BGH,
Beschl. v. 25.6.2009 - 5 StR 141/09
5 StR 141/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 25. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 16. Dezember 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher
Körperverletzung verurteilt worden ist; insoweit wird der
Angeklagte auf Kosten der Staatskasse freigesprochen, die auch die
insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß §
349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bildung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe und zur
Entscheidung über die verbliebenen Kosten des Rechtsmittels an
eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat den Angeklagten wegen
gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit
unerlaubtem Besitz von Kriegswaffen in Tateinheit mit
vorsätzlichem unerlaubtem Besitz zweier verbotener
Gegenstände und mit unerlaubtem Besitz von Munition in
Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in
nicht geringer
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Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Die mit der Sachrüge geführte Revision des
Angeklagten hat in Übereinstimmung mit dem Antrag des
Generalbundesanwalts den aus der Beschlussformel ersichtlichen
Teilerfolg. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Damit sind die
Schuldsprüche wegen des Betäubungsmittel- und des
Waffendelikts rechtskräftig einschließlich der
dafür verhängten Strafen (sechs Monate
Freiheitsstrafe und 150 Tagessätze zu je 15 €
Geldstrafe).
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1. Das Landgericht hat die Verurteilung wegen gefährlicher
Körperverletzung im Wesentlichen auf folgende Feststellungen
und Wertungen gestützt:
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a) Der 31 Jahre alte, nicht vorbestrafte Angeklagte betreibt auf einem
größeren Gartengrundstück
ökologischen Nutzpflanzenanbau, Kleintierzucht und eine
Imkerei. Er baute in einem Gewächshaus unter anderem auch
Cannabis an und setzte das gewonnene Haschisch - wie das Landgericht
festgestellt hat - zur Förderung der eigenen Gesundheit und
bei der Imkerei - zur Beruhigung der Bienen durch Raucherzeugung - ein.
Bereits im Herbst 2007 war das Anwesen des Angeklagten mehrfach von
Dieben aufgesucht worden. Unter anderem hatten drei junge
Männer, E. , M. und der Nebenkläger Me. den Zaun des
Grundstücks des Angeklagten überstiegen, die Folie
des Gewächshauses durchschnitten und Hanfpflanzen gestohlen.
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Am frühen Nachmittag des 16. Oktober 2007 überstieg
E. erneut den Zaun, schnitt das Gewächshaus auf und wollte
wiederum Cannabispflanzen stehlen. Der Angeklagte stellte ihn und
setzte Pfefferspray ein. E. flüchtete über das Feld
und ließ sein am Rande des Nachbargrundstü-
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ckes abgestelltes Fahrrad zurück. Der Angeklagte versteckte
dieses später in einem angrenzenden Gebüsch.
E. informierte seine Freunde M. und den Nebenkläger. Alle drei
beschlossen, das Fahrrad zurückzuholen, dem Angeklagten eine
Abreibung zu verpassen und weitere Hanfpflanzen zu stehlen. M. parkte
den Pkw abrufbereit; der zierliche E. wartete zunächst
außerhalb des Grundstücks. Der 90 kg schwere und
durchtrainierte Nebenkläger drang auf das Grundstück
des Angeklagten ein, um nach dem Fahrrad sowie dem dort vermuteten
Angeklagten zu suchen. Vor dem Eingang des Gewächshauses traf
der sich anschleichende Nebenkläger auf den mittlerweile
aufmerksam gewordenen Angeklagten, der sein bei der Arbeit verwendetes
Messer (15 cm Länge; Klingenlänge 5,5 cm) in der
rechten Hand hielt. Es entstand sogleich ein Gerangel. Dabei fasste der
Nebenkläger dem Angeklagten an den Kragen und ging zum
direkten Angriff über. Er umklammerte den Angeklagten von vorn
und drückte ihm die Luft ab. Der Angeklagte geriet in
Todesangst und setzte das Messer ein. „Er stieß das
Messer wuchtig zunächst in den Bereich der linken Flanke
oberhalb des Beckenkammes, sodann fügte er ihm durch einen
weiteren Stich eine Verletzung der Zwischenrippenmuskulatur und des
Rippenfelles sowie durch einen dritten Stich eine Verletzung am Kinn
sowie durch eine Kopfbewegung des Nebenklägers nach links
hinten zugleich an der linken Halsseite hinter dem Kopfwendermuskel
zu“ (UA S. 16).
