BGH,
Beschl. v. 26.7.2001 - 4 StR 170/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 170/00
vom
26. Juli 2001
in der Bußgeldssache
gegen
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf und Athing, die
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic und den Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Ernemann am 26. Juli 2001 beschlossen:
Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer auf eine
ausländische Fahrerlaubnis, die sich auf Kraftfahrzeuge der
geführten Art erstreckt, so setzt, wenn die Aufenthaltsfristen
des § 4 IntVO gewahrt sind, seine Verurteilung wegen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1
StVG die Überzeugung des Tatrichters davon voraus,
daß er über die behauptete ausländische
Fahrerlaubnis nicht verfügt. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens
läßt sich nicht schon darauf stützen,
daß er den Nachweis der ausländischen Erlaubnis
weder bei der Fahrt noch später erbracht hat.
Gründe:
I.
1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
gemäß § 21 StVG - unter Einbeziehung
früher verhängter Strafen - zu einer Gesamtgeldstrafe
verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht den
Schuldspruch "dahingehend präzisiert", daß er des
vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig sei, und den
Rechtsfolgenausspruch abgeändert.
Nach den Feststellungen des Berufungsurteils führte der aus
dem ehemaligen Jugoslawien stammende Angeklagte, der am 3. Juni 1997 in
die Bundesrepublik Deutschland eingereist war und politisches Asyl
beantragt hatte, am 19. März 1998 im öffentlichen
Straßenverkehr einen Personenkraftwagen. Eine von einer
deutschen Behörde erteilte Fahrerlaubnis hatte er nicht. Ob er
eine gültige ausländische Erlaubnis zum
Führen von Kraftfahrzeugen hatte, ist nicht festgestellt
worden. Einen ausländischen Führerschein konnte er
jedenfalls nicht vorweisen. In der Berufungshauptverhandlung hat sich
der Angeklagte - wie schon seit Beginn des Ermittlungsverfahrens - auf
eine gültige kroatische Fahrerlaubnis berufen und geltend
gemacht, daß er seinen kroatischen Führerschein im
November 1997 bei einem Unfall verloren habe. Die Strafkammer hat dies
als bedeutungslos angesehen und einen vom Verteidiger gestellten
Beweisantrag betreffend die Erteilung einer Fahrerlaubnis in Kroatien
aus diesem Grunde zurückgewiesen.
Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit
der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2. Das mit der Revision befaßte Thüringer
Oberlandesgericht beabsichtigt, das Rechtsmittel zu verwerfen. Zur
Begründung führt es aus: Gemäß
§ 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den
internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntVO vom 12. November 1934 RGBl.
I 1137GRE>, zuletzt geändert am 18. August 1998 BGBl. I
2214GRE>, in der zur Tatzeit geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 1
der Dritten Verordnung zur Änderung
straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23. November
1982, BGBl. I 1533, IntVO a.F.) dürfe ein
ausländischer Kraftfahrzeugführer ein Kraftfahrzeug
auf deutschen Straßen nur dann führen, wenn er eine
Fahrerlaubnis der in der Vorschrift zu den Buchstaben a) bis c)
genannten Art nachweise. Könne er den Nachweis nicht
erbringen, so sei ihm das Führen eines Kraftfahrzeugs hier
auch dann verboten, wenn er über eine solche Fahrerlaubnis
verfüge. Fahre er dennoch, so verwirkliche er den objektiven
Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG.
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Thüringer
Oberlandesgericht durch den Beschuß des Bayerischen Obersten
Landesgerichts vom 9. August 1991 (NZV 1991, 481) gehindert. Danach
handelt ein Kraftfahrzeugführer, der über eine
ausländische Fahrerlaubnis verfügt, die nach
§ 4 Abs. 1 IntVO zum Fahren im Inland berechtigt, auch dann
nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 21
StVG, wenn er diese Erlaubnis nicht nachweisen kann.
