BGH,
Beschl. v. 24.9.2008 - 1 StR 478/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 478/08
vom
24. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2008
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Nürnberg - Fürth vom 23. April 2008 im Ausspruch
über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Der betäubungsmittelabhängige und alkoholkranke
Angeklagte wurde wegen gefährlicher Körperverletzung
zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Außerdem wurde er in einer Entziehungsanstalt untergebracht;
zugleich ordnete die Strafkammer mit eingehender Begründung
an, dass (einschließlich der bisher
verbüßten Untersuchungshaft) zwei Jahre und drei
Monate Freiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind. Hinsichtlich der
nachfolgenden Unterbringung sei mit einer Dauer von einem bis zwei
Jahren zu rechnen.
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1. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten bleibt hinsichtlich des Schuldspruchs und des
Strafausspruchs aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten
Gründen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
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2. Keinen Bestand hat die Anordnung der Unterbringung in einer
Entzie-hungsanstalt (§ 349 Abs. 4 StPO). Der
Generalbundesanwalt hat hierzu unter anderem ausgeführt:
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„Nicht widerspruchsfrei sind … die
Ausführungen zur hinreichend konkreten Aussicht auf eine
erfolgreiche Behandlung (§ 64 Satz 2 StGB). Dazu stellt das
Landgericht … einerseits fest, dass … nach einer
Haftentlassung alsbald mit einem Rückfall … zu
rechnen wäre, … . Andererseits habe die
länger andauernde Haft zu einer kritischen Auseinandersetzung
des Angeklagten mit sich selbst geführt und
Maßnahmen von vergleichbarer Zeitdauer unter
Aufrechterhaltung eines äußeren Drucks durch die
alternativ erfolgende Inhaftierung seien bisher nicht
durchgeführt worden. Nach Einschätzung des
Sachverständigen sei nicht davon auszugehen, dass auch weitere
Behandlungen 'von vorneherein erfolglos verlaufen könnten'.
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt 'könnte
… geeignet sein', den Prozess der Auseinandersetzung mit
sich selbst zu fördern und dem Angeklagten hierdurch eine neue
Perspektive zu eröffnen. Im Zusammenhang mit den
Ausführungen zum vorweg zu vollziehenden Teil der Strafe
betont das Landgericht dagegen wiederum die bislang erfolglosen
Therapiebemühungen und die nur bedingte Aussicht auf einen
Therapieerfolg. Aus der Gesamtheit der Urteilsgründe ergibt
sich danach nur, dass das Landgericht eine Behandlung nicht
für 'offensichtlich aussichtslos' hält (vgl. Fischer
StGB, 55. Aufl. 2008, § 64 Rn. 19).“
Dem verschließt sich der Senat nicht.
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3. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum die
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen,
wird sie auch über einen etwaigen Vorwegvollzug von Strafe zu
befinden haben. Der Ge-
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neralbundesanwalt weist daher zu Recht darauf hin, dass die hier
getroffene Entscheidung über diese Frage im Hinblick auf die
Neufassung von § 67 StGB (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I S.
1327) auch dann keinen Bestand haben könnte, wenn die
Unterbringungsanordnung als solche rechtsfehlerfrei wäre:
Stehen bei einer Strafe von mehr als drei Jahren nicht Gründe
des Einzelfalls dem Vorwegvollzug eines Teils der Strafe
überhaupt entgegen, so ist gemäß §
67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB in Verbindung mit § 67
Abs. 5 Satz 1 StGB der vorweg zu vollziehende Teil der Strafe so zu
bemessen, dass nach seiner Vollstreckung und einer
anschließenden Unterbringung eine Halbstrafenentlassung
möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum steht dem Tatrichter
insoweit nicht zu (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 142, 182 jew. m.w.N., auch
aus den Gesetzesmaterialien). Für die Erwägungen der
Strafkammer, warum es hier angemessen sei, dass der Angeklagte wegen
des angeordneten Vorwegvollzuges von zwei Jahren und drei Monaten und
der voraussichtlichen Unterbringungsdauer von ein bis zwei Jahren nicht
einmal zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt entlassen werden könne, ist
daher kein Raum.
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Im Übrigen genügt es aber auch nicht, dass der
Tatrichter hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des
Maßregelvollzuges nur eine Mindest- und eine
Höchstdauer - also einen Zeitraum - prognostiziert.
Erforderlich ist vielmehr eine präzise Prognose
darüber, wie lange genau die Unterbringung voraussichtlich
erforderlich sein wird. Nur auf der Grundlage einer solchen Prognose
kann - letztlich ohne weitere Abwägung, sondern mittels eines
Rechenvorgangs (vgl. BGH NStZ 2008, 213) - bestimmt werden, wie viel
Strafe (einschließ-
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lich der anzurechnenden Untersuchungshaft) vorab zu vollziehen ist, bis
exakt der Zeitpunkt erreicht sein wird, zu dem eine
Halbstrafenentlassung möglich ist (BGH, Beschl. vom 20. Mai
2008 - 1 StR 233/08 m.w.N.).
RiBGH Hebenstreit befindet
sich in Urlaub und ist deshalb
an der Unterschrift verhindert
Nack Wahl Nack
Jäger Sander |