BGH,
Beschl. v. 25.11.2003 - 3 StR 405/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 405/03
vom
25.11.2003
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25.11.2003
gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts
Kleve vom 18.08.2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie die
Einziehung
verschiedener Gegenstände angeordnet. Die Revision des
Beschuldigten, die
in allgemeiner Form die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat
Erfolg.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§
63 StGB)
stellt eine Maßnahme dar, die schwerwiegend und
gegebenenfalls langfristig in
das Leben des Beschuldigten eingreift. Sie bedarf daher
sorgfältiger Begründung,
nicht nur, um dem Revisionsgericht die Überprüfung
der Entscheidung
zu ermöglichen, sondern auch, weil die Unterbringungsanordnung
die Grundlage
für die später zu treffenden Entscheidungen
über den weiteren Vollzug der
Maßregel darstellt (vgl. § 67 e StGB). Das
angefochtene - auf dreieinhalb Seiten
begründete - Urteil genügt den danach zu stellenden
Anforderungen nicht.
Es enthält eine Vielzahl von Feststellungsmängeln,
Lücken und Widersprüchen
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und belegt daher nicht hinreichend, daß die Voraussetzungen
der Unterbringung
des Beschuldigten nach § 63 StGB vorliegen. Im einzelnen:
Das Landgericht stellt nicht fest, ob die Gaspistole, die der
Beschuldigte
bei der - vom Landgericht beiläufig (UA S. 4) als Bedrohung
gewerteten - Anlaßtat
zum Nachteil des Zeugen W. als Drohmittel einsetzte, geladen war.
Das Maß der objektiven Gefährlichkeit dieser Tat
bleibt daher offen. Dieses
kann aber sowohl für die Gefährlichkeitsprognose nach
§ 63 StGB als auch bei
der Verhältnismäßigkeitsprüfung
nach § 62 StGB Bedeutung erlangen.
Gleiches gilt für die fehlenden Feststellungen zum
natürlichen Vorsatz
des Beschuldigten bei dieser Tat. Sein mit dem Einsatz der Gaspistole
eigentlich
verfolgtes Ziel wird nicht erkennbar. Nach den Urteilsgründen
erscheint es
möglich, daß sich der Beschuldigte lediglich dem
Kontakt mit dem Zeugen W.
entziehen wollte. In diesem Falle käme dem Verhalten des
Beschuldigten
aber wesentlich geringeres Gewicht zu.
Für die "Sammlung und Lagerung der Munition und
Munitionsreste" fehlt
es an einer rechtlichen Zuordnung zu den Vorschriften des
Sprengstoffgesetzes.
Eine Beweiswürdigung zu den beiden Anlaßtaten
enthält das Urteil
nicht. Es begnügt sich insoweit mit dem pauschalen Hinweis,
die dazu getroffenen
Feststellungen beruhten auf der weitgehend geständigen
Einlassung des
Beschuldigten, soweit ihr die Strafkammer zu folgen vermochte, sowie den
Aussagen von Zeugen und dem Inhalt von Gutachten. Damit bleibt offen,
inwieweit
der Beschuldigte die Anlaßtaten - glaubhaft -
eingeräumt hat, und in
welchem Umfang und aufgrund welcher Überlegungen sich die
Strafkammer
aufgrund der erhobenen Beweise im übrigen von den
Anlaßtaten überzeugt
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hat. Der Senat ist daher nicht in der Lage zu prüfen, ob die
Beweiswürdigung
des Landgerichts frei von Rechtsfehlern ist.
