BGH,
Beschl. v. 25.10.2000 - 5 StR 399/00
5 StR 399/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 25. Oktober 2000
in der Strafsache gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2000
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 13. Juni 2000 wird nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 47
Fällen und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 21
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn
Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der
Angeklagte als Geschäftsführer zweier portugiesischer
Firmen, die - soweit dies hier von Belang ist - ihre
Geschäftstätigkeit ausschließlich von ihrer
deutschen Betriebsstätte aus auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland ausübten, weder Lohnsteueranmeldungen abgegeben
noch Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die
jeweiligen Einzugsstellen abgeführt. Wie der Angeklagte
erkannt hatte, mußte er nach dem Doppelbesteuerungsabkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der portugiesischen
Republik vom 15. Juli 1980 auch den lohnsteuerlichen Verpflichtungen
nicht in Portugal, sondern in Deutschland nachkommen. Die auf die
Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Ergänzend zum Antrag des Generalbundesanwalts weist der Senat
auf folgendes hin:
1. Für die Darstellung einer Steuerhinterziehung
gemäß § 370 AO ist es
grundsätzlich erforderlich, daß das Urteil erkennen
läßt, welches steuerlich erhebliche Verhalten des
Angeklagten im Rahmen welcher Abgabenart und (gegebenenfalls) in
welchem Besteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung
geführt hat und welche innere Einstellung der Angeklagte dazu
hatte (BGHR § 370 Abs. 1 - Berechnungsdarstellung 5).
Entsprechendes gilt für das Vorenthalten von
Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß
§ 266a
Abs. 1 StGB. Soweit das Landgericht hier lediglich die jeweils
verkürzten Lohnsteuern und die nicht abgeführten
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung pauschal
festgestellt hat und auf eine Darstellung der für die
Ermittlung des Schuldumfangs maßgeblichen
Berechnungsgrundlagen verzichtet hat, gefährdet dies
allerdings den Bestand des Urteils im konkreten Fall nicht.
Zwar ist es grundsätzlich rechtsfehlerhaft, wenn der
Tatrichter die Berechnungsgrundlagen selbst nicht darlegt und sich
stattdessen hinsichtlich der Richtigkeit der Berechnung auf die Angaben
von als Zeugen vernommenen Ermittlungspersonen wie z. B. von
Steuerfahndungsbeamten bezieht (vgl. Harms NStZ-RR 1998, 97, 100 f.).
Bei einem derartigen Vorgehen ist es nämlich für das
Revisionsgericht nicht überprüfbar, ob der Tatrichter
von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist und den
jeweiligen Schuldumfang aufgrund eigener Feststellungen zutreffend
ermittelt hat (BGHR aaO - Berechnungsdarstellung 2 - 7, 9). Die
Anwendung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften
auf den festgestellten Sachverhalt ist ebenso Rechtsanwendung wie die
daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern bzw. der
nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur
Sozialversicherung, durch die der jeweilige Schuldumfang der Straftat
bestimmt wird. Diese Rechtsanwendung obliegt dem Strafrichter, nicht
den als Zeugen gehörten Ermittlungsbeamten oder Beamten der
Finanzverwaltung (vgl. BGHR aaO - Berechnungsdarstellung 9; vgl. auch
Joecks, Festschrift 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der
Fachanwälte für Steuerrecht e. V., 1999, S. 661).
Eine Berechnungsdarstellung ist jedoch ausnahmsweise dann entbehrlich,
wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen
Steuern bzw. der nicht abgeführten Beiträge zur
Sozialversicherung in der Lage ist, ein Geständnis ablegt
(vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 - Berechnungsdarstellung 2, 4, 8).