Maßgeblich sei die Erteilung der Erlaubnis. Der
Verstoß gegen die Nachweispflicht begründe lediglich
eine Ordnungswidrigkeit.
Das Thüringer Oberlandesgericht hat deshalb die Sache
gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage
vorgelegt:
"Kann ein nichtdeutscher Kraftfahrzeugführer, der weniger als
ein Jahr in der Bundesrepublik ständig lebt und über
eine deutsche Fahrerlaubnis nicht verfügt, wegen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG
verurteilt werden, wenn er lediglich behauptet, einen
ausländischen Fahrausweis (Führerschein) zu besitzen,
diesen (oder eine Bestätigung der ausländischen
Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung eines solchen
Fahrausweises) weder bei der polizeilichen Kontrolle noch in der
Hauptverhandlung vorlegen kann?"
3. Der Generalbundsanwalt hat sich im Ergebnis der Rechtsauffassung des
Bayerischen Obersten Landesgerichts angeschlossen und beantragt zu
beschließen:
"Ein ausländischer Kraftfahrzeugführer, der weniger
als ein Jahr in der Bundesrepublik Deutschland ständig lebt
und über eine deutsche Fahrerlaubnis nicht verfügt,
kann nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß
§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG verurteilt werden, wenn er einen
Führerschein/Fahrausweis (oder eine Bestätigung der
ausländischen Fahrerlaubnisbehörde über die
Erteilung eines solchen Führerscheines/Fahrausweises) infolge
Verlusts zwar weder bei der polizeilichen Kontrolle noch in der
Hauptverhandlung vorlegen kann, aber nicht nur pauschal behauptet, eine
ausländische Fahrerlaubnis zu besitzen, sondern -
beispielsweise im Rahmen eines Beweisantrags - die zuständige,
den Führerschein/Fahrausweis ausstellende
ausländische Behörde benennt."
II.
Die Vorlegung ist gemäß § 121 Abs. 2 GVG
zulässig.
Das Thüringer Oberlandesgericht ist an der beabsichtigten
Entscheidung gehindert, wenn - entsprechend der Auffassung des
Bayerischen Obersten Landesgerichts - eine Verurteilung wegen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis nicht schon deshalb erfolgen kann, weil der
Angeklagte die von ihm behauptete kroatische Fahrerlaubnis nicht durch
Vorlage eines Führerscheins nachweisen kann. Nach dieser
Auffassung kommt es darauf an, ob der Angeklagte über eine
kroatische Fahrerlaubnis verfügt. Da das Landgericht dazu
keine Feststellung getroffen hat, müßte das
Thüringer Oberlandesgericht das angefochtene Urteil aufheben
und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung
zurückverweisen.
Der Zulässigkeit der Vorlegung steht nicht entgegen,
daß § 4 IntVO - nach der Tat, aber vor der
Entscheidung des Landgerichts - durch Art. 3 Nr. 2 der Verordnung
über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr
und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher
Vorschriften vom 18. August 1998 (BGBl. I 2214) geändert
worden ist. Es kann für die Frage der Zulässigkeit
der Vorlegung dahingestellt bleiben, ob infolge dieser
Änderung der rechtlichen Grundlagen das Thüringer
Oberlandesgericht mit der beabsichtigten Entscheidung von der
§ 4 Abs. 1 Satz 1 IntVO a.F. betreffenden Rechtsauffassung des
Bayerischen Obersten Landesgerichts abweichen würde, wenn auf
den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens § 4 Abs. 1 IntVO n.F.
Anwendung fände. Dies ist nämlich nicht der Fall.
