BGH,
Beschl. v. 25.6.2008 - 2 StR 176/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 176/08
vom
25. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Menschenhandels u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Juni
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kassel vom 28. November 2007 aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels und
wegen versuchten schweren Menschenhandels, jeweils in Tateinheit mit
Menschenhandel, unter Auflösung der durch Beschluss des
Amtsgerichts Kassel vom 6. Dezember 2005 gebildeten Gesamtstrafe und
unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 9. Juni
2005 verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die im Urteil vom 9.
Juni 2005 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis und die dort
festgesetzte Sperrfrist aufrechterhalten. Gegen dieses Urteil wendet
sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und auf die
Sachrüge gestützten Revision. Während die
Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts vom 10. April 2008 unbegründet sind,
hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
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I.
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils veranlasste der
Angeklagte Anfang Februar 2004 die 19jährige
Geschädigte Marina T., die Ende 2003 die
Prostitutionsausübung aufgegeben hatte und nicht mehr als
Prostituierte arbeiten wollte, mit ihm nach Amsterdam zu fahren und
dort für etwa eine Woche der Prostitution nachzugehen, indem
er ihr vorspiegelte, er habe für sie Schulden in Höhe
von 3.000 € beglichen und drohte, falls sie nicht
mitkäme und den Betrag abarbeite, werde er das Geld von ihrer
Familie fordern, die dadurch von ihrer früheren
Prostitutionsausübung erführe, oder ihrer Familie
etwas antun. Mit denselben Drohungen brachte er die
Geschädigte dazu, am 2. April 2004 mit ihm nach Hamburg zu
fahren. Hier wandte sich die Geschädigte an die Polizei, bevor
es zur Aufnahme der Prostitution kam.
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Das Landgericht hat die erste Tat als schweren Menschenhandel nach
§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F., die zweite Tat als versuchten
schweren Menschenhandel nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F.,
jeweils in Tateinheit mit Menschenhandel nach § 180 b Abs. 2
Nr. 2 StGB a. F., gewürdigt. Es hat minder schwere
Fälle des schweren Menschenhandels nach § 181 Abs. 2
StGB a. F. bejaht und der Strafzumessung jeweils den höheren
Strafrahmen des § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB a. F. zugrunde
gelegt.
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2. Dies hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung
nicht stand. § 180 b und § 181 StGB sind durch das am
19. Februar 2005 in Kraft getretene 37.
Strafrechtsänderungsgesetz vom 11. Februar 2005 (BGBl. I 2005
S. 239) aufgehoben und durch § 232 StGB ersetzt worden. Das
Landgericht hat nicht erwogen, ob hier das neue Recht milder und
deshalb gemäß § 2 Abs. 3 StGB anwendbar
ist. Zwar sind die Strafrahmen für Menschenhandel nach
§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB a. F. und § 232 Abs. 1 Satz
2 StGB gleich. Dies gilt auch für
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den schweren Menschenhandel nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F.
und § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB; für minder schwere
Fälle des schweren Menschenhandels enthalten § 181
Abs. 2 StGB a. F. und § 232 Abs. 5 StGB dieselben Strafrahmen.
§ 232 Abs. 5 StGB sieht jedoch für minder schwere
Fälle des Menschenhandels nach Absatz 1 dieser Vorschrift
einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren
Freiheitsstrafe vor, während das alte Recht keinen Strafrahmen
für minder schwere Fälle des Menschenhandels nach
§ 180 b Abs. 2 StGB a. F. enthielt. Die Annahme minder
schwerer Fälle des Menschenhandels lag hier nahe, weil das
Landgericht solche bezüglich des tateinheitlich begangenen
schweren Menschenhandels bejaht hat. Im Fall 2 der
Urteilsgründe dürfte zudem nach neuem Recht nur ein
versuchter Menschenhandel vorliegen, weil die Tatbestandsvariante des
Einwirkens auf eine Person unter einundzwanzig Jahren, um sie zur
Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen, entfallen ist,
und es nicht zur Prostitutionsausübung gekommen ist.
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs auch im
Fall 1 der Urteilsgründe, weil nach ständiger
Rechtsprechung das mildeste Gesetz als Ganzes, also nicht nur der
mildere Strafrahmen anzuwenden ist (BGHSt 20, 22, 29 f.; 24, 94, 97;
37, 320, 322). Der Senat hat die rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen aufrechterhalten (vgl. Senat, NJW 2007, 1540).
Ergänzende Feststellungen, die dazu nicht in Widerspruch
stehen, sind möglich.
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II.
Auch die Gesamtstrafenbildung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
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1. Der Angeklagte ist nach den hier verfahrensgegenständlichen
Taten am 14. Oktober 2004 vom Amtsgericht Hamburg-St. Georg wegen
Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 80
Tagessätzen zu je 5 € und am 9. Juni 2005 vom
Amtsgericht Kassel wegen vorsätzlichen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis
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in zwei Fällen - Tatzeiten 1. Juli 2003 und 30. Juli 2004 - zu
einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 5 € und
einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Ferner wurde
eine Sperre für die Fahrerlaubnis bis zum 8. Juni 2006
ausgesprochen. Durch Beschluss vom 6. Dezember 2005 bildete das
Amtsgericht Kassel aus diesen Strafen eine neue Gesamtstrafe, die sich
zusammensetzte aus vier Monaten Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt wurde, und einer Gesamtgeldstrafe von
120 Tagessätzen zu je 5 €. Die Sperrfrist
für die Fahrerlaubnis wurde aufrechterhalten. Die
Gesamtgeldstrafe ist durch Bezahlung und Verbüßung
von Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt. Die Freiheitsstrafe von vier
Monaten hat das Landgericht im angefochtenen Urteil in die Gesamtstrafe
einbezogen.
2. Das Landgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Geldstrafen
aus den Urteilen vom 14. Oktober 2004 und vom 9. Juni 2005 in die
Gesamtstrafe einzubeziehen. Nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB
verhängte Geldstrafen aus einer früheren Verurteilung
sind solange einbeziehungsfähig, wie diese Verurteilung noch
nicht insgesamt im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB erledigt
ist (BGH NStZ-RR 2007, 232; Fischer StGB 55. Aufl. § 55 Rdn.
6). Bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe tritt eine
Erledigung der einbezogenen Strafen nur ein, wenn die in der
Gesamtstrafenentscheidung verhängten Strafen
vollständig vollstreckt, verjährt oder erlassen sind.
Mit der Rechtskraft der nachträglichen Gesamtstrafenbildung
scheidet eine gesonderte Vollstreckung der einbezogenen Strafen aus
(vgl. BGH NStZ-RR 2006, 337; BayObLG NJW 1957, 1810; v.
Heintschel-Heinegg in MüKo StGB § 55 Rdn. 23). Im
vorliegenden Fall war lediglich die im Gesamtstrafenbeschluss vom 6.
Dezember 2005 gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB
gesondert verhängte Gesamtgeldstrafe vollstreckt; die daneben
verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten (unter
Strafaussetzung zur Bewährung) war hingegen weder vollstreckt
noch erlassen. Somit ist hinsichtlich der Strafen aus beiden
einbezogenen Entscheidungen
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keine vollständige Erledigung eingetreten. Dies gilt
insbesondere auch hinsichtlich der Geldstrafe aus dem Urteil vom 14.
Oktober 2004. Die Vollstreckung der Gesamtgeldstrafe aus dem
Gesamtstrafenbeschluss vom 6. Dezember 2005 lässt sich nicht
in eine vollständige Vollstreckung der Geldstrafe aus dem
Urteil vom 14. Oktober 2004 und eine teilweise Vollstreckung der
Geldstrafe aus dem Urteil vom 9. Juni 2005 aufteilen.
3. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob es der
Aufrechterhaltung von Maßregeln aus dem Urteil vom 9. Juni
2005 bedarf. Den Urteilsgründen ist schon nicht sicher zu
entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt eine Fahrerlaubnis
besessen hat oder ob gegebenenfalls nur eine isolierte Sperrfrist
verhängt wurde. Die Sperrfrist war nach den
Urteilsgründen zum Zeit-
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punkt der Hauptverhandlung jedenfalls verstrichen. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. u. a.
BGH NJW 2002, 1813 f.; NStZ 1996, 433) ist, wenn sich die Sperrfrist
infolge des Zeitablaufs erledigt hat, diese nicht aufrechtzuerhalten.
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