BGH,
Beschl. v. 26.3.2009 - StB 20/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
___________
StB 20/08
vom
26. März 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________________
StPO § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2
KWKG § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
AWG § 35
GG Art. 25
1. Hat der Bundesgerichtshof über die sofortige Beschwerde des
Generalbundesanwalts gegen einen die Eröffnung des
Hauptverfahrens ablehnenden Beschluss des erstinstanzlich
zuständigen Senats eines Oberlandesgerichts zu entscheiden, so
hat er das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts in vollem Umfang
eigenständig zu prüfen (Aufgabe von BGHSt 35, 39).
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Straftat nach § 19
Abs. 1 KWKG die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik
Deutschland im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG
erheblich gefährdet.
3. Es verstößt nicht gegen Art. 25 GG, dass
§ 35 AWG den Geltungsbereich materiellen deutschen Strafrechts
auf Taten erstreckt, die von deutschen Staatsbürgern im
Ausland begangen werden.
BGH, Beschl. vom 26. März 2009 - StB 20/08 - OLG Frankfurt am
Main
- 2 -
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz u. a.
- 3 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2009
gemäß §§ 199, 203, 210 Abs. 2,
§ 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2, § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts wird
a) der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August
2008 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht die Eröffnung
des Hauptverfahrens abgelehnt hat;
b) das Verfahren vorläufig eingestellt, soweit dem Angeklagten
zur Last gelegt wird, gewerbsmäßig handelnd ein
Handels- oder Vermittlungsgeschäft in Bezug auf in Teil I
Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL) erfasste Güter (V.
-Ferngläser), welche unmittelbar oder mittelbar für
Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Iran oder zur Verwendung
im Iran bestimmt sind, abgeschlossen, und dadurch gegen § 34
Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2,
§ 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV verstoßen zu haben. Im
Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
c) im Übrigen das Hauptverfahren eröffnet und die
Anklage des Generalbundesanwalts vom 17. Mai 2008 zur Hauptverhandlung
vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main zugelassen.
2. Die Kosten der zurückgenommenen Beschwerde des
Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts
- 4 -
Frankfurt am Main vom 6. August 2008, soweit mit diesem der gegen den
Angeklagten bestehende Haftbefehl aufgehoben worden ist, und die dem
Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt
die Staatskasse.
Gründe:
Der Generalbundesanwalt hat dem Angeklagten mit der zum
Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhobenen Anklage vorgeworfen, in
einem Fall gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und in zwei
Fällen gegen das Außenwirtschaftsgesetz
verstoßen zu haben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss
vom 6. August 2008 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus
tatsächlichen und rechtlichen Gründen abgelehnt, eine
Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen sowie ausgesprochen, dass
der Angeklagte für die erlittene Untersuchungshaft zu
entschädigen sei. Gegen diese Entscheidung wendet sich der
Generalbundesanwalt mit seiner sofortigen Beschwerde. Das
Oberlandesgericht hat daneben den gegen den Angeklagten bestehenden
Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 7.
März 2008 (1 BGs 44/2008) aufgehoben. Seine gegen diese
Entscheidung gerichtete Beschwerde hat der Generalbundesanwalt
zurückgenommen. Im Übrigen beanstandet er weiterhin
den angefochtenen Beschluss und beantragt,
1
a) diesen aufzuheben;
2
b) das Verfahren in Bezug auf die Tat 3 der Anklageschrift (V.
-Ferngläser) gemäß § 154 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2 StPO vorläufig einzustellen;
3
- 5 -
c) im Übrigen seine Anklage unter Eröffnung des
Hauptverfahrens vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main zur Hauptverhandlung zuzulassen.
4
Das Rechtsmittel hat mit der Maßgabe Erfolg, dass das
Landgericht Frankfurt am Main zur Durchführung des
Hauptverfahrens zuständig ist.
5
I.
1. Mit der Anklageschrift sind dem in Frankfurt am Main wohnhaften
Angeklagten folgende Straftaten zur Last gelegt worden:
6
a) Er betrieb ein Einzelhandelsunternehmen und vermittelte als
Handelsvertreter Veräußerungsgeschäfte
über Industriemaschinen, Zubehör und Rohmaterialien
vorwiegend mit iranischen Kunden. Im Rahmen dieser Tätigkeit
unterhielt er Kontakte zu dem in Teheran (Iran) ansässigen
Unternehmen K. Co. Ltd. (im Folgenden: K. ), das sich mit der
Beschaffung von nuklearrelevanten und militärischen
Gütern für den Iran befasst und sich zur Umgehung der
insoweit geltenden Handelsbeschränkungen mehrerer Tarnfirmen
mit Sitz etwa in Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten bedient.
Ansprechpartner des Angeklagten waren die Direktorin von K. , Dr. N. ,
sowie der Mitarbeiter Ka. .
7
aa) Im April 2007 erhielt der Angeklagte von Ka. für eine der
Tarnfirmen von K. eine Anfrage zur Lieferung zweier
Hochgeschwindigkeitskameras, die zur Entwicklung von
Atomsprengköpfen benötigt werden. Er ging zutreffend
davon aus, dass die Kameras für das iranische
Atomwaffenprogramm bestimmt waren, und fragte bei dem russischen
Hersteller, der in Moskau ansässigen B. Company, nach der Ware
an. Als Kaufinteressenten
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- 6 -
benannte er eine Universität im Nahen Osten. Kurze Zeit
später traf er mit dem Hersteller eine unwiderrufliche
Kaufvereinbarung, in der für ihn eine Provision von 30.630
€ vereinbart wurde, und sandte an die Tarnfirma von K. ein
entsprechendes verbindliches Angebot. Daraufhin wurde einem seiner
iranischen Geldkonten eine Spesenvorauszahlung in Höhe von
3.297,50 € gutgeschrieben. Im Juni 2007 reiste der Angeklagte
nach Moskau, um dort die Details des Vertragsschlusses
persönlich zu klären. Während eines
Aufenthalts im Iran ab dem 21. August 2007 gelang es ihm, die noch
offenen Einzelheiten, insbesondere die Übermittlung einer
geeigneten Endverbleibserklärung an den Verkäufer, zu
regeln. Die Auslieferung der Kameras an den Endkunden im Iran erfolgte
bis spätestens 1. November 2007.