Für die Beurteilung der Strafbarkeit des Angeklagten ist das
alte Recht maßgeblich. § 21 Abs. 1 StVG in
Verbindung mit § 4 Abs. 1 IntVO n.F. stellt sich für
den Angeklagten nicht als milderes Recht dar. Nach diesen Vorschriften
wäre die Fahrt am 19. März 1998 schon deswegen
tatbestandsmäßig gewesen, weil seine Berechtigung
zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland - unabhängig
von der Bedeutung des Nachweises der ausländischen Erlaubnis
für die Berechtigung zum Fahren im Inland -
gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 IntVO n.F. auf
einen Zeitraum von 6 Monaten nach der Begründung eines
Wohnsitzes im Inland befristet wäre, mithin - da der
Angeklagte am 6. Juni 1997 in die Bundesrepublik eingereist ist - am
Tattag in keinem Fall mehr bestanden hätte.
Zur Klarstellung der Reichweite der Vorlegungsfrage bemerkt der Senat,
daß diese nicht nur ausländische
Kraftfahrzeugführer betrifft, sondern auch deutsche
Kraftfahrer, die sich auf eine im Ausland erworbene Fahrerlaubnis
berufen.
III.
In der Sache vermag sich der Senat der Auffassung des vorlegenden
Oberlandesgerichts nicht anzuschließen.
Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer auf eine
ausländische Fahrerlaubnis, die sich auf Kraftfahrzeuge der
geführten Art erstreckt, so setzt, wenn die Aufenthaltsfristen
des § 4 IntVO gewahrt sind, seine Verurteilung wegen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1
StVG die Überzeugung des Tatrichters davon voraus,
daß er über die behauptete ausländische
Fahrerlaubnis nicht verfügt. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens
läßt sich nicht schon darauf stützen,
daß er den Nachweis der ausländischen Erlaubnis
weder bei der Fahrt noch später erbracht hat.
1. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StVG macht sich strafbar,
wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche
Fahrerlaubnis nicht hat. Voraussetzung der Strafbarkeit ist danach das
Fehlen der erforderlichen Erlaubnis.
a) Mit dem Merkmal der "erforderlichen Erlaubnis" nimmt der Tatbestand
Bezug auf § 2 Abs. 1 Satz 1 StVG. Nach dieser Vorschrift
bedarf, wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein
Kraftfahrzeug führen will, der Erlaubnis der
zuständigen Behörde. Grundsätzlich kann nur
eine deutsche Behörde die zum Führen von
Kraftfahrzeugen im Inland erforderliche Erlaubnis erteilen (vgl.
§§ 4, 68 StVZO a.F., §§ 4, 73 FeV;
OLG Köln NZV 1996, 289 m.w.N.). Der
Kraftfahrzeugführer, der mit einer deutschen Fahrerlaubnis im
Inland ein Kraftfahrzeug führt, macht sich auch dann nicht
nach § 21 StVG strafbar, wenn er den Führerschein,
durch den er die Erlaubnis nachzuweisen hat (§ 2 Abs. 2 StVG
a.F.; § 2 Abs. 1 Satz 3 StVG n.F.; § 4 Abs. 2 Satz 1
FeV), entgegen § 4 Abs. 2 Satz 2 StVZO a.F. (§ 4 Abs.
2 1. Halbsatz FeV) während einer Fahrt nicht bei sich
führt. Wer die erforderliche Fahrerlaubnis hat, bei einer
Fahrt aber den Führerschein nicht bei sich führt oder
ihn entgegen § 4 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz StVZO a.F. (heute:
§ 4 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz FeV) zuständigen
Personen auf Verlangen nicht zur Prüfung aushändigt,
handelt lediglich ordnungswidrig (§ 69a Abs. 1 Nr. 5a StVZO
a.F. heute § 75 Nr. 4 FeVGRE> i.V.m. § 24
StVG).
