BGH,
Beschl. v. 24.11.2009 - 3 StR 327/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 327/09
vom
24. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 24. November 2009 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vom 9. Dezember 2008 wird als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zutreffend seine
Zuständigkeit bejaht. Die Voraussetzungen des § 120
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a GVG sind vorliegend gegeben.
Die gegenständliche Tat war nach den Umständen
bestimmt und geeignet die innere Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland zu beeinträchtigen.
Allerdings ist hierfür nicht ausreichend, dass die Tat das
"Sicherheitsgefühl" der inländischen
Bevölkerung negativ beeinflussen konnte. Ein derartiger Effekt
kann durch Straftaten unterschiedlichster Art auch der "allgemeinen
Kriminalität" - gegebenenfalls befördert durch eine
entsprechende mediale Berichterstattung - eintreten und ist
für sich allein daher nicht geeignet, die
Bundeszuständigkeit für deren Aburteilung unter dem
Gesichtspunkt des Staatsschutzes nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG
zu begründen. Erforderlich ist vielmehr,
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dass die Belange des Bundes auf dem Gebiet der inneren Sicherheit in
vergleichbar schwerer Weise berührt werden, wie dies bei den
anderen in § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 4 GVG genannten
Straftaten der Fall ist, die der Ahndung durch die Bundesjustiz
unterstellt sind. So liegt es namentlich dann, wenn die Tat nach den
konkreten Umständen geeignet ist, das innere Gefüge
des Gesamtstaates zu beeinträchtigen, oder sich gegen
Verfassungsgrundsätze richtet (BGHSt 46, 238, 249 f.), wobei
auch eine Gesamtbetrachtung beider Aspekte den spezifisch
staatsgefährdenden Charakter des jeweiligen Delikts ergeben
kann. Dieser ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Tat der
Feindschaft des Täters gegen das freiheitlich-demokratische
Staats- und Gesellschaftssystem der Bundesrepublik entspringt und er
seine Opfer nur deshalb auswählt, weil sie dieses System als
Amtsträger oder in sonstiger Weise repräsentieren,
oder ohne jeden persönlichen Bezug lediglich deshalb angreift,
weil sie Bürger oder Einwohner der Bundesrepublik Deutschland
sind oder sich im Bundesgebiet aufhalten. Letzteres war hier der Fall:
Nach den Feststellungen wollte der radikal-islamistisch eingestellte
Angeklagte als Vergeltung für die Veröffentlichung
der so genannten Mohammed-Karikaturen eine möglichst hohe
Anzahl von Insassen zweier beliebig ausgesuchter, in Deutschland
verkehrender Züge töten und sich damit zugleich am
"weltweiten Jihad gegen den Westen" aktiv beteiligen. Die ins Auge
gefassten Anschlagsopfer und Tatorte waren völlig
willkürlich ausgewählt und standen mit Hintergrund
sowie Anlass der Tat in keinerlei Beziehungsverhältnis. Die
Gewalttat sollte möglichst viele Menschen treffen, die
ersichtlich nichts mit den Medienereignissen zu tun hatten, die
für den Angeklagten der Anlass für die
Durchführung der Tat waren. Die Tatorte wurden nicht etwa vom
Erscheinungsort der Zeitungen bestimmt, die die Karikaturen
veröffentlicht hatten, sondern ergaben sich daraus, dass der
Mittäter des Angeklagten in K. wohnte und die Täter
die ausgewählten Züge dort besteigen wollten.
Schließlich sollten die In-
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sassen der Züge als Opfer des Jihads nur deshalb sterben, weil
sie sich zum Zeitpunkt der Anschläge in der Bundesrepublik
Deutschland, einem Teil der westlichen Welt, aufhielten. Danach handelt
es sich bei der Tat des Angeklagten, die durch die radikale Einstellung
des Täters, seine Motivation und den Tatanlass sowie die
willkürliche Auswahl beliebiger Opfer in möglichst
hoher Zahl in Deutschland gekennzeichnet ist, um eine terroristische
Gewalttat im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a
GVG, die das Schutzgut der inneren Sicherheit der Bundesrepublik in
einer derart spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des
Generalbundesanwaltes und eine Aburteilung durch ein die
Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist.
Die besondere Bedeutung der Tat im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz
1 Nr. 3 Buchst. a GVG, die die Zuständigkeit des Bundes und
damit die Evokationsbefugnis des Generalbundesanwalts
begründet, hat das Oberlandesgericht im Ergebnis ebenfalls
rechtsfehlerfrei bejaht. Bei der Tat handelt es sich um ein
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staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht. Dem Angriff
des Angeklagten auf die innere Sicherheit der Bundesrepublik kommt nach
den gesamten Umständen die Bedeutung zu, die das Eingreifen
der Strafverfolgungsorgane des Bundes rechtfertigt. Dass die Taten im
Versuchsstadium stecken geblieben sind, hindert diese Beurteilung
nicht. Nach der Konstruktion der Sprengsätze hätte
ihre Detonation zu Toten, Verletzten und hohen Sachschäden
geführt. Zu diesen, vom Angeklagten beabsichtigten Tatfolgen
kam es nur wegen eines Konstruktionsfehlers nicht.
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer |