BGH,
Beschl. v. 26.2.2003 - 2 StR 411/02
2 StR 411/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Betruges u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26.
Februar 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kassel vom 17. April 2002 wird
a) der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe auf Kosten der
Staatskasse, die auch die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen
des Angeklagten zu tragen hat, freigesprochen,
b) das vorbezeichnete Urteil
aa) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte des Betrugs in 187 Fällen und des versuchten
Betrugs in 10 Fällen schuldig ist,
bb) im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die
Anordnung eines Berufsverbots aufgehoben.
2. In diesem Umfang wird die Sache zu erneuter Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Revision,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 187
Fällen, davon in 24 Fällen in Tateinheit mit
Urkundenfälschung, wegen versuchten Betrugs in 10
Fällen und wegen Urkundenfälschung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt und ihm
verboten, für die Dauer von 3 Jahren den Beruf eines Arztes
auszuüben. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten
mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlußtenor
ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen erweist es sich als
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrügen sind aus den in der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts dargelegten Gründen jedenfalls
unbegründet.
2. Die Sachrüge führt im Schuldspruch zum Freispruch
vom Vorwurf der Urkundenfälschung im Fall 1 und in den
Fällen 2, 12, 22, 29, 38, 42, 43, 46, 48, 64, 70, 77, 97, 114,
118, 120, 132, 137, 141, 151, 152 , 157, 160 und 201 zum Wegfall der
ausgeurteilten Urkundenfälschung.
a) Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte als Arzt seinen
Patienten Rechnungen erteilt, in denen Laborleistungen
aufgeführt waren, die - für die Patienten nicht
erkennbar - von Fremdlaboren erbracht waren. Dabei hatte er in die
Patientenrechnungen nicht die Beträge eingesetzt, die von den
Fremdlaboren von ihm bzw. von dem von ihm zwischengeschalteten Institut
"I. -GmbH" gefordert worden waren. Er hatte vielmehr zu
höheren Gebührensätzen abgerechnet, da -
nach seiner Einlassung - die zwischengeschaltete GmbH, deren alleiniger
Gesellschafter und Geschäftsführer er war, ihm die
höheren Beträge in Rechnung gestellt hatte. Da der
Ansatz einer höheren Gebühr nach § 4 Abs. 2
GOÄ nur möglich gewesen wäre, wenn der
Angeklagte diese Leistungen als eigene ärztliche Leistungen im
Sinne dieser Vorschrift erbracht hätte, wies der Angeklagte
sein Personal in den aufgeführten 25 Fällen an, den
Briefkopf der Fremdlabore auf deren Befundberichten weg zu knicken, an
dessen Stelle den Briefkopf der "I. -GmbH" zu legen und davon eine
Ablichtung zu erstellen. Diese Ablichtung legte der Angeklagte den
Patienten vor, um den Eindruck zu erwecken, er selbst bzw. sein
Institut habe diese Leistungen erbracht.
Bei diesem Sachverhalt ist der Tatbestand der
Urkundenfälschung nach § 267 StGB nicht
erfüllt. Ein mittelbares Gebrauchmachen einer unechten oder
verfälschten Urkunde durch Vorlage der Kopie ist hier deshalb
nicht gegeben, weil durch die "Collage" der nur zum Zweck der Fotokopie
lose zusammengelegten Bestandteile von zwei Urkunden keine unechte
Urkunde hergestellt oder eine echte Urkunde verfälscht worden
ist, von der durch die Vorlage einer Kopie Gebrauch gemacht werden
könnte. Eine Urkundenfälschung läge aber
auch dann nicht vor, wenn der Angeklagte, was nach den insoweit
unklaren Urteilsgründen offen bleibt, mit der Vorlage der
Ablichtung den Anschein einer Originalurkunde erwecken wollte. Denn
durch die Aufkopierung des Briefkopfes der von ihm geführten
Einmann-GmbH auf den abgelichteten Befundbericht des Fremdlabors
erscheint er selbst bzw. die mit ihm personenidentische GmbH als
Aussteller des durch die Fotokopie neu geschaffenen
Schriftstücks. Dadurch hat er ebenso wie derjenige, der eine
fremde Unterschrift unter einer Urkunde ausradiert und durch seine
eigene ersetzt, die fremde Gedankenerklärung - hier die
festgestellten Laborergebnisse - zu seiner eigenen gemacht und damit
eine echte Urkunde hergestellt (vgl. BGH NJW 1954,1375; ebenso
Tröndle/Fischer, StGB 51. A. § 267 Rdn. 19; Gribbohm
in LK, StGB 11. A. § 267 Rdn. 182; Lackner/ Kühl,
StGB 24. A. § 267 Rdn. 20; Cramer in
Schönke/Schröder, StGB 26. A. § 267 Rdn. 72;
ähnlich für den Fall, daß jemand eine
fremde geistige Leistung als eigene Prüfungsleistung ausgibt).
