BGH,
Beschl. v. 26.9.2002 - 3 StR 278/02
3 StR 278/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26. September 2002
in der Strafsache gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 26. September 2002 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 15. März 2002 im Gesamtstrafenausspruch
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und
bandenmäßigen Betruges in sieben Fällen
unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Hannover
vom 18. Dezember 2000 und Auflösung der dort gebildeten
Gesamtstrafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts
gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich des
Ausspruchs über die Gesamtstrafe Erfolg. Im übrigen
ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen beging der Angeklagte innerhalb von ca.
fünf Monaten insgesamt 20 gleichgelagerte Fälle des
gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263
Abs. 5 StGB) zum Nachteil der Deutschen Telekom AG.
13 dieser Fälle mit einem Gesamtschaden von ca. 607.000 DM
waren Gegenstand des Urteils des Landgerichts Hannover vom 18. Dezember
2000, durch das der Angeklagte zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: zweimal zwei Jahre, einmal ein Jahr und
elf Monate, viermal ein Jahr und neun Monate, einmal ein Jahr und sechs
Monate, einmal ein Jahr und fünf Monate, zweimal ein Jahr und
vier Monate, einmal ein Jahr und drei Monate, einmal ein Jahr und zwei
Monate) verurteilt worden war. Bei der Strafzumessung hatte die
Strafkammer zugunsten des Angeklagten dessen Geständnis, den
kurzen Tatzeitraum von vier Monaten und die gleichartige Tatbegehung
berücksichtigt.
Dem angefochtenen Urteil liegen die weiteren sieben Fälle mit
einem Gesamtschaden von ca. 394.000 DM zugrunde, für die
Einzelfreiheitsstrafen von einmal drei Jahren, einmal zwei Jahren und
drei Monaten, zweimal einem Jahr und elf Monaten, einmal einem Jahr und
drei Monaten sowie zweimal einem Jahr und zwei Monaten
verhängt worden sind. Bei der Zumessung der
Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren unter Einbeziehung der
früher verhängten Einzelstrafen hat die Strafkammer
zuungunsten des Angeklagten auf den hohen Gesamtschaden von
über einer Million DM sowie die durch die Vielzahl der
Fälle und die Art seiner Tatbeteiligung dokumentierte
Hartnäckigkeit der Rechtsverletzung abgestellt.
2. Der Gesamtstrafenausspruch hält rechtlicher
Überprüfung schon deswegen nicht stand, weil die
ungewöhnlich starke Erhöhung der Einsatzstrafe von
drei Jahren um vier Jahre die Besorgnis begründet, die
Strafkammer habe sich bei der Zumessung der Gesamtstrafe in zu starkem
Maße von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. BGH
StV 2000, 254 m. w. N.). Wesentlich kommt hinzu, daß die
Strafkammer den sehr engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang
zwischen den Straftaten nicht erkennbar berücksichtigt hat,
der im Regelfall ein enges Zusammenziehen der Gesamtstrafe nahelegt
(vgl. BGHR StGB § 54 I Bemessung 2; Schäfer, Praxis
der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 662 ff. m. w. N.). Alle 20 Straftaten
des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges erfolgten
nach demselben Schema innerhalb eines kurzen Zeitraums von nur
fünf Monaten und betrafen jeweils dieselbe
Geschädigte. Unter den gegebenen Umständen ist das
Verhältnis der Straftaten zueinander ein bestimmender
Zumessungsgrund, mit dem sich das Landgericht näher
hätte befassen müssen, zumal das Urteil vom 18.
Dezember 2000 ausdrücklich auf diesen Gesichtspunkt abgestellt
hatte und durch die neu hinzugekommenen Taten der Tatzeitraum nur
geringfügig ausgedehnt wurde. Die wiederholte Begehung
gleichartiger Taten kann auch Ausdruck einer von Tat zu Tat geringer
werdenden Hemmschwelle sein (vgl. BGHR StGB § 54 I Bemessung
2, 8). Daß dies dem Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung
bewußt war, läßt das Urteil nicht
erkennen. Die Erwägung, zum Nachteil des Angeklagten sei die
"durch die Vielzahl der Fälle ... dokumentierte
Hartnäckigkeit der Rechtsverletzung" zu werten, deutet auf das
Gegenteil hin.
Die Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, weil der
Gesamtstrafenausspruch lediglich wegen fehlerhafter Wertung aufgehoben
wurde. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht
in Widerspruch stehen, sind zulässig.
3. Da die Gesamtstrafe keinen Bestand haben kann, kommt es auf die von
der Revision aufgeworfene Frage nicht an, ob es einen Rechtsfehler
darstellt, daß die Strafkammer die - gemessen an der Zahl der
hinzugetretenen Einzeltaten und -strafen - deutlich
überproportionale Verschärfung der Gesamtstrafe nicht
begründet hat. Der Senat sieht aber - auch im Blick auf die
neue Verhandlung - Anlaß zu folgendem Hinweis:
Grundsätzlich ist der Richter bei der Bildung einer neuen
Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer
aufzulösenden Gesamtstrafe nur an die Feststellungen des
früheren Urteils zu den Einzelstrafen gebunden. Er hat zwar
auch deren Strafzumessungserwägungen zu
berücksichtigen, dagegen ist er in der eigentlichen Bemessung
der Gesamtstrafe frei. Insbesondere besteht keine Bindung an die
Gründe einer früheren Gesamtstrafenbildung. Die
Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe bestimmt sich nach der
gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 55 Abs.
1 Satz 1 StGB vorgeschriebenen zusammenfassenden Würdigung der
Täterpersönlichkeit und der festgestellten
Einzeltaten (vgl. BGHSt 7, 180, 182; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl.
§ 55 Rdn. 27; Stree in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 55 Rdn. 39).
Der Senat neigt aber zu der Auffassung, daß der Tatrichter,
wenn er - wie hier - bei einer nachträglichen
Gesamtstrafenbildung zu einer Verschärfung der
aufgelösten Gesamtstrafe gelangt, die in der Zahl und
Höhe der neu hinzutretenden Einzelstrafen sowie den sonstigen
für die Bildung der Gesamtstrafe bestimmenden Faktoren keine
ausreichende Erklärung findet, die Änderung des
Bewertungsmaßstabes anzusprechen und hierfür
nachvollziehbare Gründe zu nennen hat. Durch eine
entsprechende Begründung hätte die Strafkammer auch
dem sich aufdrängenden Eindruck entgegenwirken
können, das fehlende Geständnis hinsichtlich der
jetzt abgeurteilten sieben Taten sei für die
außergewöhnliche Verschärfung der
Gesamtfreiheitsstrafe mitbestimmend gewesen.
Tolksdorf RiBGH Dr. Miebach ist Pfister wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
Tolksdorf von Lienen Becker
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