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b) Das Landgericht hat dem Angeklagten zugebilligt, dass er sich gegen
die Umklammerung zur Wehr gesetzt und sein Eigentum und sein Hausrecht
verteidigt habe (UA S. 39). Indes habe er an dem Zustandekommen der
Notwehrlage durch die im Verstecken des Fahrrades des E. enthaltene
Provokation mitgewirkt. Der massive Einsatz des Messers habe dem
Angeklagten im Rahmen seines eingeschränkten Notwehrrechts
nicht zugestanden.
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2. Diese Wertung hält der sachlich-rechtlichen
Prüfung nicht stand. Zwar ist anerkannt, dass eine schuldhafte
Provokation zur Einschränkung des Notwehrrechts
führen kann, wenn bei vernünftiger Würdigung
der gesamten Umstände des Einzelfalls der Angriff als
adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des
Angegriffenen erscheint (vgl. BGHR StGB § 32 Abs. 2
Verteidigung 11 und 18 jeweils m.w.N.). Solches ist hier jedoch nicht
der Fall.
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Es ist schon zweifelhaft, ob das Verstecken des Fahrrades
überhaupt zu einer Einschränkung des Notwehrrechts
des Angeklagten hinsichtlich eines Angriffs auf die
körperliche Integrität führen kann.
Jedenfalls stand der Angriff des Nebenklägers damit in keinem
Zusammenhang. Er beruhte auf dessen Entscheidung und der seiner
Freunde, dem Angeklagten wegen der Vertreibung des E. eine Abreibung zu
erteilen. Hierdurch war das Notwehrrecht des Angeklagten nicht
eingeschränkt.
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3. Die drei Messerstiche des Angeklagten stellten noch eine
erforderliche Verteidigung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB dar.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift
ausgeführt:
„Sie waren geeignet, den Angriff zu beenden. Zwar muss der
Angegriffene das mildeste Mittel gegen einen Angriff wählen.
Zur Beurteilung der Frage, welches Mittel wie wirksam ist, um die
endgültige Beseitigung der Gefahr zu gewährleisten,
kommt es auf die Stärke des Angriffs, die
Gefährlichkeit des Angreifers und die zur Verfügung
stehenden Abwehrmittel an. Hierbei muss sich der Angegriffene nicht auf
das Risiko einer nur unzureichenden Abwehrhandlung und des Eintritts
eines mehr als belanglosen Schadens an seiner körperlichen
Unversehrtheit einlassen. Die Erforderlichkeit der Verteidigung ist im
Wege einer ex-ante Betrachtung objektiv zu bestimmen.
Maßgebend ist, wie ein besonnener Dritter in der Lage des
Angegriffenen die im Zeitpunkt des Angriffs gegebenen und objektiv
erkennbaren Umstände beurteilt hätte, wobei
§ 32 StGB (im Prinzip) keine Güterabwägung
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setzt. Nach diesen Grundsätzen war der Einsatz des Messers,
selbst wenn man wie das Landgericht einen bedingten
Tötungsvorsatz annehmen wollte, gerechtfertigt: Der Angeklagte
befand sich durch die Umklammerung des Me. nicht mehr in einer Lage, in
der es ihm zumutbar gewesen wäre, den Einsatz des Messers
anzukündigen (UA S. 41) oder in eine ‚weniger
gefährdete’ Körperregion zu stechen. Die
Umklammerung verringerte nach der unwiderlegten Einlassung (UA S. 26)
des Angeklagten dessen Luftzufuhr, so dass er in Todesangst
geriet.“
Dem stimmt der Senat zu, zumal es dem Angeklagten angesichts der
eindeutigen Feststellungen zur fortdauernden Umklammerung des
körperlich überlegenen Nebenklägers nicht
zumutbar war, die Wirkung des ersten oder zweiten Stiches abzuwarten.
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4. Der Senat schließt aus, dass eine neue Hauptverhandlung
Umstände ergeben kann, die eine Einschränkung des
Notwehrrechts gebieten könnten, und spricht den Angeklagten
insoweit auf Antrag des Generalbundesanwalts frei. Die Sache ist zur
Bestimmung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe an eine allgemeine
Strafkammer zurückzuverweisen (BGH NJW 1994, 3304, 3305).
Basdorf Raum Brause
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