BGH,
Beschl. v. 27.4.2004 - 1 StR 165/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 165/03
vom
27.04.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen Betrugs u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27.04.2004
gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten R. , Dr. P. ,
Dr. St. und Dr. Sch. wird das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 3. Dezember 2002
a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es diese Angeklagten
betrifft;
b) hinsichtlich der Mitangeklagten und Nichtrevidenten
Dr. Ra. und Dr. K. im Schuldspruch dahin geändert,
daß die Verurteilungen wegen tateinheitlich begangenen
Betruges
in den Fällen B. I. 2. Taten 1 - 8 (Dr. Ra. ) und B. II.
2. Taten 1 - 25 (Dr. K. ) des zweiten Abschnitts der
Urteilsgründe
jeweils entfallen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 3 -
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Beihilfe zum Betrug
in 66 Fällen sowie wegen Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe
zur Untreue in weiteren
108 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
sechs Monaten
verurteilt. Den Angeklagten Dr. P. hat es wegen Betrugs in elf
Fällen
sowie wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in weiteren 22
Fällen zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten sowie der Gesamtgeldstrafe von
330 Tagessätzen verurteilt. Die Vollstreckung der
Gesamtfreiheitsstrafe wurde
zur Bewährung ausgesetzt. Die Angeklagten Dr. St. und Dr. Sch.
wurden
wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in 26 Fällen (Dr. St.
) und
23 Fällen (Dr. Sch. ) jeweils zu Gesamtgeldstrafen von 600
Tagessätzen
verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der
Sachrüge;
die Angeklagten Dr. P. , Dr. R. und Dr. Sch. erheben zudem
Formalrügen.
Die Mitangeklagten Dr. Ra. und Dr. K. revidieren nicht.
Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, der teilweise
auf die
Mitangeklagten zu erstrecken ist (§ 357 StPO). Auf die
Verfahrensrügen kommt
es danach nicht mehr an.
I.
Nach den Urteilsfeststellungen lieferte der Angeklagte R. den
Mitangeklagten
- allesamt kassenärztlich zugelassene Augenärzte -
Augenlinsen
und Medikamente, die diese für die von ihnen ambulant
durchgeführten Operationen
zur Behandlung des Grauen Star benötigten. Um eine dauerhafte
Geschäftsbeziehung
zu den Mitangeklagten zu sichern, bot R. ihnen umsatzbezogene
Rückvergütungen („kick-backs“)
an, die von ihnen angenommen und
in bar an sie ausgezahlt wurden. Die später für die
verbrauchten Linsen und
- 4 -
Medikamente den „Kostenträgern
(Kassenärztliche Vereinigungen, gesetzliche
Krankenkassen)“ belasteten Beträge enthielten die
jeweiligen Rabattanteile der
Ärzte und waren insoweit überhöht. Das
Landgericht hat dies im Tatkomplex
„Augenlinsen“ als Betrug zum Nachteil der
jeweiligen Kostenträger; im Tatkomplex
„Medikamente“ - wegen der unterschiedlichen
Abrechnungsweise - als
Untreue in Tateinheit mit Betrug, jeweils begangen durch die
Ärzte als Täter
gewertet. Die Tatbeiträge R. s hat es im Tatkomplex
„Augenlinsen“ als Beihilfe
zum Betrug, im Tatkomplex „Medikamente“ als
Mittäterschaft des Betrugs
angesehen. Im Hinblick auf das Fehlen einer
Vermögensbetreuungspflicht in
seiner Person (§ 28 StGB) hat es hinsichtlich der
tateinheitlich verwirklichten
Untreue im Tatkomplex „Medikamente“ lediglich eine
Gehilfenstellung R. s
angenommen.
II.
Die von Amts wegen gebotene Überprüfung der
Verfahrensvoraussetzung
einer ordnungsgemäßen Anklage (BGHR StPO §
200 Abs.1 Satz 1 Tat 1,
2, 3 und 18) deckt ein Verfahrenshindernis nicht auf. Mängel
der Anklageschrift,
die die Informationsfunktion betreffen, berühren deren
Wirksamkeit
nicht (vgl. Tolksdorf in KK 5. Aufl. § 200 Rdn. 34).
III.
Demgegenüber halten die Schuldsprüche rechtlicher
Nachprüfung nicht
stand.
