BGH,
Beschl. v. 25.7.2000 - 4 StR 229/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 229/00
vom
25. Juli 2000
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum versuchten schweren Raub
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Juli
2000 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle
vom 3. Dezember 1999 wird als unbegründet verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und
Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird die
Kostenentscheidung des vorbezeichneten Urteils, soweit sie den
Beschwerdeführer betrifft, dahingehend geändert,
daß von der Auferlegung der Kosten und gerichtlichen Auslagen
abgesehen wird.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten im
Beschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die
Staatkasse.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten der Beihilfe zum versuchten
schweren Raub für schuldig befunden. Es hat ihm
gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4, § 105
Abs. 1 JGG aufgegeben, einen Geldbetrag in Höhe von 1.000 DM
in monatlichen Raten zu je 100 DM, beginnend im Monat nach Rechtskraft
des Urteils, an eine soziale Einrichtung zu zahlen, ersatzweise 100
Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten; außerdem
hat es ausgesprochen, daß er die Kosten des Verfahrens zu
tragen hat.
1. Die gegen dieses Urteil eingelegte, auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist
unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund
der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die gegen die Kostenentscheidung des Urteils gerichtete sofortige
Beschwerde des Angeklagten hat dagegen Erfolg.
Die Jugendkammer hat von der Möglichkeit des § 74 JGG
weder bei dem Beschwerdeführer noch bei den weiteren
Angeklagten Gebrauch gemacht, da ihr das "angesichts der festgestellten
Lebensumstände und Einkommensverhältnisse nicht
vertretbar" erschien. Sie "sah auch keine Veranlassung, evtl. aus
erzieherischen Gründen eine Entlastung von den Kosten und
Auslagen auszusprechen. Die Angeklagten waren Heranwachsende, sind
inzwischen erwachsen und müssen begreifen, daß
Straftaten auch Kostenfolgen haben" (UA 37).
Diese Entscheidung wird der besonderen Situation des
Beschwerdeführers nicht gerecht. Die Jugendkammer hat nicht
bedacht, daß die Kostenbelastung einer dauerhaften
Eingliederung des Angeklagten in die Gesellschaft entgegenstehen kann.
Der Angeklagte kam erst im September 1995 mit seiner Familie aus
Kasachstan nach Deutschland. Sein Einleben war erschwert durch
mehrfachen Wohnortwechsel und die Ende 1997 erfolgte Trennung seiner
Eltern, bei denen er gelebt hatte. Anfang 1998 verzog er nach
Oldenburg, wo er seither einer geregelten Arbeit nachgeht. Dadurch
erzielt er zwar ein monatliches Nettoeinkommen von 1.750 DM; er lebt
aber seit mehr als einem Jahr mit seiner Freundin, die kein eigenes
Einkommen hat, und deren Kind zusammen. Auch das Landgericht sah die
wirtschaftliche Lage des Angeklagten offenbar als angespannt an, da es
ersatzweise eine Arbeitsauflage verhängt hat.
Die zusätzliche Kostenbelastung könnte die
bescheidene wirtschaftliche Existenz des bisher nicht bestraften
Beschwerdeführers, den die Jugendkammer hinsichtlich der Tat
vom 7. Dezember 1997 lediglich als "Mitläufer" ohne eigene
Bereicherungsabsicht eingestuft hat, beeinträchtigen. Zur
Unterstützung von Strafzwecken dient die Kostenentscheidung
nicht. Daß Straftaten auch Kostenfolgen haben, wird dem
Beschwerdeführer im übigen bereits dadurch
klargemacht, daß er seine eigenen notwendigen Auslagen tragen
muß, da diese mangels entsprechender Rechtsgrundlage der
Staatskasse nicht auferlegt werden können (vgl. BGHSt 36, 27
f.; BGHR JGG § 74 Kosten 2).
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |