BGH,
Beschl. v. 26.1.2007 - 2 StR 582/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 582/06
vom
26.01.2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26.01.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kassel vom 22. September 2006, soweit es ihn betrifft, im
Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Fahren ohne
Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs
Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen eingelegte Revision ist aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20.
Dezember 2006 unbegründet, soweit sie sich gegen den
Schuldspruch richtet. Hingegen hat der Rechtsfolgenausspruch keinen
Bestand.
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2. Das Landgericht hat gegen den Angeklagten nach der Urteilsformel
eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verhängt, nach den Urteilsgründen dagegen nur vier
Jahre und drei Monate (UA S. 35). Die in der Urteilsformel genannte
Freiheitsstrafe kann nicht bestehen bleiben. Sie wird von den
Erwägungen zur Strafzumessung nicht getragen, die -
für sich betrachtet -
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rechtsfehlerfrei sind. Worauf der Widerspruch beruht, ist den
Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Es liegt keine
Fallgestaltung vor, bei der ohne weiteres deutlich wird, dass der
Tatrichter seine Ausführungen zur Strafzumessung in
Wirklichkeit nicht auf die in den Urteilsgründen, sondern auf
die in der Urteilsformel bezeichnete Strafe bezogen hat und dass diese
Strafe trotz der anders lautenden Urteilsgründe dem
Beratungsergebnis entspricht (vgl. BGH Beschlüsse vom 25. Juni
1992 - 1 StR 631/91 - und vom 12. November 1991 - 4 StR 474/91). Auf
der Grundlage des Urteils lässt sich weder
ausschließen, dass das Landgericht die in der Urteilsformel
genannte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten hat
verhängen wollen, noch dass es die in den
Urteilsgründen bezeichnete Freiheitsstrafe von vier Jahren und
drei Monaten für angemessen gehalten hat. Der Tatrichter muss
die Strafe deshalb neu festsetzen.
3. Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus begegnet rechtlichen Bedenken.
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a) Ausweislich der Urteilsfeststellungen (UA S. 5 f.) war es im Rahmen
einer Inhaftierung des Angeklagten im Januar 2003 zu einem Vorfall mit
einem Mitgefangenen gekommen, anschließend wurde eine
hebephrene Schizophrenie festgestellt und der Angeklagte mit
Neuroleptika behandelt. Im Januar 2005 kam es erneut zu
auffälligem Verhalten des Angeklagten in der Haft; es wurde
eine psychotische Dekompensation diagnostiziert und der Angeklagte mit
Neuroleptika behandelt. Am 27. April 2005 war der Angeklagte frei von
psychotischen Symptomen. Die Behandlung mit Neuroleptika wurde auch
nach der Haftentlassung fortgeführt, zuletzt erhielt er am
Mittwoch oder Donnerstag vor dem Tattag, einem Sonntag, ein
Depotneuroleptikum.
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Das Landgericht hat mit dem Sachverständigen angenommen, der
Angeklagte weise eine
„Persönlichkeitsstörung mit Neigung zu
impulsivenaggressiven Reaktionen und verminderter
Selbststeuerung“ auf, differential- diagnostisch eine
„andauernde Persönlichkeitsänderung nach
Extrembelastung“ (UA S. 30). In belastenden Situationen seien
psychotische Symptome aufgetreten. Bei der Exploration durch den
psychiatrischen Sachverständigen hätten keine
Hinweise auf eine akute Psychose vorgelegen. Die
Persönlichkeitsstörung habe für den
Angeklagten zur Folge, dass es in Stresssituationen zu psychotischen
Reaktionen komme. Außerhalb von Belastungssituationen seien
solche Auffälligkeiten nicht zu verzeichnen. Es liege keine
grundlegende schizophrene Störung vor, allerdings die
Bereitschaft zu schizophrenieähnlichen Reaktionen. In
Situationen, in denen er frustriert werde, träten
Störungen der Affekt- und Impulskontrolle auf. Die psychischen
Auffälligkeiten seien der schweren anderen seelischen
Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB zuzurechnen und
hätten erhebliche Auswirkungen auf die Steuerung des
Verhaltens des Angeklagten. Ein völliger Ausschluss der
Steuerungsfähigkeit oder eine Aufhebung der
Einsichtsfähigkeit seien nicht festzustellen, eine erhebliche
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zum
Tatzeitpunkt habe aber sicher vorgelegen. Infolge seines Zustandes
seien von dem Angeklagten erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten.
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b) Diese Feststellungen des Landgerichts vermögen die
Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus
nicht zu tragen. Ihnen kann eine die Unterbringung rechtfertigende
Störung im Sinne eines länger andauernden
„Zustands“ (§ 63 StGB) nicht entnommen
werden. Das bloße Vorliegen einer
Persönlichkeitsstörung reicht hierfür nicht
aus. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung ist
nicht gleichbedeutend mit derjenigen einer schweren anderen seelischen
Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB, sondern kann
immer auch als Spielart menschlichen Wesens einzuordnen sein.
Für einen so
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schwerwiegenden Eingriff, wie ihn die Anordnung der zeitlich nicht
befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
darstellt, kann die Diagnose einer
Persönlichkeitsstörung stets nur unter engen
Voraussetzungen und nur dann genügen, wenn feststeht, dass der
Täter auf Grund dieser Störung aus einem mehr oder
weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat. Für eine
solche Annahme bedarf es einer Gesamtschau, ob die Störungen
beim Täter in ihrer Gesamtheit sein Leben vergleichbar schwer
und mit ähnlichen Folgen belasten oder einengen wie krankhafte
seelische Störungen. Für die Bewertung der Schwere
der Persönlichkeitsstörung und der Erheblichkeit der
darauf beruhenden Verminderung der Schuldfähigkeit ist deshalb
maßgebend, ob es auch im Alltag außerhalb der
Straftaten zu Einschränkungen des beruflichen oder sozialen
Handlungsvermögens gekommen ist. Erst wenn das Muster des
Denkens, Fühlens und Verhaltens sich im Zeitverlauf als stabil
erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen
vorliegen, die rechtlich als schwere andere seelische Abartigkeit im
Sinne des § 20 StGB angesehen werden (vgl. BGH Beschluss vom
21. September 2006 - 4 StR 309/06 -; BGH NStZ 2006, 154 jeweils m.w.N.).
Solche andauernden, schwerwiegenden Auswirkungen auf das Leben des
Angeklagten sind hier nicht festgestellt. Vielmehr geht der Tatrichter
selbst davon aus, dass sich der Angeklagte unter entsprechenden
stützenden Bedingungen auch anders verhalten könne,
wie der Hauptschulabschluss zeige (UA S. 30). Dass der Angeklagte kein
Ausbildungsverhältnis aufnehmen konnte, lag an
ausländerrechtlichen Bestimmungen. Die festgestellte
Frustrationsintoleranz ist als Persönlichkeitsakzentuierung
weder geeignet, eine Person in einen Zustand dauerhaft erheblich
verminderter Schuldfähigkeit zu versetzen, noch rechtfertigt
ihr Vorliegen die Annahme eines Zustands, der die Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus gebietet.
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Über die Maßregelanordnung ist daher neu zu
entscheiden. Bei der gegebenen Sachlage ist auszuschließen,
dass beim Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat die Voraussetzungen des
§ 20 StGB vorlagen. Der Schuldspruch kann deshalb bestehen
bleiben. Der neue Tatrichter wird sich aber mit der Frage auseinander
zu setzen haben, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur
Tatzeit erheblich vermindert war (§ 21 StGB). Die bisherigen
Feststellungen lassen schon nicht hinreichend erkennen, ob das
biologische Merkmal der „schweren anderen seelischen
Abartigkeit“ erfüllt ist. Ob bei Vorliegen des
Merkmals die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit
erheblich ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Tatrichter zu beantworten
ist. Aus den bisherigen Feststellungen wird nicht ausreichend deutlich,
in welcher Weise die Persönlichkeitsstörung des
Angeklagten, der einige Zeit zuvor als Tatvorbereitung ein
Küchenmesser im Ärmel versteckt hatte, die
Tatausführung beeinflusst hat.
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Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Roggenbuck Appl |