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BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - 5 StR 70/06


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 26.10.2006 - 5 StR 70/06
5 StR 70/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
26.10.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26.10.2006
beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Dezember 2004 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts ließ sich der Angeklagte als Geschäftsführer der vom Rhein-Sieg-Kreis gegründeten R -S -A (RSAG) von dem gesondert Verfolgten T - einem vor allem im Rheinland tätigen und in diesem Zusammenhang auch in andere Bestechungsskandale (vgl. etwa zum „Kölner Müllskandal“ BGHSt 50, 299) verstrickten Müllunternehmer - mit 800.000 DM und ca. 2 Mio. DM dafür bestechen, dass er in den Jahren 1998 und 1999 in zwei Fällen pflichtwidrig dem Unternehmer T günstige Entscheidungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung in dem von ihm geführten Unternehmen durchsetzte. Das Landgericht hat jeweils besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit nach § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen und hierfür Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten sowie vier Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Angeklagte verschwieg den Erhalt der auf Schweizer Konten deponierten Bestechungsgelder bei seinen jeweiligen Steuererklärungen und hinterzog hierdurch in den Jahren
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1998 bis 2000 Einkommensteuer in Höhe von insgesamt etwa 1,7 Mio. DM (Einzelstrafen jeweils 180 Tagessätze).
Die Revision des Angeklagten ist aus den in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:
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1. Der Angeklagte war Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB:
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a) Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB ist, wer dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand können als „sonstige Stellen“ den Behörden gleichzustellen sein, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher bzw. kommunaler Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm“ des Staates erscheinen (vgl. BGHSt 49, 214, 219; BGHSt 50, 299, 303; je m.w.N.).
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b) Diese Voraussetzungen liegen bei der RSAG vor.
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Die RSAG ist nach den Feststellungen des Landgerichts auf dem Gebiet der Müllentsorgung und damit in einem Bereich der Daseinsvorsorge tätig; solche Tätigkeit wird von der Rechtsprechung seit jeher als öffentliche Aufgabe angesehen (BGHSt 50, 299, 303 m.w.N.). Die Voraussetzung besonders intensiver staatlicher bzw. kommunaler Steuerung hat das Landgericht unter ausführlicher Darstellung und Bewertung aller insoweit relevanten Gesichtspunkte tragfähig angenommen und dabei zutreffend namentlich auf folgende Gesichtspunkte abgestellt: die Alleingesellschafterstel-
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lung des Rhein-Sieg-Kreises, die Entstehung der RSAG durch Umwandlung aus einem öffentlich-rechtlichen Müllbeseitigungszweckverband, die Einbindung der RSAG in die Abfallpolitik des Rhein-Sieg-Kreises durch den Entsorgungsvertrag und die interne Beherrschung der Gesellschaft durch die öffentliche Verwaltung aufgrund entsprechender Gestaltung der GmbH-Satzung.
c) Der Einordnung der RSAG im Tatzeitraum als „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB stehen auch nicht die Ausführungen des Senats im Fall des sogenannten „Kölner Müllskandals“ (BGHSt 50, 299, 307) zum Problem erwerbswirtschaftlicher Teilnahme der öffentlichen Hand auf privatisierten Feldern der Daseinsvorsorge entgegen. Die RSAG ist im Tatzeitraum nicht wie andere rein private Marktteilnehmer allein erwerbswirtschaftlich tätig geworden. Der Rhein-Sieg-Kreis hat hier nicht einen Bereich der Daseinsvorsorge aus der Hand gegeben und seine Erledigung einem privaten, marktwirtschaftlichen Unternehmen überlassen; die RSAG war deshalb kein weiterer Wettbewerber unter anderen.