bb) Im Mai 2006 erhielt der Angeklagte von K. eine Anfrage
über die Lieferung verschiedener Produkte des
US-amerikanischen Herstellers L. . Als Endkunde sollte eine Tarnfirma
in den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgeschoben werden. Zur
Verschleierung des Endbestimmungslandes schaltete der Angeklagte die in
Mannheim ansässige St. GmbH ein. Diese holte ein Angebot des
Herstellers ein und bot die Ware dem Angeklagten an. Im März
2007 bat der Angeklagte die St. GmbH um ein erweitertes Angebot. Dieses
umfasste Zählrohre für strahlungsfeste Detektoren,
die zum Schutz gegen atomare Detonationswirkungen besonders konstruiert
oder geändert sind. Nach den Herstellerangaben sind die
Geräte speziell für den Einsatz im Nuklearbereich
ausgelegt und können zu militärischen Zwecken
verwendet werden. Empfänger sollte nunmehr eine Tarnfirma in
Dubai sein. Die St. GmbH bot dem Angeklagten die gewünschten
Artikel an; dieser leitete das Angebot an Ka. weiter und schloss mit
der St. GmbH eine unwiderrufliche Kaufvereinbarung ab. Auf Veranlassung
von K. wurde der Kaufpreis in Höhe von 87.245,40 € im
April 2007 in drei Raten an die St. GmbH überwiesen. Ende Mai
2007 stellte die St. GmbH
9
- 7 -
beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im
Folgenden: BAFA) einen Ausfuhrgenehmigungsantrag. Dieses forderte ein
Endverbleibszertifikat und ein detailliertes Kundenprofil an. Der
Angeklagte vereinbarte daraufhin mit Ka. , entsprechende Dokumente aus
Dubai zu beschaffen bzw. selbst zu erstellen, um auf diese Weise
über den wahren Empfänger zu täuschen. Im
Juli 2007 erhielt die St. GmbH eine Endverbleibserklärung aus
Dubai und leitete diese an das BAFA weiter. In der Folgezeit
überlegten der Angeklagte und Ka. weiter, welcher
Verwendungszweck dem BAFA plausibel vermittelt werden könnte.
Der Angeklagte schlug vor, einen Einsatz in der Landwirtschaft oder der
Medizin vorzuspiegeln. Ka. übermittelte sodann zwei
Formulierungsvorschläge, auf deren Grundlage der Mitarbeiter
F. der St. GmbH dem BAFA mitteilte, die Ware könne zwar in
Nuklearanlagen eingesetzt werden, geplant sei aber eine Verwendung in
der Zementindustrie. Der Angeklagte reiste am 20. August 2007 in den
Iran, um die Angelegenheit mit seinem Auftraggeber zu besprechen. Das
BAFA warf weitere Fragen zum Endverbleib der Ware auf, die F. dem
Angeklagten per E-Mail zuleitete. Dieser erörterte die
Problematik mit den Verantwortlichen bei K. und versuchte vergeblich,
F. telefonisch zu erreichen. Einer weiteren Mitarbeiterin der St. GmbH
erklärte er, er benötige dringend eine Aussage zur
Situation des Detektoren-Geschäfts, da sein Auftraggeber ihm
ein Ultimatum gesetzt habe. In der Folgezeit versuchte der Angeklagte
mehrfach, seine Ansprechpartner bei der St. GmbH zu erreichen. Trotz
seiner Bemühungen gelang es ihm nicht, das Problem zu
lösen. Nach seiner Rückkehr aus dem Iran teilte der
Angeklagte F. mit, sein Auftraggeber trete von dem Geschäft
zurück. In der Folgezeit bemühte er sich erfolglos um
die Rückerstattung des bereits geleisteten Kaufpreises sowie
um die Ausfuhr der Ware in den Iran über die Slowakei.
- 8 -
cc) Im Mai 2007 fragte eine Tarnfirma von K. bei dem Angeklagten nach
20 nachtsichttauglichen Ferngläsern des Schweizer Herstellers
V. an. Der Angeklagte bemühte sich in der Folgezeit darum, die
Lieferung der Ware nach Iran zu veranlassen. Das Geschäft
scheiterte schließlich, weil die Schweizer
Genehmigungsbehörde SECO die ihr übermittelte
Endverbleibserklärung als nicht ausreichend bewertete.
10
b) In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts sind diese
Sachverhalte rechtlich wie folgt gewürdigt:
11
aa) Im Fall I. 1. a) aa) (B. -Kameras) habe der Angeklagte
gewerbsmäßig handelnd die Entwicklung von Atomwaffen
gefördert, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1,
§ 17 Abs. 2 KWKG. Einen hinreichenden Tatverdacht dahin, dass
die Handlung des Angeklagten die auswärtigen Beziehungen der
Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährdet und dieser
deshalb den Qualifikationstatbestand des § 19 Abs. 2 Nr. 2
Buchst. c KWKG verwirklicht habe, hat der Generalbundesanwalt nicht
angenommen.
12
bb) Durch die Tat I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) habe der Angeklagte
gewerbsmäßig handelnd entgegen § 69 o Abs.
9 AWV ohne die erforderliche Genehmigung Maklerdienstleistungen im
Zusammenhang mit dem Verkauf und der Ausfuhr von Gütern im
Sinne von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19.
April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (im
Folgenden: Iranembargo-VO) nach Iran oder ihrer Herstellung und
Verwendung im Iran erbracht; dadurch habe er einer Rechtsverordnung
zuwidergehandelt, die der Durchführung einer vom Rat der
Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen
und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen
Sanktionsmaßnahme diene, § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst.
b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr.
9 AWV. Einen hinreichenden Tatverdacht, das
13
- 9 -
Handeln des Angeklagten sei geeignet gewesen, die auswärtigen
Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu
gefährden, so dass er die Voraussetzungen des
Qualifikationstatbestandes nach § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c
AWG erfüllt habe, hat der Generalbundesanwalt nicht bejaht.
cc) Im Fall I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) habe der Angeklagte
gewerbsmäßig handelnd entgegen § 69 o Abs.
2 AWV ein Handels- oder Vermittlungsgeschäft in Bezug auf in
Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL) erfasste Güter
abgeschlossen, welche unmittelbar oder mittelbar für Personen,
Organisationen oder Einrichtungen in Iran oder zur Verwendung im Iran
bestimmt sind; mithin habe er einer Rechtsverordnung zuwidergehandelt,
die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen
Union im Bereich der gemeinsamen Außen oder
Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen
Sanktionsmaßnahme diene, § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst.
b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr.
3 AWV. Ein Verstoß gegen den Qualifikationstatbestand nach
§ 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG wird dem Angeklagten auch
insoweit nicht zur Last gelegt.
14
2. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner die
Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
15
Das Ermittlungsergebnis belege im Fall I. 1. a) aa) (B. -Kameras)
nicht, dass der Iran im Zeitraum von April bis November 2007
Maßnahmen ergriffen habe, um die technologischen
Voraussetzungen für die Herstellung von Atomwaffen zu
schaffen. Aus einem vom Director of National Intelligence
herausgegebenen National Intelligence Estimate vom November 2007 ergebe
sich, dass es nach Einschätzung der US-amerikanischen
Geheimdienste eher unwahrscheinlich sei, dass der Iran im genannten
Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt habe. Auf die dem entgegen stehenden
"überaus vagen" Ausführungen in ei-
16
- 10 -
nem Behördenzeugnis des Bundesnachrichtendienstes (im
Folgenden: BND) vom Mai 2008 könne eine Verurteilung des
Angeklagten keinesfalls gestützt werden. Die für eine
Verurteilung des Angeklagten notwendige Überzeugung vom
Bestehen eines iranischen Atomwaffenprogramms lasse sich auch nicht aus
der diesbezüglichen Besorgnis der internationalen
Staatengemeinschaft gewinnen. Selbst wenn der Iran im Tatzeitraum
Atomwaffen entwickelt habe, sei nicht ausreichend belegt, dass der
Angeklagte dies gefördert habe; denn der konkrete
Verwendungszweck der Kameras sei unklar. Nach dem Ermittlungsergebnis
werde sich auch nicht nachweisen lassen, dass der Angeklagte
vorsätzlich gehandelt habe. Eine versuchte Tat komme nicht in
Betracht, weil es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die
Annahme gebe, der Angeklagte habe sich vorgestellt, mit der Vermittlung
der Hochgeschwindigkeitskameras die Entwicklung von Atomwaffen durch
den Iran zu fördern.
Im Fall I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) sei der Verstoß gegen
den Genehmigungsvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der
Iranembargo-VO bis zum 21. August 2007 nicht strafbar gewesen. Nach
diesem Zeitpunkt habe der Angeklagte keine Tätigkeiten mehr
entfaltet, die auf den Abschluss eines Kaufvertrages über die
Zählrohre gerichtet gewesen seien. Es lasse sich auch nicht
feststellen, dass der Angeklagte bei der Organisation des Transfers der
Zählrohre vermittelnd tätig geworden sei oder den
Transfer der Zählrohre beinhaltende Transaktionen ausgehandelt
oder organisiert habe. Der Senat müsse deshalb der Frage nicht
weiter nachgehen, ob die in § 69 o Abs. 9 AWV enthaltene
Erstreckung deutscher Strafvorschriften auf Auslandstaten wegen eines
Verstoßes gegen Art. 25 GG verfassungswidrig sei. Die
Tätigkeiten des Angeklagten seien auch nicht wegen eines
Verstoßes gegen die Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 des Rates
vom 22. Juni 2000 (im Folgenden: Dual-Use-Verordnung) strafbar. Es
lasse sich nicht beurteilen, ob die Zählrohre unter den Anhang
I dieser Verordnung fielen. Unabhängig hiervon habe der
Angeklagte mit den
17
- 11 -
Verantwortlichen der St. GmbH nicht verabredet, die Zählrohre
ohne Genehmigung auszuführen; die Beteiligten hätten
sich vielmehr intensiv um die Erteilung einer solchen Genehmigung
bemüht. Schließlich seien die besonderen
Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG nicht feststellbar;
deren Vorliegen lasse sich in der Regel nur aufgrund einer vom
Generalbundesanwalt nicht eingeholten Stellungnahme des
Auswärtigen Amtes beurteilen.
Im Fall I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) reiche die vorliegende
Auskunft des BAFA nicht aus, um beurteilen zu können, ob die
Ferngläser von Teil I Abschnitt A Position 0005 der
Ausfuhrliste erfasst seien; auf diese Auskunft könne eine
Verurteilung deshalb keinesfalls gestützt werden. Die
Strafbarkeit des Angeklagten nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b
AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV scheide
aus, da diese erst ab dem 22. August 2007 in Betracht komme und der
Angeklagte nach diesem Zeitpunkt kein Handels- oder
Vermittlungsgeschäft abgeschlossen habe. Die Voraussetzungen
des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG könnten auch bei dieser Tat
nicht festgestellt werden.
18
3. Nach Einlegung des Rechtsmittels durch den Generalbundesanwalt mit
Schriftsatz vom 13. August 2008 hat der BND unter dem 29. August 2008
ein weiteres Behördenzeugnis erstattet. Der Senat hat mit
Beschluss vom 1. Oktober 2008 angeordnet, dass eine Stellungnahme des
Auswärtigen Amtes dazu eingeholt werden soll, ob die dem
Angeklagten vorgeworfenen Taten konkrete nachteilige Auswirkungen auf
die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland
hatten, haben konnten, derzeit haben, oder ob solche Auswirkungen in
der Zukunft zu erwarten sind. Eine entsprechende, die konkreten
Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigende
Äußerung war zuvor nicht eingeholt worden. Die
ersuchte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes ist unter dem 11.
Februar 2009 erstellt worden und am 17. Februar 2009 beim
Bundesgerichtshof eingegangen.
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II.
Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs.
4 Satz 2 Nr. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen
zulässige sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts
führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im noch
angegriffenen Umfang, zur vorläufigen Einstellung des
Verfahrens bezüglich der Tat I. 1. a) cc) (V.
-Ferngläser) und hinsichtlich der weiteren angeklagten Taten
zur Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage
zur Hauptverhandlung vor der zuständigen
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main.
20
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts
gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO
vorläufig eingestellt, soweit dem Angeklagten hinsichtlich der
Tat I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) vorgeworfen worden ist, sich
wegen eines gewerbsmäßig begangenen
Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
(§ 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69
o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV) strafbar gemacht zu haben.
Die insoweit zu erwartende Rechtsfolge - möglicherweise nur
ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 33
Abs. 1 AWG i. V. m. § 70 Abs. 1 Nr. 6, § 40 Abs. 1
AWV - fällt neben der Strafe, die der Angeklagte im Falle der
Verurteilung wegen der anderen angeklagten Taten - diese sind jeweils
mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bedroht - zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht.
21
2. Bezüglich der verbleibenden angeklagten Taten liegen die
Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens
vor. Das Oberlandesgericht hat - jeweils teilweise - zum einen
überspannte Anforderungen an den für die Zulassung
der Anklage erforderlichen Tatverdacht gestellt und die zu dessen
Klärung erforderliche weitere Aufklärung (§
202 StPO) unterlassen sowie zum anderen das Ergebnis der Ermittlungen
unzutreffend gewürdigt. Im Einzelnen:
22
- 13 -
a) Gemäß § 203 StPO beschließt
das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den
Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer
Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender
Tatverdacht ist - wie das Oberlandesgericht zu Beginn seiner
Ausführungen zutreffend dargelegt hat - zu bejahen, wenn bei
vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des
Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit
vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGHR StPO
§ 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 m. w. N.).
Das Oberlandesgericht hat bei der weiteren Begründung seiner
Entscheidung sodann jedoch mehrfach darauf abgestellt, aus den
vorliegenden Beweismitteln lasse sich die für eine
Verurteilung des Angeklagten ausreichende Überzeugung nicht
gewinnen. Dies deutet darauf hin, dass es in der Sache einen
unzutreffenden Prüfungsmaßstab angelegt hat. Der
hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der
Verurteilung voraus; damit wird ein geringerer Grad der
Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, als dies beim dringenden Tatverdacht
im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 oder § 126 a StPO
der Fall ist (vgl. BGHR aaO). Erst recht ist zur Eröffnung des
Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige
volle richterliche Überzeugung erforderlich.
23
b) Die Überprüfung eines Beschlusses des
erstinstanzlich tätig werdenden Oberlandesgerichts, mit dem
dieses die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt, durch den
Bundesgerichtshof ist indes nicht nur darauf beschränkt, ob
das Oberlandesgericht seiner Bewertung des hinreichenden Tatverdachts
den zutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat
und sich seine Beurteilung auf dieser Grundlage als rechtlich
vertretbar erweist. Eine derart eingeschränkte Kontrolle
entspräche zwar der bisherigen Rechtsprechung des Senats
(BGHSt 35, 39). An dieser hält der Senat jedoch nicht
länger fest. Der Bundesgerichtshof hat als Beschwerdegericht
das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen
rechtliche Bewertung vielmehr in vollem Umfang nachzuprü-
24
- 14 -
fen und die Voraussetzungen der Eröffnung
selbstständig zu würdigen. Dies ergibt sich aus
Folgendem:
Nach der Einfügung des § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG ist
mittlerweile nicht mehr gewährleistet, dass die Besetzung des
Strafsenats des Oberlandesgerichts bei der Entscheidung über
die Zulassung der Anklage mit derjenigen in der Hauptverhandlung
identisch ist. Gerade auf die Identität der Besetzung bei der
Eröffnungsentscheidung und in der Hauptverhandlung, wie sie
nach damaliger Gerichtsverfassung vorgesehen war, ist in der
Entscheidung BGHSt 35, 39, 40 ff. jedoch maßgebend abgehoben
worden (so bereits BGHR aaO).
25
Soweit zur Begründung der früheren Auffassung weiter
darauf abgestellt worden ist, dass die Beweiswürdigung in
einem Urteil des Oberlandesgerichts lediglich mit der Revision - und
damit nur in begrenztem Umfang - überprüft werden
könne, rechtfertigt dies eine vergleichbar
eingeschränkte Nachprüfung einer
Nichteröffnungsentscheidung ebenfalls nicht. Zum einen besteht
kein Anlass, Beschlüsse eines Oberlandesgerichts, mit denen
die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, anders zu
behandeln als entsprechende Entscheidungen eines Landgerichts; dessen
Urteil kann ebenfalls allein mit dem Rechtsmittel der Revision
angefochten werden. Zum anderen sind die unterschiedlichen Funktionen
von Beschwerde und Revisionsverfahren zu beachten. Die Beschwerde
stellt sowohl die Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung als
auch die Rechtsanwendung zur Nachprüfung des
Beschwerdegerichts (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. Vor
§ 304 Rdn. 3). Demgegenüber ist die Revision auf die
rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung
beschränkt (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. Vor § 333
Rdn. 1). Mit diesem unterschiedlichen Charakter von Beschwerde und
Revision verbunden sind jeweils verschiedene
Erkenntnismöglichkeiten von Beschwerde- und Revisionsgericht.
Die Entscheidung über die Eröffnung des
Hauptverfahrens beruht auf
26
- 15 -
einer vorläufigen Bewertung des aktenkundigen
Ermittlungsergebnisses; diese kann vom Beschwerdegericht in gleicher
Weise wie vom Erstgericht vorgenommen werden. Das tatgerichtliche
Urteil ergeht auf der Grundlage der aus dem Inbegriff der
Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung des
Tatrichters. Die Würdigung der Beweise ist allein seine
Aufgabe; die in der Hauptverhandlung durchgeführte
Beweisaufnahme ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht
zu rekonstruieren (vgl. Schoreit in KK 6. Aufl. § 261 Rdn. 51
ff.). Die tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten des
Revisionsgerichts bleiben demnach hinter denjenigen des Tatgerichts
deutlich zurück.
c) Die nach diesen Vorgaben vorzunehmende Bewertung ergibt, dass der
Angeklagte hinreichend verdächtig ist, sich im Fall I. 1. a)
aa) (B. -Kameras) nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1,
§ 17 Abs. 2 KWKG strafbar gemacht zu haben; denn das
Ermittlungsergebnis liefert ausreichende Anhaltspunkte dafür,
dass der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd die
Entwicklung von Atomwaffen im Iran gefördert hat. Der Senat
hat insoweit bereits in seiner in dieser Sache ergangenen
Haftfortdauerentscheidung vom 26. Juni 2008 (AK 10/08) einen dringenden
Tatverdacht bejaht. Es besteht bei erneuter vorläufiger
Beurteilung des Ermittlungsergebnisses kein Anlass, nunmehr einen
hinreichenden Tatverdacht zu verneinen.
27
aa) Das Entwickeln von Kriegswaffen setzt im Allgemeinen eine
Tätigkeit voraus, die nach dem Vorliegen konkreter
militärischer, technischer und wirtschaftlicher Forderungen
darauf abzielt, eine Kriegswaffe zu schaffen, die es bisher entweder
überhaupt oder zumindest nicht mit ihren spezifischen
Eigenschaften gegeben hat (vgl. Pathe/Wagner in Bieneck, Handbuch des
Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. § 44 Rdn. 117;
Heinrich in MünchKomm-StGB § 19 KWKG Rdn. 7). Nach
der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Beschl. vom 26. Juni 2008 - AK
10/08) ist es indes nicht erforderlich, dass die Tätigkeit auf
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- 16 -
die Schaffung einer bislang mit ihren spezifischen Eigenschaften noch
nicht existenten Kriegswaffe abzielt (so aber LG Stuttgart NStZ 1997,
290 zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 KWKG). Eine derart enge Auslegung des
Tatbestandsmerkmals widerspricht auch bei "konventionellen"
Kriegswaffen - insbesondere vor dem Hintergrund der
verfassungsrechtlichen Verankerung der Kriegswaffenkontrolle in Art. 26
Abs. 2 GG - dem Regelungsziel des Kriegswaffenkontrollgesetzes (vgl.
hierzu Holthausen NJW 1991, 203) und wird dem Umstand nicht gerecht,
dass im Bereich der Kriegswaffenproduktion mittlerweile nicht das
"Erfinden" völlig neuer Waffen, sondern das Erlangen der
technologischen Voraussetzungen für eine Eigenproduktion
bereits bekannter Kriegswaffen im Vordergrund steht (vgl. OLG
Düsseldorf NStZ 2000, 378, 379; Holthausen NStZ 1997, 290;
ders. wistra 1998, 209; Pietsch NStZ 2001, 234). Dies gilt in
besonderem Maße für die Entwicklung von Atomwaffen;
gerade in diesem Bereich würde der Tatbestand seine
intendierte Bedeutung verlieren, wollte man die Beteiligung an einem
"Nachentwickeln" derartiger Waffen durch Staaten oder Organisationen,
die noch nicht im Besitz atomarer Sprengköpfe sind, aus dem
Bereich der Strafbarkeit herausnehmen (vgl. Heinrich aaO § 19
KWKG Rdn. 7). Unter den Begriff des "Entwickelns" von Atomwaffen im
Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KWKG fallen deshalb
sämtliche Maßnahmen zur Schaffung der
technologischen Voraussetzungen für eine eigene atomare
Kampfstoffproduktion einschließlich der Planung und
Errichtung von Produktionsanlagen (vgl. OLG Düsseldorf aaO).
Nach diesen Maßstäben machen es die vorliegenden
Beweismittel bei vorläufiger Bewertung wahrscheinlich, dass
zur Tatzeit im Iran Atomwaffen entwickelt wurden. Hierfür
sprechen insbesondere bereits die Erkenntnisse, die der BND in der
Stellungnahme vom Mai 2008 aufgezeigt hat. Bei dieser
Äußerung handelt es sich um ein
Behördenzeugnis und nicht um ein Behördengutachten,
denn Aufgabe des BND ist es in diesem Zusammenhang, den Beweisstoff
durch die Bekundung von ihm festgestellter Tatsachen darzulegen, und
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- 17 -
nicht auf der Basis bereits vorhandenen Tatsachenmaterials oder
angestellter Untersuchungen als Sachverständiger Bewertungen
abzugeben (vgl. Meyer-Goßner aaO § 256 Rdn. 5 f.).
