BGH,
Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 138/07
5 StR 138/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
26.6.2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26.06.2007 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 26. Juni 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf
Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner
Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts
rügt.
Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Bei dem
Urteil haben Richter mitgewirkt, die das gegen sie gerichtete
Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit zu Unrecht als
unzulässig verworfen haben.
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1. Dies geht auf folgendes Prozessgeschehen zurück:
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Gegen den Angeklagten ist ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs des
bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf
Fällen geführt worden. Nach dem Schlussvortrag der
Staatsanwaltschaft hat der Verteidiger am 51. Verhandlungstag mehrere
bereits zuvor angekündigte Beweisanträge gestellt.
Daraufhin ist die Hauptverhand-
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lung unterbrochen worden; sodann hat die Strafkammer einen Beschluss
verkündet, wonach das Verfahren betreffend fünf
Anklagevorwürfe im Hinblick auf die gestellten
Beweisanträge zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung
abgetrennt werde und die Beweisanträge, die sich auf die
abgetrennten Fälle beziehen, zurzeit nicht beschieden
würden.
Nach einer Unterbrechung von etwa 15 Minuten hat der Verteidiger eine
Erklärung abgegeben und eine einstündige
Unterbrechung zur Stellung weiterer Anträge begehrt. Dies hat
der Vorsitzende abgelehnt; die Anordnung ist durch Beschluss nach
§ 238 Abs. 2 StPO bestätigt worden, was unter anderem
damit begründet worden ist, es sei nicht ersichtlich, dass die
Verringerung des Prozessstoffs weitere Überlegungen
erforderlich machen würde. Sodann ist die Verhandlung auf
Wunsch des Verteidigers zur Stellung eines „unaufschiebbaren
Antrags“ unterbrochen worden. Im Anschluss hat der Angeklagte
durch seinen Verteidiger die namentlich genannten Richter der
Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dies hat er vor
allem damit begründet, dass die beantragte Unterbrechung zur
Vorbereitung einer Gegenerklärung betreffend die als sachfremd
beurteilte Abtrennung und zur Stellung weiterer Beweisanträge
nicht gewährt und über den Antrag entschieden worden
sei, ohne dass es der Verteidigung gelungen sei, die
Begründung dieses Antrags vorzutragen. „Die
Ablehnung einer einstündigen Unterbrechung zur Formulierung
einer schriftlichen Gegenerklärung nach unvorhersehbarer
entscheidender Veränderung der Sachlage ohne Kenntnisnahme der
Begründung der Verteidigung“ müsse die
Besorgnis erwecken, der im September 2006 in den Ruhestand tretende
„Vorsitzende, bestätigt durch das
Gericht“, wolle „eine Beendigung des Verfahrens um
jeden Preis zum jetzigen Zeitpunkt durchsetzen“.
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Unter Mitwirkung der abgelehnten Richter hat das Tatgericht diesen
Antrag nach § 26a StPO als unzulässig verworfen.
Hierzu hat es unter anderem ausgeführt, dass das
Ablehnungsgesuch keine Gründe für die Rechtfertigung
einer Ablehnung der Richter enthalte. Die Behauptung, der Vorsitzen-
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de wolle im Hinblick auf seinen im Oktober anstehenden Eintritt in den
Ruhestand die Verhandlung ungebührlich forcieren, sei abwegig,
da noch über drei Monate Zeit für die
Hauptverhandlung zur Verfügung stehe. Der Angeklagte habe auch
keinen Anspruch darauf, dass die ihm zur Vorbereitung einer
Gegenvorstellung erforderlich scheinende Zeit zur Verfügung
gestellt werde, im Übrigen sei hierfür am heutigen
Tag angesichts des Verhandlungsverlaufs Zeit gewesen. Die
Ablehnungsbegründung sei daher aus zwingenden rechtlichen
Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs
völlig ungeeignet.
