BGH,
Beschl. v. 26.7.2005 - 5 StR 256/05
5 StR 256/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
26.07.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26.07.2005
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Cottbus vom 17. November 2004 nach
§ 349 Abs. 4 StPO
a) dahin geändert, daß der Angeklagte in den
Fällen 1
bis 5 und 7 des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes,
im Fall 6 der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit
schwerem sexuellen Mißbrauch eines Kindes und in
den Fällen 32 und 33 des schweren sexuellen
Mißbrauchs eines Kindes schuldig ist,
b) aufgehoben
aa) im Ausspruch der wegen des Falles 5 verhängten
Einzelstrafe,
bb) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der
Angeklagte im Fall 18 verurteilt worden ist,
cc) im Auspruch der Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs
eines Kindes, wegen versuchten sexuellen Mißbrauchs von
Schutzbefohlenen
in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
versuchtem sexuellen
Mißbrauch eines Kindes, wegen sexuellen Mißbrauchs
von Schutzbefohlenen
in 29 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
Vergewaltigung, in
17 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von
Kindern und in sieben
Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen
Mißbrauch von Kindern, davon
in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung und in
einem Fall in Tateinheit
mit Vergewaltigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren
verurteilt.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten hat den aus
dem Beschlußtenor ersichtlichen Teilerfolg. Im
übrigen ist das Rechtsmittel
aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
vom 22. Juni
2005 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt:
„Wie die Jugendschutzkammer nach Urteilsverkündung
selbst erkannt
hat (UA S. 53/54), kann der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangenen
Mißbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1
StGB) in den Fällen 1
bis 7 (UA S. 11 - 16) keinen Bestand haben, weil insoweit
Verjährung eingetreten
ist.
Die Taten wurden in den Jahren 1997 und 1998 begangen. Als erste
verjährungsunterbrechende Maßnahme käme der
Erlaß des Haftbefehls des
Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 16. Dezember 2003 (Bd. II Bl. 247 d.
A.)
in Betracht (§ 78c Abs. 1 Nr. 5 StGB). Da jedoch nicht
feststeht, daß Taten
nach dem 16. Dezember 1998 begangen wurden, ist in allen genannten
Fällen
(Teil-)Verjährung (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52.
Aufl., 2004, Rdn. 5 zu
§ 78a m.N.) eingetreten.
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Die danach gebotene Schuldspruchänderung muß den
Bestand der in
den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 festgesetzten Einzelstrafen nicht
gefährden. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zum
einen zulässig,
verjährte Taten strafschärfend zu
berücksichtigen (vgl. Senat in BGHR
StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20; BGH, Beschluß vom 3.
April 2002
- 3 StR 55/02 m.w.N.). Zum anderen aber sind die in den genannten
Fällen
festgesetzten Einzelstrafen (weiterhin) angemessen im Sinne von
§ 354
Abs. 1a Satz 1 StPO.
…
Die aufgrund der allgemeinen Sachrüge gebotene
Nachprüfung des
Urteils weckt nur teilweise durchgreifende Rechtsbedenken.
…
a) Die zum Nachteil des Kindes K begangene Tat 5 (UA
S. 13/14) wertet das Landgericht als schweren sexuellen
Mißbrauch eines
Kindes ’gemäß § 176a Abs. 1 StGB
a.F.’ (UA S. 49), d. h. in der Fassung des
Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts. Dieses ist am 1. April
1998
in Kraft getreten. Tatzeit war hier aber ’ca. 1997 oder
1998’. Mithin ist zu
Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, daß er sich
gemäß § 2 Abs. 3
StGB (nur) eines Vergehens nach § 176 StGB in der bis zum
Inkrafttreten
des 6. StrRG geltenden Fassung schuldig gemacht hat. Der Schuldspruch
ist
entsprechend zu ändern.
Damit kann die vom Landgericht verhängte an der Mindeststrafe
des
§ 176a StGB a. F. ausgerichtete Einzelstrafe von zwei Jahren
(UA S. 53)
keinen Bestand haben, weil der Strafrahmen des früheren
§ 176 Abs. 1 StGB
dem des jetzt geltenden entspricht. Ob die Tat als besonders schwerer
Fall
im Sinne des Absatz 3 dieser Bestimmung zu werten ist, muß
der Tatrichter
beurteilen. Als benannter in Betracht kommender
Strafschärfungsgrund ist
dort jedoch nur ’Beischlaf’ genannt.
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b) Die Verurteilung im Fall 18 (UA S. 21/22) ist in mehrfacher Hinsicht
rechtsfehlerhaft.
Die 13jährige Zeugin L war mit einer Freundin mehrmals
zu den Pferden des Angeklagten gegangen, bis er die beiden fragte,
’ob sie
auch einmal reiten wollten’. Als das der Fall war, begann der
Angeklagte auf
dem Pferd, ’die Zeugin zu kitzeln, wobei er sie auch
… unter ihrem T-Shirt
kitzelte und bis kurz unter ihre Brust kam’. Als die Zeugin
ihn bat, damit aufzuhören,
machte der Angeklagte nicht weiter.
Die Jugendschutzkammer sieht in dem Vorgehen des Angeklagten
(noch) keine sexuelle Handlung (§ 184f Nr. 1 StGB) und wertet
deshalb sein
Verhalten als versuchten sexuellen Mißbrauch einer
Schutzbefohlenen (UA
S. 49) ...
aa) Die Feststellungen belegen nicht, daß die Zeugin dem
Angeklagten
’anvertraut’ im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr.
1 StGB war. Ob ihre Eltern
überhaupt Kenntnis von den Besuchen ihrer Tochter bei dem
Angeklagten
hatten, bleibt offen.
bb) Da dieser sein Vorhaben nicht weiter fortsetzte, als die Zeugin ihn
darum bat, hätte das Landgericht § 24 Abs. 1 StGB
erörtern müssen.“
Die vorstehenden Ausführungen zu Fall 18 erfassen auch den
tateinheitlich
ausgeurteilten versuchten sexuellen Mißbrauch eines Kindes.
In entsprechender Weise treffen die Ausführungen, die der
Generalbundesanwalt
zu § 174 StGB in den Fällen 1 bis 7 gemacht hat, auch
auf die
Fälle 32 und 33 zu, in denen eine Unterbrechung der
Verjährung vor Erhebung
der Nachtragsanklage nicht erfolgt ist.
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Schon danach kann die vom Generalbundesanwalt zutreffend als
ungewöhnlich
hoch bezeichnete Gesamtstrafe keinen Bestand haben. Der Senat
weist auf die weiteren Ausführungen des Generalbundesanwalts
hin, in
denen dieser eine Vielzahl von Ausführungen des Landgerichts
zur Begründung
der Gesamtstrafe als rechtsfehlerhaft oder zumindest bedenklich
bezeichnet
hat.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Schaal |