Der BND hat nachvollziehbar dargelegt, nach seiner
Einschätzung seien im Iran Entwicklungsarbeiten an Kernwaffen
auch nach 2003 zu erkennen. Dies wird u. a. mit Erkenntnissen
über Beschaffungsaktivitäten des Iran unter
Beteiligung einschlägig bekannter Institutionen
bezüglich solcher Güter begründet, die der
Entwicklung von Kernwaffen dienen können. Der Wertung des
Oberlandesgerichts, diese Aussagen seien "überaus vage", ist
vor diesem Hintergrund nicht zu folgen. Dies gilt erst recht, nachdem
der BND seine Erkenntnis in einem weiteren - allerdings erst nach der
angefochtenen Entscheidung erstellten - Zeugnis vom 28. August 2008
spezifiziert und durch die Darlegung weiterer Indizien ergänzt
hat. So hat er etwa auf die Entwicklung eines neuen
Trägerraketensystems und die Gemeinsamkeiten der
Beschaffungsbemühungen des Iran und denjenigen von
Ländern mit bereits bekannten Atomwaffenprogrammen - wie z. B.
Pakistan und Nordkorea - hingewiesen.
Die Bedeutung dieser jedenfalls bei einer Gesamtschau gewichtigen
Indizien wird durch die sonstigen Beweismittel nicht derart
relativiert, dass der hinreichende Tatverdacht entfällt.
Insbesondere der vom Oberlandesgericht zur Begründung seiner
Auffassung herangezogene US-amerikanische National Intelligence
Estimate vom November 2007 macht aus den vom Generalbundesanwalt in
seiner Beschwerdebegründung vom 13. August 2008 zutreffend
ausgeführten Gründen (S. 3 ff.) die Verurteilung des
Angeklagten nicht unwahrscheinlich. Dasselbe gilt für die
aktenkundigen Äußerungen der Internationalen
Atomenergiebehörde.
30
- 18 -
Der Senat weist allerdings erneut ausdrücklich darauf hin,
dass für den hier zu beurteilenden hinreichenden Tatverdacht
die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung maßgebend ist. Ob
sich eine die Verurteilung des Angeklagten tragende
Überzeugung dahin gewinnen lässt, dass der Iran im
Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt hat, kann demgegenüber erst
aufgrund einer Bewertung der in der Hauptverhandlung
durchzuführenden Beweisaufnahme entschieden werden. In deren
Rahmen wird es unumgänglich sein, über die
Einführung der Behördenzeugnisse des BND hinaus auch
den in diesem Zusammenhang vom Generalbundesanwalt angebotenen
Zeugenbeweis zu erheben. Daneben wird es in besonderem Maße
erforderlich sein, die sonstigen erreichbaren Beweismittel zur
Aufklärung dieser Frage zu nutzen; denn es darf nicht verkannt
werden, dass es sich bei den Behördenzeugnissen des BND nur um
sekundäre Beweismittel handelt, welche die unmittelbaren
Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse und Bewertungen nicht
bzw. nicht vollständig offen legen und daher einer
vorsichtigen Beweiswürdigung unter Heranziehung der weiteren
zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten
bedürfen.
31
bb) Bei dem Tatbestand des Förderns i. S. d. § 19
Abs. 1 Nr. 2 KWKG handelt es sich um eine zur Täterschaft
erhobene selbstständige Form der Beihilfe. Er umfasst
diejenigen Hilfeleistungen, die unter § 27 Abs. 1 StGB
subsumiert werden können, und damit jede Handlung, welche die
Rechtsgutsverletzung des Haupttäters ermöglicht oder
verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert (vgl.
Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, KWKG
§ 19 Rdn. 5 m. w. N.; Pathe/Wagner aaO § 44 Rdn. 121
ff.; Holthausen NJW 1991, 203, 204).
32
Das Ergebnis der Ermittlungen macht es wahrscheinlich, dass der
Angeklagte durch das Vermitteln des Verkaufs und der Lieferung der
Hochgeschwindigkeitskameras in den Iran die dortige Entwicklung von
Atomwaffen in diesem
33
- 19 -
Sinne gefördert hat. Entgegen der Auffassung des
Oberlandesgerichts besteht insbesondere eine ausreichende
Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Kameras eine
militärische Verwendung finden sollten. Hierfür
sprechen vor allem deren spezifische, gerade für die
Entwicklung von Kernwaffen erforderliche Eigenschaften, die konkreten,
in hohem Maße aufwändigen und konspirativen
Umstände der Abwicklung des Geschäfts sowie die
sonstigen ermittelten Beschaffungsaktivitäten des
"Einkäufers" K. .
cc) Das Ermittlungsergebnis belegt schließlich in einem
für die Eröffnung des Hauptverfahrens ausreichendem
Maße den Vorsatz des Angeklagten. Diesem waren nach seiner
eigenen Einlassung die Verwendungsmöglichkeiten der Kameras im
militärischen Bereich bekannt. Er handelte bewusst unter
Verstoß gegen das Iran-Embargo und trug wesentlich dazu bei,
dass die Kameras in einem aufwändigen Verfahren auf
konspirative Weise in den Iran gelangten. Außerdem hielt er
sich regelmäßig im Iran auf. Diese und die weiteren,
vom Generalbundesanwalt in seiner Anklageschrift (S. 37 ff.)
aufgeführten Gesichtspunkte machen es wahrscheinlich, dass er
die Entwicklung von Atomwaffen im Iran und den Umstand, diese durch die
Vermittlung der Lieferung der Kameras zu fördern, jeweils
zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf
nahm.
34
dd) Ein hinreichender Tatverdacht dahin, dass der Angeklagte den in der
Anklageschrift nicht aufgeführten Qualifikationstatbestand des
§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG verwirklicht hat, besteht
auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vom Senat im
Zwischenverfahren veranlassten Beweiserhebung nicht.
35
§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG setzt voraus, dass durch die
Handlung des Täters die auswärtigen Beziehungen der
Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährdet werden. Der
Tatbestand ist - im Gegensatz etwa zu § 34
36
- 20 -
Abs. 2 Nr. 3, § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG, bei denen es
sich um abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte handelt (s. u.
II. 2. d) cc)) - vom Gesetzgeber, nachdem ursprünglich sogar
ein Verletzungsdelikt vorgesehen war (BTDrucks. 11/4609 S. 4, 9), als
konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet worden (vgl.
BTDrucks. 11/7221 S. 11). Daher genügt eine lediglich
potentielle Rechtsgutsgefährdung nicht. Notwendig ist
vielmehr, dass für das betroffene Schutzgut eine konkret
riskante Situation entsteht, bei der das Umschlagen in eine Verletzung
unmittelbar bevorsteht und deren Ausbleiben nur vom Zufall
abhängt (vgl. Pathe/Wagner aaO § 44 Rdn. 128;
Steindorf aaO KWKG § 19 Rdn. 13; Heinrich aaO § 19
KWKG Rdn. 19). Diese Feststellung bereitet bereits bei der
Gefährdung von Individualrechtsgütern im Einzelfall
regelmäßig Schwierigkeiten. Bei dem hier in Rede
stehenden, ein Rechtsgut der Allgemeinheit schützenden und
sprachlich weit gefassten Tatbestandsmerkmal ist sie in der Regel erst
recht schwer und kaum mit ausreichender Sicherheit zu treffen
(für § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ebenso Steindorf aaO
KWKG § 19 Rdn. 11). Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht
aus einer tatsächlich eingetretenen Störung auf eine
konkrete Gefährdung geschlossen werden kann (vgl. Heinrich aaO
§ 19 KWKG Rdn. 19).