2. Der absolute Revisionsgrund gemäß § 338
Nr. 3 StPO liegt vor.
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a) Die Rüge ist entgegen der Auffassung des
Generalbundesanwalts zulässig erhoben. Die Revision
trägt die sie begründenden Tatsachen, soweit die
Verfahrensweise nach § 26a StPO beanstandet wird, letztlich
hinreichend genau und vollständig vor, so dass der Senat
bereits allein auf dieser Grundlage prüfen kann, ob der
geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten
Tatsachen bewiesen wären (BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7
und 8).
b) Das Ablehnungsgesuch ist zu Unrecht als unzulässig
verworfen worden. Die Strafkammer durfte die Verwerfung des Antrags
nicht auf die völlige Ungeeignetheit der vorgetragenen
Befangenheitsgründe, also auf § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO
stützen. Eine Entscheidung über diesen Antrag war den
abgelehnten Richtern verwehrt, dies war gemäß
§ 27 StPO anderen Richtern vorbehalten.
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aa) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet nur ausnahmsweise,
dass ein abgelehnter Richter selbst über einen gegen ihn
gestellten Befangenheitsantrag entscheidet. Voraussetzung für
diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der
Entscheidung ohne die Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass
keine Entscheidung in der Sache getroffen wird,
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vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte
Formalentscheidung oder die Verhinderung eines offensichtlichen
Missbrauchs des Ablehnungsrecht beschränkt bleibt (BVerfGK 5,
269, 281 f.; Siolek in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl.
§ 26a Rdn. 12). Jenseits dieser formalen Prüfung darf
sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer
näheren inhaltlichen Prüfung der
Ablehnungsgründe im Rahmen von Entscheidungen nach §
26a Abs.1 StPO zum „Richter in eigener Sache“
machen (BVerfG aaO).
Ein Ablehnungsgesuch, dessen Begründung aus zwingenden
rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Gesuchs
völlig ungeeignet ist, kann einem Gesuch ohne Angabe von
Gründen gleichgestellt werden (vgl. BGHR StPO § 26a
Unzulässigkeit 15 Rdn. 19; BVerfG - Kammer - StV 2006, 673,
674; BVerfG - Kammer -, Beschl. v. 27. April 2007 - 2 BvR 1674/06, S.
16 f.), so dass die Entscheidung über dieses Gesuch nach
§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO möglich ist. Bei der Annahme
einer völligen Ungeeignetheit in diesem Sinne ist aber
äußerste Zurückhaltung geboten, um eine
Begründetheitsprüfung im Gewande einer
Zulässigkeitsprüfung zu verhindern (vgl. BVerfG -
Kammer -, Beschl. v. 27. April 2007 - 2 BvR 1674/06). Eine
Zurückweisung wegen offensichtlicher Unbegründetheit
ermöglicht § 26a StPO nicht (BVerfGK 5, 269, 282
unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bundesregierung, Anlage 2 zu
BT-Drucks. 13/4541, S. 32 f.). Entsprechend dem oben aufgezeigten
Regel-Ausnahme-Verhältnis scheidet daher eine völlige
Ungeeignetheit in diesem Sinne aus, sobald eine nähere
inhaltliche Prüfung der aus konkret bezeichneten Tatsachen
abgeleiteten Ablehnungsgründe erforderlich ist. Dies war hier
aber der Fall.
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bb) Der Angeklagte hat das Ablehnungsgesuch nicht nur pauschal mit der
Tatsache der Vorentscheidung der abgelehnten Richter über
seinen Antrag begründet. Er hat vielmehr behauptet, dass sich
die Besorgnis der Befangenheit aus Inhalt und Umständen der
beanstandeten verfahrensleitenden Anordnung ergebe. Denn diese ziele
aus verfahrensfremden Zwecken,
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nämlich der Beendigung des Verfahrens vor dem Eintritt des
Vorsitzenden der Strafkammer in den Ruhestand, auf eine Verhinderung
der Verteidigung ab (vgl. hierzu BVerfG - Kammer - Beschluss vom 27.