Die Darlegungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des
Beschuldigten
sind widersprüchlich. Während es einerseits
ausführt, der Beschuldigte
habe sowohl bei der "Bedrohung des Zeugen W. " als auch bei der
"Sammlung
und Lagerung der Munition und Munitionsreste" im Zustand
krankheitsbedingter
Schuldunfähigkeit gehandelt (UA S. 4), legt es andererseits
dar, es sei
möglich, daß der Beschuldigte "noch teilweise" in
der Lage gewesen ist, das
Unrecht des Sammelns und Lagerns von Sprengstoff einzusehen, und -
eingeschränkt - nach dieser Einsicht zu handeln (UA S. 5). Die
Unterbringung
wird dann darauf gestützt, daß die Taten vom
Beschuldigten "im Zustand
krankheitsbedingter nicht ausschließbarer
Schuldunfähigkeit" begangen worden
seien (UA S. 5). Damit sind die Voraussetzungen des § 63 StGB
nicht belegt.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt nur in
Betracht, wenn positiv festgestellt ist, daß der Beschuldigte
bei der Anlaßtat
schuldunfähig (§ 20 StGB) oder seine
Schuldfähigkeit wenigstens erheblich
vermindert war (§ 21 StGB). Dies läßt sich
den Urteilsgründen nicht entnehmen,
die auch nach ihrem Gesamtzusammenhang nicht mit der gebotenen
Sicherheit
den Schluß zulassen, daß beim Beschuldigten
zumindest die Voraussetzungen
des § 21 StGB vorlagen.
Im übrigen ist nach den Darlegungen des Landgerichts lediglich
nicht
ausgeschlossen, daß abstruse Bedrohungsszenarios des
Beschuldigten für
das Abfüllen des TNT in den Gewürzdosen
verantwortlich gewesen sind.
Kommen danach aber auch andere Ursachen für dieses Verhalten
in Betracht,
ist der erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen dem Zustand
des Beschuldigten im Sinne des § 63 StGB und dieser
Anlaßtat nicht belegt.
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Die Gefährlichkeitsprognose hätte eingehenderer
Begründung bedurft.
Seit seinem Aufenthalt im Dezember 1982 in den Rheinischen Kliniken
Bedburg-
Hau, wo die Verdachtsdiagnose "Hebephrenie" nicht bestätigt
worden
war, ist der Beschuldigte bis zu der Tat vom 27. Januar 2002 weder
durch Aggressivitäten
aufgefallen noch strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch
wenn er sich aufgrund der nunmehr vom Sachverständigen Dr. P.
diagnostizierten
hebephrenen Schizophrenie ständig bedroht fühlt und
stets Gas- bzw.
Schreckschußpistolen oder Stechwerkzeuge zur Verteidigung mit
sich führt,
hätte es - insbesondere auch im Hinblick auf die "blande
Verlaufsform" der
Krankheit - näherer Darlegungen bedurft, warum nach dem
Krankheitsbild
nunmehr mit weiteren Aggressionstaten des Beschuldigten zu rechnen ist.
Dazu
hätte insbesondere auch deswegen Anlaß bestanden,
weil der Beschuldigte
laut Urteilsrubrum erst am 6. Januar 2003 festgenommen worden war und
sich
den Feststellungen nicht entnehmen läßt,
daß es bis zu diesem Zeitpunkt zu
weiteren einschlägigen Auffälligkeiten des
Beschuldigten gekommen ist.
Vor diesem Hintergrund war es hier auch unerläßlich
zu erörtern, ob eine
Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung in Betracht kam
(§ 67 b
StGB). Insbesondere hätte es einer Auseinandersetzung mit der
Frage bedurft,
ob bei dem Beschuldigten Krankheitseinsicht besteht und - so dies der
Fall
sein sollte - durch Medikation eine Linderung der Krankheit und damit
eine
Minderung der Gefährlichkeit des Beschuldigten so weit
möglich ist, daß durch
entsprechende, vom Beschuldigten akzeptierte Weisungen der Heilungs- und
Sicherungszweck der Maßregel auch ohne deren Vollzug
erreichbar erscheint
(§ 67 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
2. Mit der Aufhebung des Maßregelausspruchs entfällt
auch die - mit
keinem Wort begründete - Einziehungsanordnung. Diese
hätte ohnehin keinen
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Bestand haben können. Im Sicherungsverfahren nach §
413 StPO können allein
Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden.
Einziehungsentscheidungen
als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8
StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern dagegen allein
im selbständigen
Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO), wenn die
Voraussetzungen
des § 76 a Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 StGB vorliegen. Der
danach erforderliche
gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) ist hier nicht gestellt
worden, so
daß es für die Einziehung an einer
Verfahrensvoraussetzung fehlt.
Winkler Miebach von Lienen
Becker Hubert |