Im Übrigen hat der Senat für das Tatbestandsmerkmal
"Eignung zur Gefährdung der auswärtigen Beziehungen
der Bundesrepublik Deutschland" (vgl. etwa § 34 Abs. 2 Nr. 3,
Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG), das sich von dem hier relevanten
allerdings durch den erforderlichen Grad der Intensität des
Angriffs auf das geschützte Rechtsgut unterscheidet, bereits
darauf hingewiesen, dass dieses sprachlich sehr weit gefasst und seine
Verwendung deshalb mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103
Abs. 2 GG in hohem Maße problematisch ist. Sowohl der
verfassungsrechtliche Kontext als auch Überlegungen auf der
Ebene des einfachen Gesetzes machen deshalb eine
einschränkende Auslegung notwendig (vgl. BGH, Beschl. vom 13.
Januar 2009 - AK 20/08, zur Veröf-fentlichung in BGHSt
vorgesehen). Diese Grundsätze gelten im Rahmen des §
37
- 21 -
19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG entsprechend. Nach dem
ausdrücklichen Wortlaut der Norm muss die Gefährdung
auch hier "erheblich" sein. Die Annahme des Tatbestandsmerkmals
führt zu einer deutlichen Verschärfung der
angedrohten Sanktion. Während der Grundtatbestand des
§ 19 Abs. 1 KWKG Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu
fünf Jahren vorsieht, reicht der Strafrahmen des § 19
Abs. 2 KWKG von zwei bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Das Rechtsgut
der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland
steht schließlich in einer Reihe mit den besonders
gewichtigen Schutzgütern der Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland und dem friedlichen Zusammenleben der Völker
(§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b KWKG).
Hieraus folgt, dass eine erhebliche Gefährdung der
auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nur
dann vorliegt, wenn anhand konkreter tatsächlicher
Umstände festzustellen ist, dass die Bundesrepublik
Deutschland durch die Tat in eine Lage gebracht werden kann, die es ihr
unmöglich macht oder ernsthaft erschwert, ihre Interessen an
gedeihlichen Beziehungen zu anderen Staaten zu wahren. Dies ist
beispielsweise der Fall, wenn aufgrund der Tat Akte starker
diplomatischer Missbilligung, eine feindselige Kampagne der
führenden Medien eines wichtigen Landes der
Völkergemeinschaft oder eine Verurteilung der Bundesrepublik
Deutschland in inter- bzw. supranationalen Gremien nahe liegend zu
erwarten sind. Demgegenüber reicht nicht jede
mögliche negative Reaktion eines fremden Staates, wie z. B.
eine bloße Demarche, für sich allein bereits aus
(vgl. BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, zur
Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen m. w. N.).
38
In diesem Sinne kann eine Gefährdung der auswärtigen
Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel dann in
Betracht kommen, wenn Atomwaffen oder zu deren Entwicklung bzw.
Herstellung geeignete Güter unter Verletzung von
völkerrechtlichen Verträgen oder
Embargo-Vereinbarungen vom
39
- 22 -
Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aus in andere Staaten,
insbesondere einen militärischen Gegner eines
Bündnispartners der Bundesrepublik Deutschland gelangen.
Gleiches kann etwa gelten, wenn Waffen ausgeführt werden,
hinsichtlich derer sich die Bundesrepublik Deutschland im Wege der
internationalen Zusammenarbeit der Durchführung einer
gemeinsamen Exportkontrolle unterworfen hat, da ein illegaler Export
der Bundesrepublik Deutschland in diesen Fällen als
Vollzugsdefizit angelastet werden könnte (vgl. Heinrich aaO
§ 19 KWKG Rdn. 23).
Nach diesen Maßstäben machen es auch die vom
Auswärtigen Amt in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2009
mitgeteilten tatsächlichen Umstände nicht
wahrscheinlich, dass in der Hauptverhandlung die dargelegten
Tatbestandsvoraussetzungen nachgewiesen werden könnten. Das
Auswärtige Amt hat keine durch die vorliegende Tat
ausgelöste Reaktion eines fremden Staates oder eines inter-
bzw. supranationalen Gremiums mitgeteilt. Die von ihm dargelegten
Tatsachen reichen auch im Übrigen nicht aus, um von einer
durch die Handlung des Angeklagten verursachten Situation auszugehen,
bei der das Umschlagen in eine Verletzung in dem beschriebenen Sinn
unmittelbar bevorsteht und deren Ausbleiben nur vom Zufall
abhängt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der
aufgezeigten besonderen Aktivitäten der Bundesrepublik
Deutschland zur Befriedung der im Nahen und Mittleren Osten bestehenden
Konflikte und der besonderen Rolle, die das Empfängerland Iran
in der Staatengemeinschaft einnimmt. Soweit das Auswärtige Amt
zwei nicht den vorliegenden Fall betreffende kritische Zeitungsartikel
- einen amerikanischen aus dem Jahre 2008 und einen israelischen aus
dem Jahre 2007 - anführt, kommt diesen vereinzelten
Pressemeldungen hier keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. Bieneck in
Wolffgang/Simonsen, AWG § 34 Rdn. 63). Von besonderem Belang
ist demgegenüber, dass die Kameras aus Russland in den Iran
gelangten, ohne dass die deutschen Exportkontrollbehörden mit
diesem Vorgang in
40
- 23 -
irgendeiner Weise befasst waren. Der Angeklagte beging wesentliche
Tatbeiträge wie das Aushandeln der Einzelheiten des Vertrages
oder das Beschaffen einer geeigneten Endverbleibsbescheinigung in
Russland bzw. im Iran und damit im Ausland. Allein der Umstand, dass er
sich als deutscher Staatsbürger an dem Verbringen der Kameras
in den Iran beteiligte und einen Teil seiner Aktivitäten von
deutschem Staatsgebiet aus entfaltete, reicht vor dem Hintergrund der
Gesetzessystematik bei sachgerechter Bewertung der sonstigen
Umstände deshalb nicht aus, um einen hinreichenden Tatverdacht
bezüglich des Qualifikationstatbestandes anzunehmen.
d) Im Fall I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) besteht ein hinreichender
Tatverdacht für eine Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1
Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9 Satz 1, §
70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV.
41
aa) Nach § 69 o Abs. 9 AWV bedürfen
Maklerdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Ausfuhr
von Gütern im Sinne von Anhang II der Iranembargo-VO nach Iran
oder ihrer Herstellung und Verwendung im Iran, die innerhalb oder
außerhalb des Wirtschaftsgebiets von
Gebietsansässigen erbracht werden, der Genehmigung. Dieser
Genehmigungsvorbehalt entspricht demjenigen in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a
der Iranembargo-VO. Gemäß § 70 a Abs. 2 Nr.
