BGH,
Beschl. v. 26.2.2003 - 1 StR 7/03
1 StR 7/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Februar 2003
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 16. Juli 2002 wird mit der Maßgabe
verworfen, daß die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte hatte mit seiner geschiedenen Frau noch sexuelle
Kontakte, für die er jeweils 200 DM bezahlte. Sie
"kündigte" diese Vereinbarung, war aber bereit, sich nackt bei
ihm dafür zu entschuldigen. Dabei zwang er sie mit
Schlägen und unter Vorhalt eines Messers zu Vaginal- und
Oralverkehr und weiteren sexualbezogenen Handlungen.
Deshalb wurde er wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit
Körperverletzung zu Freiheitsstrafe verurteilt. Einbezogen
wurde eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe aus einem
späteren Urteil. Wegen Konsums von Kokain wurde der Angeklagte
in einer Entziehungsanstalt untergebracht (§ 64 StGB).
Seine Revision führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung
(§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen erfolglos
(§ 349 Abs. 2 StPO).
II.
1. Zum Schuldspruch verweist der Senat auf die Ausführungen
des Generalbundesanwalts, die durch die Erwiderung der Revision
(§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden.
Der Senat weist jedoch darauf hin, daß die schriftlichen
Urteilsgründe nicht den Inhalt der in der Hauptverhandlung
erhobenen Beweise dokumentieren, sondern das Ergebnis der
Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung
der Entscheidung ermöglichen sollen. Die
Beweiswürdigung soll lediglich belegen, warum bestimmte
bedeutsame Umstände so festgestellt sind. Es ist aber
regelmäßig untunlich, nach den
tatsächlichen Feststellungen die Aussagen sämtlicher
Zeugen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen (vgl. nur
BGH NStZ 1998, 51 m.N.).
2. Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher
Überprüfung stand. Allerdings ist
strafschärfend berücksichtigt, daß der
Angeklagte bewährungsbrüchig sei; er habe die
Warnfunktion des späteren Urteils nicht beachtet. Das nach der
Tat ergangene Urteil konnte bei der Tat jedoch keine Warnfunktion
entfalten. Im Ergebnis ist dies aber unschädlich, weil der
Angeklagte zur Tatzeit hinsichtlich des Strafrestes aus einer
Verurteilung vom 26. April 1996 unter Bewährung stand.
3. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.
a) Der Angeklagte, der schon einmal untergebracht war, raucht in nicht
feststellbarem Umfang, jedoch "nur noch
unregelmäßig" Kokain. Gestützt auf Angaben
der Geschädigten dazu, wie der Angeklagte bei der Tat seinen
Unterkiefer bewegt hat, geht die Strafkammer davon aus, daß
der Angeklagte - wie die Urteilsgründe mehrfach hervorheben -
"nicht ausschließbar" einen Rückfall erlitten und
zur Tatzeit unter Kokaineinfluß gestanden habe, der sich auf
die Tat "konstellierend" ausgewirkt habe.
b) Ohne daß es insoweit auf weiteres ankäme, setzt
eine Unterbringung gemäß § 64 StGB (unter
anderem) voraus, daß ein Hang sicher ("positiv") festgestellt
ist. Ist er, wie hier, lediglich nicht auszuschließen, so ist
für eine Unterbringung kein Raum (BGH bei Detter NStZ 2003,
133, 138; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1 <zum
hangbedingten Rausch>; BGH, Beschluß vom 6. Juli 1983
- 2 StR 334/83; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297).
c) Unabhängig davon ist nicht erkennbar, daß die
abgeurteilte Tat Symptomwert für einen Hang des Angeklagten
zum Mißbrauch berauschender Mittel hat, sich also in ihr
seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert,
wie dies etwa bei Beschaffungskriminalität typisch ist. Eine
solche Annahme liegt eher fern, wenn der Täter gewaltsam
sexuelle Handlungen erzwingt, die ihm so oder ähnlich
über geraume Zeit vom Opfer gegen Bezahlung gestattet worden
waren (vgl. BGHR aaO m.w.N.). Hier hat die Strafkammer
ausdrücklich festgestellt, die Tat sei ein
"Beziehungskonflikt" und Ausdruck einer inzwischen weitgehend
überwundenen "Lebenskrise". Außerdem sei die
Geschädigte "mit der Kindererziehung deutlich
überfordert" gewesen. Der aufgestaute Zorn des Angeklagten
hierüber habe die Tat "mitgeprägt" und verdiene
"unter dem Aspekt pflichtbewußter Vaterschaft einiges
Verständnis".
d) Nach alledem kann der Senat ausschließen, daß
eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine
Unterbringungsanordnung rechtfertigen. Er erkennt daher entsprechend
§ 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl.
Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.N.).
III.
Trotz dieses Teilerfolgs der Revision hält es der Senat nicht
für unbillig, den Angeklagten mit den vollen
Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Es ist
nämlich nicht erkennbar, daß der Angeklagte das
Urteil nicht angefochten hätte, wenn von einer Unterbringung
abgesehen worden wäre (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 70 m.N.). Der
Angeklagte hatte bestritten, am Tattag mit der Geschädigten
zusammen gewesen zu sein. Die Revision bringt insbesondere vor, die
Urteilsfeststellungen beruhten auf rechtsfehlerhafter Grundlage.
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