Entscheidend ist, daß durch Verwendung des Briefkopfs der "I.
-GmbH" - insofern gleichbedeutend mit der Leistung einer Unterschrift -
der für die GmbH handelnde Angeklagte Urheber der abgegebenen
Gedankenerklärung wurde und die Verantwortung für die
Laborbefunde übernahm. Das Ergebnis war eine schriftliche
Lüge, nämlich daß der Angeklagte selbst
bzw. sein Institut die Laborleistungen erbracht hatte, nicht aber eine
unechte Urkunde.
Danach war der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe
freizusprechen und der Schuldspruch in den aufgeführten 24
Fällen entsprechend dem Beschlußtenor zu
ändern.
b) Soweit der Angeklagte wegen Betrugs in 187 Fällen und
versuchten Betrugs in 10 Fällen verurteilt worden ist, weist
das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Insbesondere konnte der Angeklagte - worauf der Generalbundesanwalt
zutreffend hinweist - die höheren Rechnungsbeträge
für die Laborleistungen auch nicht als Aufwendungsersatz nach
§ 670 BGB fordern, weil die Einschaltung seines Instituts zur
Erlangung der Laborleistungen nicht erforderlich war.
3. Die milden Einzelstrafen können bestehen bleiben, auch
soweit die ausgeurteilte Urkundenfälschung wegfällt.
Angesichts des Schuldgehalts der Taten - hoher Schaden, lange Zeitdauer
- wäre die Verhängung noch niedrigerer Einzelstrafen
nicht mehr schuldangemessen.
Hingegen begegnen der Gesamtstrafenausspruch und die Anordnung des
Berufsverbots durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat
zur Begründung des Berufsverbots insbesondere
ausgeführt, daß der Angeklagte weder Anzeichen von
Reue und Einsicht gezeigt habe noch überhaupt habe erkennen
wollen, sich falsch verhalten zu haben. Damit hat das Landgericht nicht
beachtet, daß einem bestreitenden Angeklagten sein
Verteidigungsverhalten auch im Hinblick auf die
Gefährlichkeitsprognose beim Berufsverbot nicht angelastet
werden darf (BGHR StGB § 46 Nachtatverhalten 2, § 70
Abs. 1 Dauer 1). Denn nach der im Urteil wiedergegebenen Einlassung hat
der Angeklagte zwar das äußere Tatgeschehen
eingeräumt, einen Betrugsvorsatz jedoch bestritten. Die
Anordnung des Berufsverbots kann deshalb keinen Bestand haben. Der
Senat kann nicht ausschließen, daß der
Gesamtstrafenausspruch vom gleichen Rechtsfehler beeinflußt
ist und hat deshalb auch den Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Die
Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und
können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen
bleiben möglich.
4. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß die
berufliche Stellung, die in keiner unmittelbaren Beziehung zu einer
vorgeworfenen Straftat steht, nicht strafschärfend
berücksichtigt werden darf (BGH NJW 1996, 3089f).
Eine Wertung, nach der der Angeklagte mit der Verwendung der durch den
Betrug erlangten Mittel zur Finanzierung seines Instituts eine grob
rücksichtslose Gesinnung gezeigt habe, ist nicht ohne weiteres
nachvollziehbar. Moralisierende Ausführungen
begründen die Gefahr einer
gefühlsmäßigen, auf unklaren
Erwägungen beruhenden Strafzumessung (BGHR StGB § 46
Abs. 1 Begründung 2 unklare Erwägungen).
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