9 AWV wird nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 AWG u. a. bestraft, wer ohne
Genehmigung nach § 69 o Abs. 9 Satz 1 Maklerdienstleistungen
erbringt. Die § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV
wurden am 21. August 2007 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Hieraus folgt, dass ein hinreichender Verdacht für eine
Strafbarkeit nach diesen strafbegründenden Vorschriften nur
dann bejaht werden kann, wenn der Angeklagte durch nach diesem
Zeitpunkt begangene Handlungen wahrscheinlich gegen den
Genehmigungsvorbehalt verstoßen hat. Hierzu gilt:
42
- 24 -
Das Ermittlungsergebnis macht es wahrscheinlich, dass die
Zählrohre für nukleare Zwecke konstruiert waren und
somit den in Anhang II Nr. IIA0.006 der Iranembargo-VO
aufgeführten nuklearen Nachweissystemen unterfielen.
43
Es bestehen ebenfalls ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte
dafür, dass der Angeklagte nach dem 21. August 2007 ohne die
erforderliche Genehmigung Maklerdienstleistungen im Sinne der genannten
Vorschriften erbrachte. Nach Art. 1 Buchst. f der Iranembargo-VO sind
als Maklerdienstleistungen Tätigkeiten von Personen,
Einrichtungen und Partnerschaften anzusehen, die als Vermittler beim
Kauf, beim Verkauf oder bei der Organisation des Transfers von
Gütern und Technologien tätig sind oder die
Transaktionen aushandeln oder organisieren, die den Transfer von
Gütern und Technologien beinhalten.
44
Die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien
waren zwar bereits vor dem 21. August 2007 getroffen. Es besteht jedoch
eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte,
der am 20. August 2007 in den Iran gereist war, noch in der Zeit danach
als Vermittler bei der Organisation des Transfers der Güter
tätig war, indem er mit der St. GmbH einerseits und den
iranischen Auftraggebern andererseits dessen Modalitäten
besprach und insbesondere über eine ausreichende
Endverbleibserklärung verhandelte. Dem Oberlandesgericht ist
dahin zuzustimmen, dass der Inhalt der als Beweismittel vorgelegten
EMails sowie der Telefonate, die der Angeklagte aus dem Iran
führte, isoliert betrachtet eher geringe
Rückschlüsse auf eine Maklertätigkeit des
Angeklagten während seines Aufenthalts im Iran
zulässt. Die vom Angeklagten von dort aus entfalteten
Bemühungen sind jedoch bei verständiger
Würdigung des Gesamtgeschehens als Fortsetzung der bereits
zuvor begonnenen, langwierigen und intensiven Tätigkeiten zu
sehen, die der Vorlage einer den Anforderungen des BAFA
genügenden Endverbleibserklärung dienten. Die
Problematik, dem BAFA eine plausible Endverwendung der
45
- 25 -
Detektoren vorzutäuschen, war für die beabsichtigte
Ausfuhr der Güter von zentraler Bedeutung und damit
wesentlicher Bestandteil der vom Angeklagten als Vermittler
für die Ausfuhr der Ware in den Iran noch zu leistenden
Tätigkeiten. Vor diesem Hintergrund belegen die in der
Anklageschrift aufgeführten Beweismittel bei einer Gesamtschau
noch ausreichend die Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte auch nach
dem 21. August 2007 Maklerdienstleistungen erbrachte. Ob sich insoweit
eine die Verurteilung tragende Überzeugung gewinnen
lässt, bleibt der Bewertung des Ergebnisses der in der
Hauptverhandlung durchzuführenden Beweisaufnahme vorbehalten.
bb) Der wahrscheinlichen Strafbarkeit des Angeklagten steht nicht
entgegen, dass er seine Tätigkeiten nach dem 21. August 2007
nicht in der Bundesrepublik Deutschland sondern im Iran erbrachte. Zum
einen erstreckt § 69 o Abs. 9 AWV den durch § 70 a
Abs. 2 Nr. 9 AWV strafbewehrten Genehmigungsvorbehalt
ausdrücklich auf Maklerdienstleistungen, die
außerhalb des Wirtschaftsgebiets, mithin des Geltungsbereichs
des Außenwirtschaftsgesetzes (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AWG),
von Gebietsansässigen erbracht werden. Als natürliche
Person mit Wohnsitz in Frankfurt am Main ist der Angeklagte
Gebietsansässiger (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 AWG). Zum anderen
bestimmt § 35 AWG, dass § 34 AWG, unabhängig
vom Recht des Tatorts, auch im Ausland gilt, wenn der Täter -
wie der Angeklagte - Deutscher ist.
46
Diese Erstreckung des Geltungsbereichs des materiellen deutschen
Strafrechts auf Auslandstaten verstößt nicht gegen
Art. 25 GG (aA Pottmeyer NStZ 1992, 57). Nach dieser Grundgesetznorm
sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des
Bundesrechts und gegenüber Vorschriften der einfachen Gesetze
vorrangig. Als allgemeine Regeln in diesem Sinne sind u. a. das Prinzip
der territorialen Souveränität und das
völkerrechtliche Interventionsverbot zu qualifizieren. Aus
diesen ergibt sich, dass es jedem Staat grundsätz-
47
- 26 -
lich untersagt ist, sich in Angelegenheiten einzumischen, die der
inneren Jurisdiktion eines anderen Staates unterliegen. Von dieser
Regel ist indes dann eine Ausnahme zu machen, wenn für die
Erstreckung der Strafbarkeit auf Auslandssachverhalte ein
legitimierender Anknüpfungspunkt vorliegt (vgl. BGHSt 27, 30,
32 ff.; 34, 334, 336). Eine derartige Legitimation für die
Strafbarkeitserstreckung auf Taten im Ausland ist dann gegeben, wenn
sie von einem der Prinzipien des internationalen Strafrechts gedeckt
ist. Nach der Staatenpraxis ist es grundsätzlich
zulässig, den sachlichen Anwendungsbereich einer Rechtsnorm
über den durch das eigene Hoheitsgebiet markierten
räumlichen Geltungsbereich hinaus auf Auslandssachverhalte zu
erstrecken, sofern zwischen dem normierenden Staat und dem von ihm
normierten Auslandssachverhalt eine "echte Verknüpfung"
gegeben ist. Diese Voraussetzung wird allgemein angenommen, wenn der
den Auslandssachverhalt regelnde Normtatbestand zugleich einen mit
diesem substantiell hinreichend verknüpften Inlandssachverhalt
betrifft (vgl. Holthausen NJW 1992, 214). Eine derartige ausreichende
Verknüpfung der Auslandserstreckung mit einem
Inlandssachverhalt ist im Außenwirtschaftsrecht aufgrund der
in Rede stehenden Schutzgüter der äußeren
Sicherheit und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik
Deutschland gegeben (vgl. Bieneck aaO § 35 Rdn. 10).
Darüber hinaus greift bei § 35 AWG auch das
Personalitätsprinzip ein, wonach jeder Staat über
seine Staatsangehörigen die Personalhoheit ausübt.
