BGH,
Beschl. v. 24.9.2009 - 3 StR 340/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 340/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 24. September 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aurich vom 27. April 2009
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Fall II. C. 13. der Urteilsgründe;
- im gesamten Rechtsfolgenausspruch;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall
II. A. 1. der Urteilsgründe der versuchten besonders schweren
Erpressung schuldig ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter
räuberischer Erpressung, schweren Raubes,
Wohnungseinbruchsdiebstahls in vier Fällen, versuchten
Wohnungseinbruchsdiebstahls, Diebstahls in neun Fällen,
versuchten Diebstahls in sieben Fällen, gefährlicher
Körperverletzung und vorsätzlicher
Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von fünf
Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision erhebt der
Angeklagte eine nicht ausgeführte Formalrüge und
beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat auf
die Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen
Umfang Erfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls (§ 242
Abs. 1, § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB) im Fall II. C. 13. der
Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben; denn nach den vom
Landgericht getroffenen Feststellungen beging nicht der Angeklagte,
sondern der Mitangeklagte S. die Tat. Ausreichende Gründe, die
Anlass geben könnten anzunehmen, dass es sich bei der
Benennung des Mitangeklagten S. um ein reines Schreibversehen handelt,
liegen nicht vor.
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2. Der Schuldspruch im Fall II. A. 1. der Urteilsgründe war
dahin zu ändern, dass der Angeklagte der versuchten schweren
räuberischen Erpressung schuldig ist; denn bei der Tat wurde
eine nicht geladene Schreckschusspistole eingesetzt, so dass - wie die
Strafkammer zutreffend erkannt hat - die Voraussetzungen des §
250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB erfüllt sind. Die von
§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der
Straftat verlangt eine Kennzeichnung dieser Qualifikation in der
Urteilsformel, damit der erhöhte Un-
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rechtsgehalt der Tat zum Ausdruck gebracht wird (vgl. BGHR StPO
§ 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4).
3. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat unterlassen zu
prüfen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
vorliegen, obwohl sich dies nach den Urteilsfeststellungen
aufdrängte. Dies führt hier zur Aufhebung auch des
Strafausspruchs.
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Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit seinem 13.
Lebensjahr Haschisch und Marihuana; vor seiner Festnahme in dieser
Sache verbrauchte er bis zu fünf Gramm täglich.
Parallel dazu probierte er alle anderen Rauschgifte mit Ausnahme von
Heroin aus. Der Umfang des Konsums hing von seiner jeweiligen
finanziellen Leistungsfähigkeit ab. Die hier in Rede stehenden
Straftaten beging er, um seinen Bedarf an Betäubungsmitteln zu
decken. Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer erneut
ausgeführt, der übermäßige
Drogenkonsum des Angeklagten sei vielfach Auslöser
für die Straftaten gewesen. Ohne eine längere
Einwirkung auf ihn in einem reglementierten Rahmen und ohne Behandlung
seiner Suchtproblematik könne sich eine dissoziale
Persönlichkeitsstruktur entwickeln.
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Diese Sachlage legt nahe, dass die gegenständlichen Taten auf
einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen. Daher hätte das
Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die
Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt nach § 64 StGB gegeben sind. Den bisher
getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die
Maßregelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden
müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht auf
einen Behandlungserfolg fehlt (§ 64 Satz 2 StGB).
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Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den Strafausspruch
nicht unberührt. Der Senat kann nicht ausschließen,
dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon
abgesehen hätte, Jugendstrafe zu verhängen.
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Das neue Tatgericht wird daher über den gesamten
Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben, wobei es zur
Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt nach § 64 StGB der Hinzuziehung eines
Sachverständigen bedarf.
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Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer |