BGH,
Beschl. v. 25.2.2010 - 5 StR 542/09
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1
Setzt der Täter, vom Opfer wahrgenommen, nach Vollendung, aber
noch vor Beendigung der Raubtat eine Waffe oder ein anderes
gefährliches Werkzeug mit dem Ziel weiterer Wegnahme ein, so
genügt dies für ein Verwenden „bei der
Tat“ im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch dann,
wenn die angestrebte weitere Wegnahme nicht vollendet wird.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - 5 StR 542/09
LG Berlin -
5 StR 542/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 25. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonder schweren Raubes u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 14. Juli 2009 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im
Übrigen wegen besonders schweren Raubes und schweren Raubes zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und fünf Monaten
verurteilt. Der hiergegen mit Verfahrensrügen und der
Sachrüge gerichteten Revision des Angeklagten bleibt aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg
versagt. Der ergänzenden Erörterung bedarf nur der
Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes im Fall 1 der
Urteilsgründe.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts überfielen der
Angeklagte und sein Mittäter am 15. Oktober 2007 einen
Supermarkt. Unter Vorhalt einer wie eine „echte“
Schusswaffe aussehenden Spielzeugpistole zwangen sie eine der beiden
anwesenden Angestellten, den Tresor aufzuschließen. Der
Mittäter des Angeklagten nahm Geldscheine sowie
Münzgeld heraus und verstaute das Geld in einer mitgebrachten
Plastiktasche. Unzufrieden mit der bisherigen Ausbeute durchsuchte er
den Tresor und entwendete Telefonkarten sowie für
Mobiltelefone bestimmte „Startersets“, die er
ebenfalls in die Plastiktasche steckte.
2
- 3 -
Sodann wies er die Angestellte an, auch die untere der beiden
Tresortüren zu öffnen, hinter der er Scheine mit
größerer Stückelung vermutete. Die Aussage
der Angestellten, dass der Zugriff auf diesen Teil des Tresors nur
gemeinsam mit dem Geldtransportunternehmen möglich sei, hielt
er für eine Lüge. Mit den Worten, sie
müssten „dann wohl etwas grob werden“, zog
er ein Schinkenmesser mit einer Klingenlänge von mindestens 15
cm und bedrohte damit die Angestellte. Die Pistole übergab er
dem Angeklagten. Diese haltend sagte der Angeklagte, es müsse
noch weiteres Geld vorhanden sein. Den Einsatz des Messers durch seinen
Mittäter billigte er. Letztlich ließen sich die
Täter durch einen am Tresor angebrachten, das Schloss
für die Geldtransporteure bezeichnenden Aufkleber davon
überzeugen, dass die Tresortür durch die Angestellte
alleine nicht geöffnet werden könne.
3
4
Der Angeklagte durchstöberte danach vergeblich auf einem
Schrank abgestellte Kasseneinsätze nach weiterem Geld.
Anschließend riss er das Kabel des Bürotelefons
heraus und zertrat das Telefon. Die nunmehr beide mit Kabelbindern
gefesselten Angestellten fragte er, ob sie Mobiltelefone
besäßen, was jene verneinten. Ferner erkundigte er
sich danach, wem das noch auf dem Parkplatz befindliche Auto
gehöre, wozu sich eine der Angestellten bekannte. Er
durchsuchte deren Tasche nach den Autoschlüsseln, fand diese
aber nicht.
Die Täter flüchteten mit einer Beute von etwa 5.500
€ in bar sowie Telefonkarten mit einem
Gebührenguthaben von etwa 3.500 €.
5
2. Obgleich der Angeklagte und sein Mittäter nach dem Einsatz
des Messers keine Wegnahmehandlung mehr vollführt haben,
hält die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe im
Hinblick auf den von ihm gebilligten Messereinsatz seines
Mittäters einen besonders schweren Raub nach § 250
Abs. 2 Nr. 1 StGB begangen, rechtlicher Nachprüfung stand.
6
- 4 -
Die Vorschrift verlangt eine Verwendung des gefährlichen
Werkzeugs „bei der Tat“. Es entspricht dabei
ständiger Rechtsprechung, dass eine Verwirklichung der
Qualifikationstatbestände des § 250 Abs. 2 Nr. 1 und
3a StGB auch noch in der Phase zwischen der - hier gegebenen (vgl.
BGHSt 26, 24, 25 f.) - Vollendung und der Beendigung der Raubtat
möglich ist (BGHSt 52, 376, 377; 53, 234, 236; BGH NStZ-RR
2008, 342, 343; jeweils m.w.N.). Allerdings muss das den
Qualifikationstatbestand erfüllende Handeln noch von
Zueignungsabsicht (in Fällen der räuberischen
Erpressung von Bereicherungsabsicht) getragen sein, was auch dann
anzunehmen ist, wenn es auf Beutesicherung abzielt (vgl. BGHSt 53, 234,
237 m.w.N.; BGH NStZ-RR 2008, 342, 343; vgl. zu § 250 Abs. 1
Nr. 1a StGB auch Eser in Schönke/Schröder, 27. Aufl.
§ 250 Rdn. 10 f.).
7
8
Gleiches gilt, wenn der Täter - wie hier - im Rahmen eines
noch nicht abgeschlossenen einheitlichen Tatgeschehens zur
Intensivierung seiner Drohung und zugleich seines Angriffs auf die von
§§ 249 ff. StGB mitgeschützten
Vermögensrechte ein gegebenenfalls von ihm zuvor nur
mitgeführtes gefährliches Werkzeug
tatsächlich einsetzt und damit den Qualifikationstatbestand
vollständig erfüllt (zur ähnlichen
Problematik bei § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB im Ergebnis ebenso
BGHSt 51, 276, 278 f., zu weitgehende Folgerungen bei Fischer, StGB 57.
Aufl. § 177 Rdn. 84a). Dann sind - ungeachtet einer weiteren
vollendeten Wegnahmehandlung - „bei der Tat“ die
spezifischen Gefahren der Werkzeugverwendung eingetreten, vor denen der
Gesetzgeber mit der höheren Strafdrohung des § 250
Abs. 2 Nr. 1 StGB schützen will. Die Aufspaltung der Tat in
einen vollendeten schweren Raub und einen damit ideal konkurrierenden
Versuch eines besonders schweren
- 5 -
Raubes erschiene vor diesem Hintergrund gekünstelt. Eine
solche Betrachtungsweise wäre überdies geeignet,
sachlich nicht gerechtfertigte Zufallsergebnisse zu produzieren.
Basdorf Raum Schaal
König Bellay |