Diese verleiht ihm die Kompetenz, sie zu einem bestimmten Verhalten zu
verpflichten, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn sie sich
in fremdem Hoheitsgebiet aufhalten (vgl. Holthausen NJW 1992, 214,
215). Die bei der Regelung von Auslandssachverhalten entstehende
Kollision von Territorialitätsprinzip und
Personalitätsprinzip ist - jedenfalls im hier relevanten
Bereich des Außenwirtschaftsstrafrechts - in dem Sinne zu
lösen, dass die Staatsangehörigkeit des
Normadressaten als ausreichende Verknüpfung zu dem normierten
Auslandstatbestand anzusehen ist (vgl. Diemer in Erbs/Kohlhaas, Straf-
- 27 -
rechtliche Nebengesetze, AWG § 35 Rdn. 2; allg. BGH NJW 1969,
1542; NJW 1951, 769 f.; jeweils zu § 3 StGB aF; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. Vorbem
§§ 3-7 Rdn. 6; vgl. auch § 5 Nr. 3 Buchst.
a, Nr. 5 Buchst. b, Nr. 8, 9, 12, 13 StGB).
cc) Mit der Anklageschrift des Generalbundesanwalts ist davon
auszugehen, dass ein hinreichender Tatverdacht für eine
Erfüllung des Qualifkationstatbestands nach § 34 Abs.
6 Nr. 4 Buchst. c AWG nicht besteht; denn es ist nach dem
Ermittlungsergebnis nicht wahrscheinlich, dass die Handlungen des
Angeklagten geeignet waren, die auswärtigen Beziehungen der
Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Bei diesem
abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt ist - anders als etwa bei
§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG (s. o. II. 2. c) dd)) - der
tatsächliche Eintritt einer Gefährdung nicht
erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn die Tathandlung nach
den objektiven Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
die Gefährdung bewirken kann (vgl. Diemer aaO § 34
Rdn. 14, 35; Bieneck aaO § 34 Rdn. 62 ff.; Friedrich in
Hocke/Berwald/Maurer/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, AWG
§ 34 Rdn. 57; vgl. im Übrigen zu diesem
Tatbestandsmerkmal ausführlich BGH, Beschl. vom 13. Januar
2009 - AK 20/08, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
48
Dies ist aufgrund einer Gesamtschau der konkreten
Einzelfallumstände zu entscheiden. Ein wichtiges Indiz hierbei
ist, ob staatlichen deutschen Stellen ein Vorwurf daraus gemacht werden
kann, dass es zu dem Verstoß gegen die
außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen kommen konnte; denn
in diesen Fällen liegt es deutlich näher, dass die
Bundesrepublik Deutschland negativen Reaktionen anderer Staaten oder
internationaler Organisationen ausgesetzt ist, als bei
Fallgestaltungen, in denen den staatlichen Organen kein Fehlverhalten
anzulasten ist. Erst recht gilt dies, wenn diese durch ihr Eingreifen
eine verbotene oder ohne die erforderliche Genehmigung geplante
Lieferung eines Wirt-
49
- 28 -
schaftsgutes sogar verhindert haben. Daneben werden
regelmäßig die sonstigen Umstände wie etwa
Art und Menge der Ware, deren Verwendungsmöglichkeit und
-zweck, das konkrete Empfängerland etc. ebenso in die
Gesamtbetrachtung einzustellen sein wie Umfang und Gewicht der
konkreten außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik
Deutschland, die durch die Tat gefährdet werden
können.
Danach ist hier von wesentlicher Bedeutung, dass es dem Angeklagten
nicht gelungen ist, das BAFA und damit die deutsche
Exportkontrollbehörde durch die Vorlage einer den Tatsachen
nicht entsprechenden Endverbleibsbescheinigung zur Erteilung einer
Ausfuhrgenehmigung zu veranlassen, und die Durchführung des
Geschäfts maßgebend aus diesem Grunde gescheitert
ist. Deshalb liegt es - auch bei Berücksichtigung der
sonstigen tatsächlichen Umstände, wie sie das
Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2009
dargelegt hat - bei einer Gesamtbewertung aller relevanten
Gesichtspunkte nicht nahe, dass die erfolglose
Vermittlungstätigkeit des Angeklagten im Sinne eines
hinreichenden Tatverdachts ihrer Art nach typischerweise mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit geeignet war, Akte starker
diplomatischer Missbilligung oder Medienkampagnen gegen die
Bundesrepublik Deutschland in wichtigen Partnerländern oder
gar negative Reaktionen in einem inter- oder supranationalen Gremium
herbeizuführen.
50
3. Zuständig zur Durchführung des Hauptverfahrens ist
die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main
(§ 74 Abs. 1, § 74 c Abs. 1 Nr. 3 GVG). Die allein
nach § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG in Betracht kommende
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, zu dem
der Generalbundesanwalt die Anklage erhoben hat, ist nicht gegeben;
denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.
51
- 29 -
a) Soweit das Verfahren mit der Vermittlung der Lieferung der B.
-Kameras in den Iran ein Delikt nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz
betrifft, sieht § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG die erstinstanzliche
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts als Bundesgerichtsbarkeit
ausübendes Tatgericht nur bei Straftaten nach § 19
Abs. 2 Nr. 2 und § 20 Abs. 1 KWKG vor. Aus den dargelegten
Gründen (s. o. II. 2. c) dd)) ist der Angeklagte jedoch eines
Verstoßes gegen den im vorliegenden Fall allein in Betracht
kommenden § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG nicht hinreichend
verdächtig.
52
b) Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ergibt sich auch
nicht aus der angeklagten Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1
Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9, § 70 a
Abs. 2 Nr. 9 AWV (L. -Detektoren). Bei Straftaten nach dem
Außenwirtschaftsgesetz hängt die
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts - soweit im vorigen Fall
von Relevanz - u. a. davon ab, dass die Tat nach den Umständen
geeignet ist, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik
Deutschland erheblich zu gefährden (§ 120 Abs. 2 Nr.
4 Buchst. a GVG). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Der Senat
verweist insoweit auf seine Ausführungen zu dem
materiellrechtlichen Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 6
Nr. 4 Buchst. c AWG, hinsichtlich dessen jedoch Anklage nicht erhoben
worden ist und nach der Bewertung durch den Senat auch unter
Berücksichtigung des Ergebnisses der im Zwischenverfahren
durchgeführten Beweiserhebung kein hinreichender Tatverdacht
besteht. Soweit dort bestimmt ist, eine in § 34 Abs. 4 AWG
bezeichnete "Handlung" müsse geeignet sein, die
auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland
erheblich zu gefährden, während § 120 Abs. 2
Nr. 4 Buchst. a GVG darauf abstellt, ob diese Eignung der "Tat nach den
Umständen" zukommt, kommt dieser unterschiedlichen
sprachlichen Formulierung in der Sache hier keine maßgebende
Bedeutung zu.
53
- 30 -
Aus den entsprechenden Gründen wäre die
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch nicht durch die vom
Senat vorläufig eingestellte Tat (V. Ferngläser)
begründet gewesen.
54
4. Der zuständigen Strafkammer obliegt die nach § 76
Abs. 2 GVG zu treffende Entscheidung über ihre Besetzung in
der Hauptverhandlung (vgl. OLG Koblenz wistra 1995, 282;
Meyer-Goßner aaO § 76 GVG Rdn. 4 m. w. N.).
55
5. Mit der teilweisen Eröffnung des Hauptverfahrens entfallen
die vom Oberlandesgericht in dem angefochtenen Beschluss getroffene
Kosten- und Auslagenentscheidung sowie der Ausspruch über die
Entschädigung des Angeklagten für die erlittene
Untersuchungshaft.
56
Becker RiBGH Dr. Miebach befindet Pfister
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Sost-Scheible Schäfer |