Dementsprechend kann ein Kraftfahrzeugführer, der sich auf
eine deutsche Fahrerlaubnis beruft, nur dann wegen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis verurteilt werden, wenn das Gericht davon
überzeugt ist, daß ihm die behauptete Fahrerlaubnis
nicht erteilt wurde oder diese nicht mehr gültig ist. Der
Schuldspruch kann nicht allein darauf gestützt werden,
daß der Fahrzeugführer die behauptete Fahrerlaubnis
nicht nachweist. Eine "Umkehr der Beweislast" findet nicht statt.
b) Daß auch die Inhaber einer ausländischen
Fahrerlaubnis auf öffentlichen Straßen in
Deutschland ein Kraftfahrzeug führen dürfen und unter
welchen Voraussetzungen dies gilt, ist in § 4 IntVO geregelt.
Die Vorschrift, deren Rechtsgrundlage sich in § 2 Abs. 1 1.
Halbsatz StVG a.F. (§ 2 Abs. 11 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr.
1 Buchst. j) StVG n.F.) findet, legt Ausnahmen von dem
grundsätzlichen Erfordernis der Fahrerlaubnis einer deutschen
Behörde fest. Nach der im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
einschlägigen Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1
Buchst. c) IntVO a.F. dürfen "Fahrzeugführer, die
eine andere gültige ausländische Erlaubnis zum
Führen von Kraftfahrzeugen (Fahrausweis) nachweisen, ... im
Umfang der dadurch nachgewiesenen Berechtigung Kraftfahrzeuge" in
Deutschland führen, "wenn sie hier keinen ständigen
Aufenthalt haben oder wenn seit der Begründung eines
ständigen Aufenthalts nicht mehr als 12 Monate verstrichen
sind".
Der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis, der unter
diesen Voraussetzungen auf öffentlichen Wegen oder
Plätzen im Inland ein Kraftfahrzeug führt, macht sich
- wie aus dem Zusammenwirken der §§ 21, 2 StVG und
§ 4 IntVO folgt - nicht nach § 21 StVG strafbar. Er
hat zwar nicht die nach § 2 StVG (§ 4 FeV)
grundsätzlich erforderliche Erlaubnis einer deutschen
Behörde. § 4 IntVO befreit ihn aber von diesem
Erfordernis mit der Folge, daß der Tatbestand des Fahrens
ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG auf ihn
nicht Anwendung finden kann.
2. Diese Regelungen lassen für die Auffassung des vorlegenden
Oberlandesgerichts keinen Raum. Könnten
Kraftfahrzeugführer, die sich auf eine ausländische
Fahrerlaubnis berufen, schon dann wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
verurteilt werden, wenn sie den ausländischen
Führerschein (oder eine Bestätigung der
ausländischen Fahrerlaubnisbehörde über die
Erteilung eines solchen Fahrausweises) weder bei der polizeilichen
Kontrolle noch in der Hauptverhandlung vorlegen können, so
würde dies - im Vergleich zu Kraftfahrern, die sich auf eine
deutsche Fahrerlaubnis berufen - eine schwerwiegende
Schlechterbehandlung bedeuten. Eine solche Benachteiligung der Inhaber
einer ausländischen Fahrerlaubnis wäre in der Sache
nicht gerechtfertigt:
§ 4 IntVO will mit der Gleichstellung von deutschen und
ausländischen Fahrerlaubnissen den internationalen
Kraftfahrzeugverkehr erleichtern, indem insbesondere
ausländischen Fahrzeugführern das Führen von
Kraftfahrzeugen im Inland ermöglicht wird. Mit Blick auf die
Sicherheit des inländischen Straßenverkehrs, die die
Vorschrift mit ihren einschränkenden Voraussetzungen
gewährleisten will, ist aber allein maßgeblich, ob
der inländische oder ausländische Kraftfahrer
über eine Fahrerlaubnis (und damit im allgemeinen auch
über die erforderlichen Fahrfähigkeiten und
-kenntnisse) verfügt. Der Nachweis dieser Fahrerlaubnis
betrifft dagegen lediglich die ordnungsrechtliche Seite;
Verstöße gegen die Nachweispflicht können
durch die - gesetzlich vorgesehene (§§ 10, 14 IntVO)
- Verhängung von Bußgeldern angemessen geahndet
werden. Ihre Qualifizierung als kriminelles Unrecht wäre
unverhältnismäßig.
