BGH,
Beschl. v. 27.4.2001 - 3 StR 132/01
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
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StGB i.d.F. des 6. StrRG §§ 73 d, 282 Abs. 1, 263
Abs. 7
Der erweiterte Verfall kann nicht für solche
Vermögensgegenstände angeordnet
werden, die vor Inkrafttreten der mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz
geschaffenen
Verweisungsvorschriften des § 282 Abs. 1 StGB und des
§ 263
Abs. 7 StGB aus Urkundsdelikten oder Betrugstaten erlangt worden sind
(Anschluß
an BGHSt 41, 278).
BGH, Beschl. vom 27. April 2001 - 3 StR 132/01 - LG Itzehoe
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 132/01
vom
27. April 2001
in der Strafsache
gegen
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alias:
alias:
wegen Urkundenfälschung u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. April
2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Itzehoe vom 24. November 2000 wird mit der Maßgabe als
unbegründet
verworfen, daß der Ausspruch über den Verfall
aufgehoben
wird und dessen Anordnung entfällt. Im übrigen hat die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im
übrigen
wegen Urkundenfälschung in 15 Fällen, davon in sechs
Fällen in Tateinheit mit
Beihilfe zum Betrug, in vier Fällen in Tateinheit mit Beihilfe
zum versuchten
Betrug und in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Unterschlagung
zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es den
Verfall eines
Geldbetrages von 3.000 DM angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die
Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist zum
Schuld- und Strafausspruch
unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Die Anordnung
des Verfalls kann
jedoch keinen Bestand haben.
Nach den Feststellungen wirkte der Angeklagte ab Mitte November 1997
bis zum 3. Juni 1998 an der Herstellung gefälschter
Ausweisdokumente, Mel-
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debestätigungen, Aufenthaltserlaubnissen usw. mit,
für die die Auftraggeber,
die diese Urkunden auf betrügerische Weise verwenden wollten,
in der Regel
etwa 250 DM je Dokument zu zahlen hatten. Der Angeklagte, der
für seine Mitwirkung
an der Herstellung in der Regel etwa 75 DM je Dokument als seinen
Anteil am Erlös erhielt, wollte sich hierdurch eine dauerhafte
und nicht unerhebliche
Einnahmequelle verschaffen. Das Landgericht ist davon ausgegangen,
daß der Angeklagte von November 1997 bis zum 3. Juni 1998 in
mehr als
100 Fällen einen Erlös von insgesamt mindestens 6.000
DM erzielt hat. Unter
Berücksichtigung der gegenwärtigen wirtschaftlichen
Verhältnisse des Angeklagte
hat das Landgericht den Verfall von 3.000 DM angeordnet, die Anordnung
hat es auf §§ 73, 73 a und 73 d StGB
gestützt.
Unklar bleibt schon, in welchem Umfang das Landgericht seine Anordnung
auf §§ 73, 73 a StGB stützen wollte, da es
keiner einzigen der abgeurteilten
Taten einen bestimmten Erlös zugeordnet hat, obwohl es u.U.
möglich
wäre, in Einzelfällen bestimmte Geldbeträge
als Gewinn dem Angeklagten zuzuordnen.
Indes könnten der Anordnung des Verfalls nach § 73
StGB gemäß
§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB jeweils
Schadensersatzansprüche der durch die konkreten
Taten betroffenen Geschädigten entgegenstehen, so
daß eine solche
Anordnung deshalb unterbleiben müßte.
Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe legt jedoch die
Annahme
nahe, daß das Landgericht der Sache nach seine
Verfallsanordnung insgesamt
auf § 73 d StGB gestützt hat. Bei der Anordnung des
erweiterten Verfalls müssen
die Vermögensgegenstände nicht aus den konkret
abgeurteilten Taten
stammen, § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB gilt für ihn nicht
(vgl. Lackner/Kühl, StGB
23. Aufl. § 73 d Rdn. 3 m.w.Nachw.). Es reicht vielmehr aus,
wenn die festgestellten
Umstände die Annahme rechtfertigen, daß die
Gegenstände für
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rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind, und
daß der Tatrichter
die Überzeugung von ihrer deliktischen Herkunft gewinnen kann,
ohne daß
diese Herkunft im einzelnen festgestellt werden
müßte. Diese Überzeugung hat
sich das Landgericht fehlerfrei verschafft. Dennoch durfte es die
Verfallsanordnung
nicht auf § 73 d StGB stützen, weil § 73 d
StGB in der überwiegenden
Anzahl der Fälle zur Zeit der Tatbegehung bei § 267
StGB und bei § 263 StGB
keine Anwendung fand. § 73 d StGB ist nämlich nur auf
solche rechtswidrige
Taten anwendbar, die nach einem Gesetz begangen werden, das auf die
Möglichkeit
der erweiterten Verfallsanordnung nach § 73 d StGB verweist.
Die Vorschriften des § 263 Abs. 7 StGB und des § 282
Abs. 1 StGB
i.V.m. § 267 StGB, die auf § 73 d StGB für
den Fall verweisen, daß der Täter
beim Betrug oder bei der Urkundenfälschung als Mitglied einer
Bande oder
- wie vorliegend - gewerbsmäßig handelt, sind erst
durch Art. 1 Nr. 58 und 71
des 6. StrRG in das Strafgesetzbuch eingefügt worden (vgl.
BTDrucks. I 1998
S. 164, 178 f., 180); sie sind erst mit diesem Gesetz am 1. April 1998
in Kraft
getreten. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils
umfaßt der den
abgeurteilten Taten und der Verfallsanordnung zugrunde liegende
Tatzeitraum
die Zeit von Mitte November 1997 bis zum 3. Juni 1998.
Gegenstände, die aus
Betrugstaten oder Urkundendelikten vor dem 1. April 1998 stammen, werden
von § 73 d StGB aber nicht erfaßt. Das folgt aus dem
Rückwirkungsverbot.
Denn der Grundsatz, daß die Strafe und ihre Nebenfolgen sich
nach dem Gesetz
bestimmen, das zum Zeitpunkt der Tat gilt, ist nach § 2 Abs. 5
i.V.m.
Abs. 1 StGB auch auf den Verfall anzuwenden. Das hat der Senat bereits
grundsätzlich anläßlich der
Einführung des erweiterten Verfalls in das Strafgesetzbuch
durch das am 22. September 1992 in Kraft getretene OrgKG entschieden
(BGHSt 41, 278, 273 f.). Für die Fälle, in denen
über den ursprünglichen
vom OrgKG geschaffenen Umfang hinaus in späteren Gesetzen der
An-
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wendungsbereich des § 73 d StGB auf weitere
Tatbestände erstreckt worden
ist, gilt nichts anderes.
Ausweislich der Urteilsgründe sind schon eine Reihe der
abgeurteilten
Taten, nämlich die Fälle II 4, 6, 7, 8, 10, 11, 16,
vor dem 1. April 1998 nicht nur
begangen, sondern auch beendet worden. Bei den Taten, die erst nach dem
1. April 1998 beendet wurden, weil die gefälschten Dokumente
noch nach diesem
Datum weiter verwendet wurden, muß zu Gunsten des
Angeklagten, der
zu den Taten lediglich durch Mitwirkung bei der Herstellung der
falschen Urkunden
Beihilfe geleistet hat, davon ausgegangen werden, daß er
seinen Tatbeitrag
vor dem 1. April 1998 geleistet und auch seinen Anteil am
Erlös aus
dem Verkauf der Dokumente vor diesem Stichtag erhalten hat, so
daß auch in
diesen Fällen § 73 d StGB keine Anwendung finden
kann. Damit ist der Verfallsanordnung
insgesamt die Grundlage entzogen und diese aufzuheben.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Winkler Becker |