BGH,
Beschl. v. 25.2.2003 - 1 StR 474/02
1 StR 474/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
25. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Februar 2003
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 21. Juni 2002 im Schuldspruch dahin geändert,
daß der Angeklagte
a) im ersten Tatkomplex des Mordes und der Brandstiftung sowie
b) im zweiten Tatkomplex der Brandstiftung
schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen
Brandstiftung in fünf tateinheitlichen Fällen unter
Einbeziehung weiterer Straftaten zu lebenslanger Freiheitsstrafe als
Gesamtstrafe und darüber hinaus wegen einer weiteren
Brandstiftung in neun tateinheitlichen Fällen zu einer
gesonderten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die dagegen
gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung sachlichen
Rechts beanstandet, führt lediglich zu einer Änderung
der Schuldsprüche hinsichtlich der Verurteilungen wegen der
Brandstiftungen. Im wesentlichen ist sie indessen aus dem vom
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten
Erwägungen unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO. Der weiteren Begründung bedarf nur folgendes:
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den beiden
Brandstiftungstaten jeweils mehrere in Tateinheit stehende
Gesetzesverletzungen begangen, begegnet rechtlichen Bedenken, die der
Senat als durchgreifend erachtet und die zur
Schuldspruchänderung führen. Der Angeklagte hat nicht
dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt (§ 52 Abs. 1 StGB). Die
beiden festgestellten Sachverhalte ergeben vielmehr, daß er
durch eine Handlung - im zweiten Falle durch eine Handlung im
natürlichen Sinne - denselben Tatbestand nicht mehrfach,
sondern nur einfach verletzt hat.
Gleichartige Idealkonkurrenz scheidet aus, wenn der Tatbestand auf die
Verletzung von sog. Gesamtheiten abstellt, also eine "quantitative
Steigerung des Angriffsobjekts" schon einschließt und nicht
etwa höchstpersönliche Rechtsgüter betroffen
sind. Dann verletzt dieselbe Handlung das Strafgesetz auch nicht
bereits deshalb "mehrmals", weil verschiedene Rechtsgutsträger
geschädigt sind (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl.
§ 52 Rdn. 35 f.; Stree in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 23 ff.; Samson/Günther in
SK-StGB § 52 Rdn. 25 ff.).
Hier war es so, daß der Angeklagte im ersten Falle in der
Tiefgarage der Wohnanlage, in der sich die Wohnung der Familie D.
befand, ein abgestelltes Fahrzeug anzünden wollte, um sich an
M. D. und deren Eltern zu "rächen". Bei der zweiten
Brandlegung am selben Ort verhielt es sich ähnlich: Er wollte
sich durch eine "zweite, größere Brandlegung" an M.
D. rächen und "seiner Wut entäußern". Im
ersten Falle steckte er ein abgestelltes Fahrzeug in Brand, das
völlig ausbrannte. An drei weiteren Fahrzeugen entstanden
hitzebedingte Schäden. Solche wurden darüber hinaus
auch an der Gebäudesubstanz der Tiefgarage hervorgerufen, in
deren Folge eine Betonsanierung mit Kosten in Höhe von ca.
380.000 DM erforderlich wurde. Im zweiten Brandstiftungsfall
entzündete er einen Pkw und an zwei weiteren Stellen in der
Tiefgarage entweder Reifenstapel oder die Reifen eines Autos. Sieben
Fahrzeuge brannten aus; zwei Fahrzeuge wiesen Brandschäden
auf. An der Tiefgarage selbst entstand ein Gebäudeschaden in
Höhe von ca. 519.000 DM.
Damit liegt der Fall hier anders als etwa beim Inbrandsetzen mehrerer
auf offener Straße abgestellter Fahrzeuge. Dem Angeklagten
ging es ersichtlich darum, in der Tiefgarage einen Brand zu legen, um
der Familie D. dadurch Ungemach zu bereiten. Dies geschah im ersten
Fall durch eine Ausführungshandlung; im zweiten Falle legte
der Angeklagte den Brand im unmittelbaren zeitlichen und
räumlichen Zusammenhang an mehreren Stellen, jedoch
ersichtlich in der Absicht, durch ein Feuer in der Tiefgarage sein
Racheziel zu erreichen. Dabei handelt es sich angesichts des Tatbildes
und des Tatablaufes jeweils um eine Brandlegung, verwirklicht in den
Begehungsformen des Inbrandsetzens und der teilweisen
Zerstörung von Tatobjekten.
Daß hier Tatobjekte betroffen waren, die zum Teil in der Nr.