3. Die vom vorlegenden Oberlandesgericht für geboten erachtete
Ungleichbehandlung findet weder in § 21 StVG noch in
§ 4 IntVO eine Rechtfertigung. Die für sie
angeführten Erwägungen können nicht
überzeugen:
a) Allerdings könnte die Fassung des § 4 IntVO auf
den ersten Blick die Bejahung der Vorlegungsfrage nahelegen. Die
Vorschrift macht - wie dargestellt - die Berechtigung zum
Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund einer
ausländischen Fahrerlaubnis nicht nur davon abhängig,
daß diese für ein Kraftfahrzeug der
geführten Art gilt (und die Aufenthaltsfrist von 12 Monaten
nicht überschritten ist), sondern setzt nach ihrem Wortlaut
weiter voraus, daß der Fahrzeugführer die
Fahrerlaubnis "nachweist". Das könnte darauf hindeuten,
daß der Verordnungsgeber die Berechtigung zum Führen
eines Kraftfahrzeugs aufgrund einer ausländischen
Fahrerlaubnis an den von dem Kraftfahrer durch Vorlage des
ausländischen Führerscheins zu erbringenden Nachweis
knüpfen und - in der Konsequenz - § 21 StVG dahin
ausfüllen wollte, daß anders als bei Inhabern einer
deutschen Fahrerlaubnis allein der fehlende Nachweis der
ausländischen Fahrerlaubnis die Strafbarkeit wegen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis begründet.
Dieser maßgeblich auf den Wortlaut des § 4 Abs. 1
Satz 1 IntVO a.F. abstellenden Auslegung könnte indes nicht
gefolgt werden. Ihr steht zunächst schon entgegen,
daß der Sprachgebrauch der Vorschrift ohnehin nicht
präzise war, wie etwa die Gleichstellung von "Erlaubnis zum
Führen von Kraftfahrzeugen" und "Fahrausweis" zeigt. Die
fehlende Tragfähigkeit des Wortlautarguments wird sodann auch
durch die neue Fassung der Vorschrift, mit der eine inhaltliche
Änderung nicht beabsichtigt war (vgl. Begründung der
FeV - VkBl. 1998, 1100), belegt:
In der Fassung des Art. 3 Nr. 2 der Verordnung über die
Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur
Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom
18. August 1998 (BGBl. I 2214) macht § 4 Abs. 1 Satz 1 IntVO
die Berechtigung von Inhabern einer ausländischen
Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Inland auch
schon seinem Wortlaut nach nicht mehr von dem Nachweis dieser Erlaubnis
abhängig. Diese dürfen - nach Maßgabe
weiterer Voraussetzungen, die für die Vorlegungsfrage ohne
Bedeutung sind - "im Umfang ihrer Berechtigung" (also nicht mehr: "der
nachgewiesenen Berechtigung") im Inland Kraftfahrzeuge führen.
Die Verpflichtung zum Nachweis der Fahrerlaubnis ist in § 4
Abs. 2 Satz 1 IntVO n.F. geregelt. Danach ist "die Fahrerlaubnis durch
einen gültigen nationalen oder internationalen
Führerschein (...) nachzuweisen." Die Vorschrift unterscheidet
damit - in Wortlaut und Aufbau übereinstimmend mit den
für die Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis geltenden
Regelungen in § 2 StVG und § 4 FeV - zwischen der
Fahrerlaubnis, von der die Berechtigung zum Führen eines
Kraftfahrzeugs abhängt, und ihrem Nachweis. Da mit der
Neufassung des § 4 IntVO keine inhaltliche Änderung
beabsichtigt war, erweist sich der Schluß von dem Wortlaut
des § 4 IntVO a.F. darauf, daß Inhaber einer
ausländischen Fahrerlaubnis bei Scheitern ihres Nachweises -
anders als Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis - strafbar sind, als
nicht tragfähig.