So lag der Sachverhalt hier. Der Angeklagte hat ein Geständnis
abgelegt. Dieses erstreckte sich nicht nur darauf, daß die
von ihm geleiteten Firmen Betriebstätten im Inland
unterhielten, sondern auch auf die Höhe der
verkürzten Lohnsteuern und der nicht abgeführten
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Der Angeklagte,
der verantwortlich die Bücher führte und fachlich
auch in der Lage war, die zu entrichtenden Abgaben zu berechnen, war
hierfür ersichtlich auch sachkundig.
2. Das Landgericht hat auch für die Strafzumessung als
Hinterziehungssumme diejenigen Lohnsteuerbeträge zugrunde
gelegt, die aus den ausgezahlten Bruttoarbeitslöhnen errechnet
wurden und für den Schuldspruch maßgeblich sind.
Hierbei hat das Landgericht nicht berücksichtigt,
daß bei Lohnsteuerhinterziehung für die Bemessung
der Strafe auf den dem Staat dauerhaft entstandenen Schaden abzustellen
ist, der sich nach den tatsächlichen Verhältnissen
der Arbeitnehmer richtet (vgl. BGHSt 38, 285, 290). Diese waren hier
aber weder dem Tatrichter noch dem Angeklagten bei seinem
Geständnis bekannt. Ist aber die genaue Berechnung der
endgültig geschuldeten Lohnsteuern nicht ohne weiteres
möglich, kann der Tatrichter statt der Ermittlung der
tatsächlichen Verhältnisse von geschätzten,
gegebenenfalls niedrigeren Durchschnittssteuersätzen ausgehen
(vgl. BGH aaO). Dies hat das Landgericht nicht getan.
Der Senat schließt jedoch aus, daß bei Beachtung
der genannten Grundsätze geringere Strafen verhängt
worden wären. Das Landgericht hat eine Strafrahmenmilderung
nach § 46a, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, ohne
daß die Voraussetzungen dafür vorgelegen haben. Der
Angeklagte hatte aus seinem privaten Vermögen bereits 800.000
DM an Steuerschulden getilgt und weitere Zahlungen in Aussicht
gestellt. Darin hat der Tatrichter eine Schadenswiedergutmachung und
ein ernsthaftes Bemühen um einen
Täter-Opfer-Ausgleich gesehen.
Die Nachzahlung hinterzogener Steuern stellt indes keine
Wiedergutmachung im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB dar. Diese
Vorschrift bezieht sich vor allem auf die immateriellen Folgen einer
Straftat, die zwar auch bei Vermögensdelikten denkbar sind
(BGHR StGB § 46a Nr. 1 - Ausgleich 1; BGH NStZ 2000, 205);
erforderlich ist aber jedenfalls ein kommunikativer Prozeß
zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden Ausgleich
der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß
(BGH NStZ aaO). Bei Steuerdelikten, deren geschütztes
Rechtsgut allein die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs ist
(vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109; 41, 1, 5), kommt ein
Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB
nicht in Betracht (vgl. BayObLG NJW 1996, 2806 und wistra 1997, 313,
314).
Die getroffenen Feststellungen tragen auch nicht die Anwendung von
§ 46a Nr. 2 StGB. Die in § 46a Nr. 2 StGB normierte
Fallgruppe verlangt, daß der Täter das Opfer ganz
oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies
erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen
Verzicht erfordert. Die Bestrebungen müssen Ausdruck der
Übernahme von Verantwortung sein. Verlangt wird, damit die
Schadenswiedergutmachung ihre friedensstiftende Wirkung entfalten kann,
daß der Täter einen über die rein
rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt (BGH wistra
2000, 176, 177; NStZ 2000, 205, 206). Der Senat kann offen lassen, ob
die Nachzahlung von Steuern überhaupt ein Fall der
Schadenswiedergutmachung im Sinne von
§ 46a Nr. 2 StGB sein kann. Keinesfalls ausreichend ist
jedenfalls die hier allein vorliegende, mit der Inaussichtstellung
weiterer Zahlungen verbundene teilweise geleistete Steuernachzahlung.
Harms Basdorf Tepperwien
Gerhardt Raum |