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Dies ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts insbesondere aus einer Gesamtschau folgender Umstände: Die Satzung der RSAG schrieb im Tatzeitraum - eine diesbezügliche Satzungsänderung erfolgte erst Ende 2000 - die Verfolgung rein gemeinnütziger Zwecke vor; Vermögen und Einnahmen der Gesellschaft durften nur für gemeinnützige Zwecke verwendet werden (§ 3 Abs. 4 der Satzung; vgl. hierzu auch BGHSt 31, 264, 276). Der Rhein-Sieg-Kreis erließ jährlich eine Gebühren- und Abfallentsorgungssatzung, die u. a. für Privathaushalte einen Anschluss- und Benutzungszwang zugunsten der RSAG enthielt. Der Umsatz der RSAG betraf zu ca. 70 % den Gebührenbereich, in dem die RSAG aufgrund von Vereinbarungen mit dem Rhein-Sieg-Kreis nur die zur Kostendeckung erforderlichen Aufwendungen ersetzt bekam. Eine Gleichstellung mit rein gewinnorientierten privaten Unternehmen kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht.
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d) Dass es für die Frage der Amtsträgereigenschaft auf das Tatzeitrecht und nicht - wie die Revision meint - auf das im Zeitpunkt der ersten Anstellung als Geschäftsführer geltende Recht ankommt, ergibt sich schon aus § 2 Abs. 1 StGB; „Tat“ in diesem Sinne ist die in § 332 Abs. 1 StGB umschriebene Tathandlung. Nur im Tatzeitpunkt muss die Amtsträgerstellung begründet sein. Diese ergibt sich aus der fortdauernden Anstellung als Geschäftsführer des Unternehmens. Eines weitergehenden späteren ausdrücklichen „Bestellungsaktes“ bedurfte es hingegen vorliegend nicht (vgl. auch BGHSt 43, 370, 380; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 11 Rdn. 20 a. E.).
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2. Dem Angeklagten stand bei der Erfüllung seiner Geschäftsführerpflichten in beiden Verurteilungsfällen ein Ermessen im Sinne von § 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB zu. „Ermessen“ in diesem Sinne meint nach der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift lediglich das Vorhandensein mehrerer rechtmäßiger Entscheidungsvarianten, unter denen der Amtsträger die Wahl hat, nicht ein Ermessen im strikt verwaltungsrechtlichen Sinne (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 332 Rdn. 6 m.w.N.). Mit der Regelung in § 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB geht es dem Gesetzgeber lediglich darum, die Beeinflussbarkeit bei einem derartigen Entscheidungsvorgang derjenigen bei zukünftigen rechtswidrigen Diensthandlungen gleichzusetzen.
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3. Fern liegen die Ausführungen der Revision zu einem unvermeidbaren Verbotsirrtum des Angeklagten. Jedenfalls nach der Änderung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) konnte der Angeklagte keinem begründeten Zweifel darüber unterliegen, dass er als Geschäftsführer einer großen kommunalen Eigengesellschaft Amtsträger im Sinne der §§ 331 ff. StGB sein kann; seine besonders herausgehobene Stellung in diesem wichtigen Amt begründete bei Zweifeln insoweit zumindest eine Erkundigungspflicht (vgl. hierzu Tröndle/Fischer aaO § 17 Rdn. 9 m.w.N.).
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4. Schließlich lässt die Strafzumessung keine Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hat alle für die Strafzumessung wesentlichen Gesichtspunkte erörtert und gewichtet; insbesondere hat es den Zeitablauf seit Tatbeginn, die besonderen Belastungen des Angeklagten durch das Verfahren sowie Alter und Gesundheitszustand hinreichend gewürdigt. Ansatzpunkte für eine nicht ausreichende Förderung des überaus schwierigen und komplexen Wirtschaftsstrafverfahrens, die in Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 MRK eine Kompensation erfordern würden, sind weder von der Revision vorgetragen noch sonst ersichtlich. Den engen Zusammenhang zwischen der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung durch Verschweigen der erhaltenen Bestechungsgelder hat das Landgericht hinreichend dadurch berücksichtigt, dass es für die ganz erheblichen Einkommensteuerhinterziehungen von jeweils über 500.000 DM lediglich Geldstrafen in Höhe von jeweils 180 Tagessätzen verhängt hat. Eine weitergehende Überprüfung der Strafzumessung des Tatrichters ist dem Revisionsgericht verwehrt.
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