b) Daß die sich aus § 4 Abs. 1 IntVO ergebende
Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht davon
abhängt, daß der Fahrzeugführer seinen
ausländischen Führerschein bei der Fahrt mit sich
führt, ergibt sich auch aus § 10 Nr. 2 IntVO in
Verbindung mit § 14 Nr. 3 IntVO a.F. (§ 14 Nr. 4
IntVO n.F.). Diese Bußgeldvorschriften wären, worauf
das Bayerische Oberste Landesgericht zutreffend hinweist (NZV 1991, 482
m.w.N.), sinnlos, wenn das Nichtmitführen des
Führerscheins bereits zur Erfüllung des
Straftatbestands des § 21 StVG ausreichen würden.
Dem kann nicht überzeugend entgegengehalten werden,
daß der genannte Ordnungswidrigkeitentatbestand schon dann
erfüllt ist, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs
seinen ausländischen Führerschein bei einer Fahrt
nicht bei sich führt, wohingegen der Straftatbestand des
§ 21 StVG nach Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts
erst dann eingreift, wenn er seine Fahrerlaubnis auch später -
und sei es auch erst in der Hauptverhandlung - nicht nachweist. Eine
solche tatbestandsausschließende Berücksichtigung
eines späteren Nachweises der ausländischen
Fahrerlaubnis ist rechtlich nicht möglich. Geht man mit dem
vorlegenden Oberlandesgericht davon aus, daß eine
ausländische Fahrerlaubnis deren Inhaber nur dann im Sinne des
§ 4 IntVO a.F. zum Führen eines Kraftfahrzeugs
berechtigt, wenn er sie nachweist, so kann es für die Frage
seiner Strafbarkeit nach § 21 StVG nur darauf ankommen, ob er
der Nachweispflicht bei der in Rede stehenden Fahrt nachgekommen ist.
Ob ein Verhalten die tatbestandlichen Voraussetzungen einer
strafrechtlichen Norm erfüllt, muß - schon mit Blick
auf die subjektive Tatseite - im Zeitpunkt der Vornahme der
tatbestandsmäßigen Handlung feststehen. Ziel der
Hauptverhandlung und der Beweisaufnahme ist es, gegebenenfalls die
Tatsachen festzustellen, die den gesetzlichen Merkmalen der Straftat
entsprechen. Ihr Gang und ihr Ergebnis können aber nicht
materiell-rechtlich darüber entscheiden, ob ein angeklagtes
und in der Beweisaufnahme entsprechend festgestelltes Verhalten des
Angeklagten überhaupt tatbestandsmäßig ist.
c) Entgegen der Befürchtung des vorlegenden Gerichts
führt die Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten
Landesgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, auch nicht zu
unerträglichen Ergebnissen.