1 (Gebäude), zum Teil in Nr. 4 (Kraftfahrzeuge) des §
306 Abs. 1 StGB aufgeführt sind, ändert daran nichts.
Maßgeblich ist, daß der Angeklagte hier in der
Tiefgarage als einer "Gesamtheit" einschließlich der dort
abgestellten Fahrzeuge je eine Brandlegung wollte und auch so vorging.
Es liegt auch kein Fall vor, in dem das Unrecht der Tat nur als
mehrfache Gesetzesverletzung erschöpfend gekennzeichnet werden
kann. Insofern verhält es sich ähnlich, wie wenn ein
Gebäude angezündet wird, in dem auch noch mehrere
Gegenstände zerstört werden, welche anderen
Rechtsgutsträgern zuzuordnen sind.
Danach kommt es nicht mehr darauf an, daß in den
Urteilsgründen hinsichtlich einiger Tatobjekte die Vollendung
des Tatbestandes für sich gesehen nicht dargetan ist. Das sind
diejenigen Fahrzeuge, zu denen das Landgericht lediglich hitzebedingte
Schäden etwa an Gummileisten und
Plastikstoßfängern oder einen nicht näher
gekennzeichneten Brandschaden in Höhe von ca. 500 DM
festgestellt hat. Ein selbständiges Weiterbrennen dieser
Tatobjekte ist hier ebensowenig belegt wie eine teilweise
Zerstörung der Fahrzeuge. Letzteres hätte
vorausgesetzt, daß ein für die ganze Sache
zwecknötiger Teil unbrauchbar geworden wäre und das
Fahrzeug selbst damit jedenfalls für eine nicht
unbeträchtliche Zeit wegen der tatbedingt erforderlichen
Reparaturarbeiten nicht benutzbar gewesen wäre (vgl. BGH NStZ
2001, 252; siehe weiter BGH StV 2003, 27, 29).
Die Änderung des Schuldspruchs dahin, daß der
Angeklagte jeweils nur einer Brandstiftung schuldig ist,
gefährdet nicht den Bestand der jeweiligen Einzelstrafen. Denn
durch die abweichende Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses
wird der Unrechtsgehalt der Taten hier ersichtlich nicht
berührt.
2. Soweit das Landgericht in den Feststellungen zum Mord an L.
alternative Tatabläufe für möglich
hält und diese feststellt, begegnet das keinen durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die Urteilsgründe sind insoweit nicht
unklar oder lückenhaft. Ihr Gesamtzusammenhang, namentlich
auch die Beweiswürdigung (UA S. 122), ergibt, daß
die Sachverhaltsalternativität sich im wesentlichen auf den
Zeitpunkt des Erstickens des Opfers durch den Angeklagten
beschränkt (gegen 1.30 Uhr oder gegen 5.00 Uhr). Auch
für die erste Alternative (Ersticken L. s gegen 1.30 Uhr) geht
die Strafkammer ersichtlich davon aus, daß der Angeklagte
gegen Morgen (ca. 5.00 Uhr) an den Tatort zurückkehrte, sich
vergewisserte und die Toilettentür von außen wieder
verschloß (UA S. 54, 122). Diese Würdigung ist
möglich; sie beruht angesichts der Beweisumstände im
übrigen auch auf einer hinreichend tragfähigen
Tatsachengrundlage.
3. Bei der Beweiswürdigung zu den Brandstiftungstaten
führt die Strafkammer u.a. aus, der Angeklagte habe kein Alibi
für die Tatzeiten (UA S. 124, 128). Das wäre
rechtsfehlerhaft, wenn die Kammer damit hätte zum Ausdruck
bringen wollen, daß sie das fehlende Alibi als Indiz
für die Täterschaft des Angeklagten gewertet
hätte (vgl. BGHSt 41, 153; BGHR StPO § 261
Aussageverhalten 13). Sogar eine widerlegte Alibibehauptung oder ein
unterbliebener Alibibeweisantritt trotz sich aufdrängender
Möglichkeit dazu dürfte nicht ohne weiteres zu Lasten
des Angeklagten gewertet werden (vgl. dazu weiter BGHR StPO §
261 Überzeugungsbildung 11, 30). Der Senat entnimmt den
Urteilsgründen in ihrem Zusammenhang jedoch, daß die
Strafkammer bei sinngerechtem Verständnis der bezeichneten
Wendungen lediglich hervorheben wollte, daß gegen die
Täterschaft sprechende Beweisumstände insoweit nicht
feststellbar waren. So gesehen liegt ein durchgreifender Rechtsmangel
nicht vor.
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