg uneingeschränkter
Schuldfähigkeit bewertete Erhaltung der
„Introspektionsfähigkeit“ des Angeklagten
nach der Tat spreche, dass er keine genauen Angaben zu den Verletzungen
und deren Todesursächlichkeit machen konnte. Ob der
entsprechende Hinweis der Strafkammer überhaupt ergeben soll,
dass die Polizei alsbald nach der Tat Details zur Todesursache vom
Angeklagten wissen wollte, liegt eher fern. Welche Verletzungen genau
durch ins Körperinnere gerichtete Stiche dort eingetreten sind
- ob und wie stark also etwa Kleinhirn, Lunge oder
Wirbelsäulenarterie getroffen waren - und welche der Stiche
letztlich tödlich waren, kann nämlich offensichtlich
niemand allein durch äußerliches Betrachten der
Leiche erkennen. Nach alledem ist die Strafkammer ohne Rechtsfehler
davon ausgegangen, dass am Tattage selbst tragfähige Indizien
für einen schuldmindernden oder sonst bedeutsamen Affekt nicht
erkennbar nach außen getreten sind. Auf dieser Grundlage ist
es nicht zu beanstanden, dass sie es abgelehnt hat, aus den im
Beweisantrag genannten Erkenntnissen, die wesentlich später
angefallen sein sollen, auch bei deren Erweislichkeit gegenteilige
Schlüsse zu ziehen.
3. Die Strafkammer begründet ihre Annahme, der Angeklagte habe
die für die Bewertung der Tat als heimtückisch
wesentlichen Elemente in sein Bewusstsein aufgenommen
(„Ausnutzungsbewusstsein“) damit, dass eine
Ausnahmesi-
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tuation, wie sie bei Tatbegehung im Rahmen eines affektiven Durchbruchs
gegeben sein kann, nicht vorlag. Dies ist nicht zu beanstanden. Bei
erhaltener Einsichtsfähigkeit - anderes ist hier nicht
ersichtlich - ist die Fähigkeit des Täters, die
Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer
realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen,
regelmäßig nicht beeinträchtigt (BGH, Urt.
vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07; aus forensisch-psychiatrischer
Sicht ebenso Dannhorn NStZ 2007, 297, 299). Selbst die Annahme einer
affektbedingt erheblich verminderten Schuldfähigkeit
könnte für sich genommen die Verneinung des
Ausnutzungsbewusstseins nicht tragen (BGH aaO; NStZ 2003, 535; vgl.
auch BGH NStZ-RR 2000, 166). Unter welchen - jedenfalls besonderen -
konkreten Umständen des Einzelfalles die Möglichkeit
affektbedingt fehlenden Ausnutzungsbewusstseins bei voll erhaltener
Schuldfähigkeit (vgl. BGHSt 6, 329, 332) in Betracht kommen
kann, kann hier offen bleiben. Die Strafkammer hat jedenfalls, nicht
zuletzt gestützt auf ihre Feststellungen zum Vor- und
Nachtatverhalten, keine Anhaltspunkte für derartige
Besonderheiten feststellen können, ohne dass ihr dabei
Rechtsfehler unterlaufen wären. Daher brauchte sie die von ihr
im Grundsatz gesehene genannte Ausnahmemöglichkeit auch nicht
breiter als geschehen zu erörtern.
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Auch sonst enthält das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten.
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Nack Wahl Rothfuß
Hebenstreit Sander |