Allerdings ist einzuräumen, daß die Notwendigkeit,
dem Kraftfahrzeugführer, der sich auf eine
ausländische Fahrerlaubnis beruft, diese Einlassung zu
widerlegen, die Arbeit der Behörden der
Verkehrsüberwachung und der Gerichte erschweren wird; in
Einzelfällen, insbesondere bei Kraftfahrzeugführern,
die nicht aus Staaten der Europäischen Union stammen,
mögen die erforderlichen Ermittlungen einen nicht
unerheblichen Aufwand erfordern; je nach der Organisation des Staates,
der die Erlaubnis angeblich oder tatsächlich erteilt hat, und
den sein Verwaltungshandeln prägenden Bedingungen
könnten sie auf unüberwindbare Schwierigkeiten
stoßen. Das kann eine andere Beantwortung der Vorlegungsfrage
aber nicht rechtfertigen:
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Folgenbetrachtung nicht eher
gegen die Strafbewehrung eines Verstoßes gegen die
Nachweispflicht spricht: Von den Kraftfahrern, die auf
Straßen im Inland unter Berufung auf eine
(tatsächlich oder angeblich erteilte) ausländische
Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug führen, dürfte -
zumal in grenznahen Regionen - eine große, wenn nicht die
weit überwiegende Zahl aus Nachbarstaaten stammen. Werden
Angehörige der Nachbarstaaten bei einer Verkehrskontrolle ohne
ihren Führerschein angetroffen, so wird die
Überprüfung, ob sie über die behauptete
Fahrerlaubnis verfügen, im allgemeinen aber keinen
sonderlichen Aufwand bedeuten. Gründe, auch diesen
Kraftfahrzeugführern - anders als deutschen Fahrern - zur
Vermeidung einer strafrechtlichen Verurteilung den Nachweis ihrer
Fahrerlaubnis aufzugeben, sind nicht ersichtlich, weshalb die
Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts auch mit Blick auf das
europäische Recht nicht unproblematisch erscheint (vgl. auch
EuGH NZV 1996, 242). Für eine Differenzierung nach dem
Herkunftsland des ausländischen Kraftfahrers
läßt § 4 IntVO a.F. aber, jedenfalls soweit
es die Nachweispflicht anbelangt, keinen Raum.
Im übrigen darf der Aufwand für die
Verkehrsüberwachungsbehörden und Gerichte nicht
überschätzt werden. Auch erscheint die Sorge,
daß sich ein ausländischer
Kraftfahrzeugführer schon durch die schlichte Berufung auf
eine angebliche ausländische Fahrerlaubnis der Verurteilung
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis entziehen könnte, nicht
begründet. Je nach den Umständen und den Einzelheiten
der Einlassung kann es geboten sein, der Behauptung einer
ausländischen Fahrerlaubnis mit erheblicher Vorsicht zu
begegnen. Für die erforderliche Feststellung, daß
der Angeklagte die behauptete ausländische Fahrerlaubnis nicht
hat, gelten § 261 StPO und die von der Rechtsprechung zur
freien richterlichen Beweiswürdigung sowie deren Grenzen
entwickelten Grundsätze. Danach ist der Strafrichter
keineswegs gezwungen, die Behauptung einer ausländischen
Fahrerlaubnis schlechthin hinzunehmen. Beschränkt sich der
Angeklagte auf vage oder widersprüchliche Angaben, die eine
Überprüfung nicht ermöglichen, so ist der
Tatrichter auch aufgrund der allgemeinen Aufklärungspflicht
nicht gehalten, dem durch Ausdehnung der Beweisaufnahme in unbestimmte
Richtungen nachzugehen. Sind die Angaben des Angeklagten zu der
behaupteten Fahrerlaubnis, insbesondere zur erteilenden Stelle und zum
Zeitpunkt der Erteilung, aber detailliert und präzise, so wird
es regelmäßig auch keine
übermäßigen Schwierigkeiten bereiten, die
Richtigkeit der Einlassung zu überprüfen.
Meyer-Goßner Tolksdorf Athing
Solin-Stojanovic Ernemann
StVG § 21
IntVO § 4
Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer auf eine
ausländische Fahrerlaubnis, die sich auf Kraftfahrzeuge der
geführten Art erstreckt, so setzt, wenn die Aufenthaltsfristen
des § 4 IntVO gewahrt sind, seine Verurteilung wegen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1
StVG die Überzeugung des Tatrichters davon voraus,
daß er über die behauptete ausländische
Fahrerlaubnis nicht verfügt. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens
läßt sich nicht schon darauf stützen,
daß er den Nachweis der ausländischen Erlaubnis
weder bei der Fahrt noch später erbracht hat.
BGH, Beschluß vom 26. Juli 2001 - 4 StR 170/00 - I.
Amtsgericht Sonneberg
II. Thüringer Oberlandesgericht
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