BGH,
Beschl. v. 26.7.2006 - 5 StR 277/06
5 StR 277/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
26.7.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26.07.2006
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Chemnitz vom 10. April 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des
Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO
unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet.
Dagegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
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Zum Tatgeschehen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende
Feststellungen getroffen:
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Der in Russland aufgewachsene Angeklagte kam im Dezember 1996 nach
Deutschland und wohnte in einem Wohnheim für
Spätaussiedler. Am 12. September 1997 traf er sich mit drei
anderen Bewohnern des Heims, mit denen er ab 16 Uhr alkoholische
Getränke konsumierte. In der
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Nacht zum 13. September 1997 fuhren die vier jungen Männer mit
einem Taxi ziellos durch die Gegend. Gegen 1 Uhr morgens zerrten zwei
der anderweitig verfolgten Mittäter die später
Geschädigte T. in den Wagen, auf dessen Rückbank die
vier Männer - zuletzt der Angeklagte - gegen den Willen der
Geschädigten ungeschützt den Geschlechtsverkehr mit
ihr ausübten. Zur Tatzeit betrug die Blutalkoholkonzentration
des Angeklagten maximal 1,9 Promille.
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall der Vergewaltigung nach
§ 177 Abs. 2 StGB in der Fassung des 33.
Strafrechtsänderungsgesetzes vom 1. Juli 1997 verneint und die
Strafe dem wegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit gem.
§§ 21, 49 StGB gemilderten Strafrahmen des §
177 Abs. 1 StGB a. F. entnommen. Dies hält rechtlicher
Prüfung nicht stand.
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Bei Bestimmung des Strafrahmens hält die Strafkammer dem
Angeklagten zugute, dass die bei ihm zur Tatzeit bestehende
Alkoholisierung nicht ausschließbar zu einer erheblichen
Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des
§ 21 StGB geführt hat. Diesem Strafmilderungsgrund
stellt sie jedoch die „äußerst“
brutale Begehungsweise gegenüber, die es auch bei
Berücksichtigung der langen Zeitspanne zwischen der Tat und
ihrer Aburteilung sowie der positiven Entwicklung des Angeklagten, der
sich straffrei gehalten, inzwischen eine Familie gegründet und
eine gesicherte berufliche Existenz aufgebaut hat, nicht erlaube, einen
minder schweren Fall der Vergewaltigung anzunehmen.
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Gewissen Bedenken begegnet schon, dass das Landgericht bei
Prüfung der Frage, ob die Tat als minder schwerer Fall zu
bewerten ist, nicht auch weitere bei der Strafzumessung im engeren
Sinne berücksichtigte zugunsten des Angeklagten sprechende
Umstände (vollumfängliches Geständnis,
Preisgabe der Namen zweier bis dahin nicht bekannter Mittäter,
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bedrängte persönliche Situation zur Tatzeit) in seine
Erwägungen einbezogen hat (vgl. BGHR StGB § 21
Strafzumessung 1).
Der Strafausspruch ist jedenfalls deshalb aufzuheben, weil die
Strafkammer bei der für die Ablehnung des milderen
Strafrahmens entscheidenden Bewertung der Handlungsintensität
unerörtert gelassen hat, ob und gegebenenfalls in welchem
Maße das brutale Vorgehen gerade durch die verminderte
Schuldfähigkeit des Angeklagten beeinflusst war. Denn in
diesem Fall darf ihm die Handlungsintensität in dem Umfang, in
dem sie auf die erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit
zurückgeht, nicht uneingeschränkt zum Vorwurf gemacht
und straferschwerend angelastet werden (vgl. BGHR StGB § 21
Strafzumessung 1 bis 5). Hier waren die für das Opfer
besonders belastenden Begleitumstände der Tat, die in der
massiven gemeinschaftlichen Vorgehensweise der Täter lagen,
andererseits ersichtlich von Gruppendynamik geprägt, welcher
ein erheblich enthemmter, zumal noch junger, mit der Tatinitiative der
Mittäter überraschend konfrontierter Täter
wie der Angeklagte weniger Widerstand entgegenzusetzen vermag als ein
uneingeschränkt schuldfähiger Täter. Eine
entsprechende Erörterung war hier jedenfalls deshalb
unerlässlich, weil der Angeklagte weder vor der Tat noch in
den neun Jahren danach wegen gewalttätigen Verhaltens
auffällig geworden ist.
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Der Senat vermag daher nicht mit Sicherheit auszuschließen,
dass die Strafkammer der Art der Tatausführung bei der Wahl
des Strafrahmens ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Auch
mit Rücksicht auf den seit der Tatbegehung eingetretenen
Zeitablauf kommt den straferschwerenden Umständen
möglicherweise nicht mehr die Bedeutung zu, die sie bei
tatnaher Aburteilung hätten haben müssen (vgl. BGHR
StGB § 46 Abs. 2 Zeitablauf 1). Der Aufhebung von
Feststellungen bedarf es nicht; der neue Tatrichter wird die
Straffindung auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen
vorzunehmen haben, neben denen lediglich ergänzende, ihnen
nicht widersprechende Feststellungen zu verwerten sind. In diesem
Rahmen wird die Frage besonders bedeutsam sein, ob die ganz
außerge-
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wöhnlich positive Entwicklung des Angeklagten seit
Tatbegehung, seine familiäre Situation sowie die berufliche
Eingebundenheit weiterhin wie bislang Bestand haben.
Basdorf Häger Gerhardt
Brause Schaal |