BGH,
Beschl. v. 24.10.2001 - 1 StR 432/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 432/01
vom
24. Oktober 2001
in der Strafsache gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. Oktober 2001
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 18. Juni 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Der Angeklagte wurde wegen Untreue in 26 Fällen, davon in vier
Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer
Gesamtstrafe von vier Jahren verurteilt; außerdem wurde ihm
ein befristetes Berufsverbot erteilt.
Seine Revision hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349
Abs. 4 StPO).
1. Der Angeklagte hat auf Provisionsbasis für eine
Tochtergesellschaft der D AG und den ihr verbundenen Produktpartnern
Versicherungen, Bausparverträge und andere
Vermögensanlagen vermittelt und er nahm für diese
Firmen auch die Kundenbetreuung wahr.
In einer Reihe von Fällen bekam er Orderschecks über
fällige Lebensversicherungen mit dem Auftrag
übersandt, mit den Kunden möglichst einen Vertrag
über die Wiederanlage des Geldes abzuschließen.
Waren die Kunden hierzu nicht bereit, hatte er ihnen den Scheck
auszuhändigen. Sofern es zum Abschluß eines neuen
Vertrages kam, verwendete er die Schecks abredewidrig nicht zu deren
Finanzierung, sondern löste sie auf sein eigenes Konto ein. In
einigen Fällen löste er solche Schecks auch
unmittelbar auf sein eigenes Konto ein, nachdem er auf deren
Rückseite ein Indossament mit einem Phantasieschriftzug
hergestellt hatte.
Mit dem Geld zahlte er eigene Schulden, insbesondere auch bei von ihm
zuvor geschädigten Kunden, oder er erwarb in der Hoffnung auf
hohe Gewinne erheblich risikobehaftete Optionsscheine. Die erhofften
Gewinne wollte er zumindest überwiegend den Kunden zugute
kommen lassen, wobei er für sich "Reklame" als guter
Anlageberater und damit auch neue Kunden erhoffte. Tatsächlich
trat jedoch ganz überwiegend Totalverlust ein, was er
zumindest auch für möglich gehalten hatte. Die D. AG
zahlte letztlich die Versicherungsgelder nochmals aus oder leistete
sonst Schadensersatz.
In anderen, in ihrem Ablauf im Detail unterschiedlich gelagerten
Fällen, ging es nicht um die Wiederanlage fälliger
Versicherungssummen. Hier überließen die Kunden dem
Angeklagten Bargeld oder Schecks aus eigenen Beständen, die
der Angeklagte zur Finanzierung der auf Grund seiner Beratung
abgeschlossenen Verträge verwenden sollte. Auch diese Gelder
verwendete er zur Schuldentilgung und zum Kauf von Optionsscheinen.
Insgesamt hat der Angeklagte etwa 1,5 Millionen DM in dieser Weise
verwendet.
2. Die Strafkammer geht in sämtlichen Fällen von
Untreue (§ 266 StGB) in der Form des Treubruchs aus. Auf Grund
der Verträge mit den Kunden beziehungsweise seiner Pflicht zur
Weitergabe der Schecks an Kunden, die an einer Wiederanlage nicht
interessiert waren, hätte er die Kundengelder anzulegen und zu
verwalten gehabt. Bei der Beratung der Kunden habe er ein gewisses
Maß an Selbständigkeit gehabt.
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht
stand.
Ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 StGB
erfordert, daß der Täter innerhalb eines nicht
unbedeutenden Pflichtenkreises bei Einräumung von
Ermessensspielraum, Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit zur
fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet
ist (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Tröndle/ Fischer StGB 50.
Aufl. Rdn. 8, 9 m. w. N.). Aus dem Auftrag einer
Versicherungsgesellschaft, Berechtige aus einer Lebensversicherung
über Möglichkeiten der Wiederanlage frei gewordener
Gelder zu beraten und ihnen Gelder auszuhändigen, wenn es zu
keinem neuen Vertrag kommt, oder neue Kunden für die
Versicherungsgesellschaft zu gewinnen, ergibt sich keine Treuepflicht
im Sinne des § 266 StGB gegenüber den Kunden; mit
einigen von ihnen ist er offenbar nicht einmal in Kontakt getreten,
sondern hat die ihm von der Versicherung überlassenen Schecks
mit Hilfe gefälschter Indossaments anderweitig verwendet.
Soweit der Angeklagte Vertragsurkunden und entsprechend gezahlte Gelder
weiterzuleiten hatte, handelt es sich dabei ebenfalls nicht um die
Pflicht zu selbständiger Geldanlage und Verwaltung. Der
Angeklagte hatte keine Gestaltungsmöglichkeiten, seine
Pflichten standen im einzelnen fest.
Daß der Angeklagte die Kunden auf unterschiedliche
Geldanlagemöglichkeiten hinzuweisen und insoweit einen
gewissen Spielraum hatte, ändert an alledem nichts. Dadurch
hatte der Angeklagte nicht die Möglichkeit, über das
Vermögen der Kunden zu verfügen. Es blieb allein
deren Entscheidung überlassen, ob und wie sie ihr Geld anlegen
wollten. Allenfalls in einigen wenigen Fällen könnten
die Urteilsfeststellungen auf das Bestehen eines
Treueverhältnisses hindeuten, in denen der Angeklagte offenbar
nur angewiesen war, Gelder - für die er dann Optionsscheine
kaufte, oder die er gleich zur Schuldentilgung verwendete -, z. B.
"gewinnbringend" (Fall 15) oder "gut" (Fall 24) aber nicht risikoreich
anzulegen, oder soweit nur eine "lukrative" Geldanlage vereinbart war
(Fall 26). In diesen Fällen sind die Feststellungen aber nicht
klar genug, um dem Senat eine abschließende Beurteilung zu
ermöglichen.
3. Der Senat hat erwogen, ob eine Änderung des Schuldspruchs
und daran anschließend eine Bestätigung des
angesichts der Höhe des angerichteten Schadens auch unter
Berücksichtigung der von der Strafkammer erwogenen
strafmildernden Gesichtspunkte maßvollen Strafausspruchs in
Betracht käme. Über die genannten Unklarheiten hinaus
sind die Feststellungen jedoch ganz überwiegend nicht klar
genug, um dem Senat eine abschließende Beurteilung zu
ermöglichen, welche sonstigen Straftaten (z.B. Betrug, oder,
demgegenüber subsidiär, (veruntreuende)
Unterschlagung) zum Nachteil der Kunden oder auch - dies hat die
Strafkammer nicht erkennbar geprüft - der Versicherung im
Einzelfall in Betracht kommen. Unbeschadet der Frage, ob jedenfalls im
Hinblick auf Straftaten zum Nachteil der Versicherung auch §
265 StPO trotz des Geständnisses des Angeklagten einer
Schuldspruchänderung durch den Senat entgegenstünde,
bedarf die Sache daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Herr VRiBGH Dr. Schäfer ist erkrankt und deshalb an der
Unterschrift gehindert.
Nack Wahl Schluckebier Kolz |