August 2007 - 2 BvR 1674/06, dort unter D I. 3. b.). Träfe die
Behauptung der Verteidigung zu, so wäre dies nicht aus
zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines
Ablehnungsantrags völlig ungeeignet, anders als etwa der
Vortrag, die Befangenheit ergebe sich allein aus dem Umstand der
Vorbefassung.
Angesichts der überraschenden Abtrennung nahezu der
Hälfte der Vorwürfe, zu denen bereits im Vorfeld
weitere Beweisanträge angekündigt worden waren, und
der beantragten Unterbrechungsdauer in Bezug zur Gesamtdauer der
Hauptverhandlung sind diese Befangenheitsgründe hinreichend
aus Tatsachen, nicht nur aus abwegigen Vermutungen abgeleitet worden.
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Danach war eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen
der beanstandeten Prozesshandlung erforderlich, welche die abgelehnten
Richter, ohne zwangsläufig in eigener Sache zu entscheiden,
nicht leisten konnten. Denn die Strafkammer hatte zumindest zu
beurteilen, ob der Antrag des Angeklagten auf Unterbrechung
tatsächlich aus sachfremden Motiven abgelehnt worden war. Das
ihnen unterstellte Motiv mag den abgelehnten Richtern zwar fern liegend
erschienen sein, dennoch mussten sie die Frage, ob sie aus diesem Motiv
heraus gehandelt haben, beantworten und damit ihr eigenes Verhalten
wertend beurteilen. Eine rein formale Prüfung war daher nicht
ausreichend, um den Inhalt des konkret begründeten
Ablehnungsgesuchs vollständig zu erfassen und darüber
zu entscheiden.
Die Erforderlichkeit einer Sachprüfung ergibt sich auch aus
der Begründung des Verwerfungsbeschlusses, denn
tatsächlich hat sich die Strafkammer auch inhaltlich mit den
Gründen des Befangenheitsantrags und der darin beanstandeten
Prozesshandlung auseinandergesetzt. So wird in dem
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Beschluss nach § 26a StPO die mangelnde Erforderlichkeit der
beantragten Unterbrechung unter anderem mit dem Prozessgeschehen an
diesem Verhandlungstag - im Übrigen angesichts der nach der
Verkündung der Abtrennung nur kurzzeitigen Unterbrechung kaum
nachvollziehbar - begründet und der Behauptung
verfahrensfremder Ziele mit dem Hinweis auf den zeitlichen Abstand zur
Pensionierung des Vorsitzenden begegnet.
cc) Danach waren die Voraussetzungen für eine Verwerfung des
Befangenheitsantrags nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO
offensichtlich nicht gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass das
Ablehnungsgesuch aus einem anderen der in § 26a Abs. 1 StPO
genannten Gründen als unzulässig
zurückzuweisen war, liegen nicht vor.
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c) Die abgelehnten Richter haben in eigener Sache entschieden und
dadurch den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 26a
StPO derart überspannt, dass dies im Hinblick auf die
Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr vertretbar war
(vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 14 Rdn. 18;
BVerfGK 5, 269, 282 f.).
Durch diesen Verstoß gegen die
Zuständigkeitsregelung der §§ 26a, 27 StPO
hat das Landgericht in falscher Besetzung eine Entscheidung getroffen
und dadurch das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter
verletzt. Dies begründet den absoluten Revisionsgrund
gemäß § 338 Nr. 3
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StPO (BGHSt 50, 216, 218, 223; BGH StV 2007, 121; BGH NStZ 2006, 705).
d) Die Frage, ob das Ablehnungsgesuch begründet war,
unterliegt bei dieser Sachlage nach der maßgeblichen neuen
Rechtsprechung nicht mehr der Prüfung durch das
Revisionsgericht.
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