- 5 -
1. Tatkomplex „Augenlinsen“ (Revidenten R. und Dr.
P. ; Nichtrevidenten
Dr. Ra. und Dr. K. )
Nach den Feststellungen bestellten die Augenärzte Dr. Ra. ,
Dr. K.
und Dr. P. „bzw. deren Praxispersonal“, die von
ihnen benötigten Augenlinsen
bei Bedarf bei der R. oHG. Die Lieferungen erfolgten über den
gutgläubigen
Apotheker V. . Der vorher zwischen R. und den Augenärzten
abgesprochene Preis orientierte sich an dem von den gesetzlichen
Krankenkassen
und kassenärztlichen Vereinigungen als marktüblich
eingestuften Betrag.
Diesen Betrag wies R. in der von ihm dem Apotheker V. gestellten
Rechnung als anzusetzenden Verkaufspreis aus. V. berechnete diesen
Betrag
den Augenärzten weiter. Im Rahmen ihrer
turnusmäßigen, einzelfall-, das
heißt patientenbezogenen Abrechnungen gegenüber den
„jeweiligen Kostenträgern“
ließen sich die Augenärzte diesen Betrag erstatten.
Nach dem geltenden
„Kostenerstattungsprinzip“ standen ihnen indessen
nur die tatsächlich verauslagten
Kosten zu.
Das Landgericht hat dies im Ansatz rechtlich zutreffend als
Täuschungshandlung
der Ärzte im Sinne des Betrugstatbestandes zum Nachteil
„der Kostenträger“ bewertet, weil die
Abrechnung des vollen Preises je Augenlinse
die stillschweigende Erklärung enthielt, daß diese
Kosten tatsächlich und
endgültig angefallen waren. Diese Erklärung war
falsch, weil sie die „kickback“-
Zahlungen unberücksichtigt ließ.
a) Die weitergehenden Feststellungen sind jedoch nicht hinreichend
individualisiert.
Sie begegnen zudem hinsichtlich der Anzahl der Einzeltaten
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 6 -
Auch bei einer Tatserie ist es erforderlich, die Einzelakte so konkret
und
individualisiert zu ermitteln und festzustellen, daß sich
daraus die Verwirklichung
des objektiven und subjektiven Tatbestands für jede Einzeltat
ergibt (vgl.
BGHSt 40, 374, 376; 36, 320, 321; BGHR StGB § 263 Abs. 1
Täuschung 9 und
11). Sind nicht alle Einzelakte konkret feststellbar, so sind
jedenfalls Mindestfeststellungen
zu treffen, die - bei Zugrundelegung des Zweifelssatzes - auch
auf tragfähigen Schätzgrundlagen beruhen
können (vgl. BGHSt 10, 208; BGHR
StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1; BGH NStZ 1999, 581).
Handelt es sich um Serienstraftaten des Betruges, müssen die
Urteilsgründe
regelmäßig darlegen, wer die schädigende
Verfügung getroffen hat und
welche Vorstellungen er dabei hatte. Dabei kann die tatrichterliche
Überzeugung
von betriebsinternen Vorgängen, insbesondere bei arbeitsteilig
tätigen
Unternehmen oder Körperschaften, je nach den
Umständen, auch durch Vernehmung
etwa eines Abteilungsleiters gewonnen werden (vgl. BGHR StGB
§ 263 Abs. 1 Irrtum 14). Die pauschale Feststellung des
Landgerichts (UA
S. 27) „der/die Mitarbeiter(in) des jeweiligen
Kostenträgers, dem/der die tatsächlichen
Umstände verborgen blieb, veranlaßte irrtumsbedingt
die Auszahlung
der geltend gemachten Sachkosten an den Augenarzt“
genügt diesen Anforderungen
hier nicht. Die Urteilsgründe lassen Ausführungen zum
regelmäßigen
internen Ablauf bei den „jeweiligen
Kostenträgern“ vermissen, aus denen
sich eine täuschungsbedingte
Vermögensverfügung zugunsten der Ärzte
ergeben
könnte. Insoweit entbehren die Feststellungen auch einer
ausreichenden
Beweisgrundlage. Die Urteilsgründe ergeben nicht, aufgrund
welcher Beweismittel
die Kammer ihre Überzeugung von einer
täuschungsbedingten Vermögensverfügung
durch den „jeweiligen Mitarbeiter“ gewonnen hat.
Soweit Mitar-
7 -
beiter von Leistungsträgern vernommen wurden, geschah dies
ersichtlich zu
anderen Beweisthemen (UA S. 54).
Die Urteilsgründe verhalten sich auch nicht dazu, welche
Leistungsträger
konkret geschädigt worden sind. So bleibt offen, ob der
Schaden bei den
kassenärztlichen Vereinigungen oder den gesetzlichen
Krankenkassen eingetreten
ist (UA S. 27). Soweit die gesetzlichen Krankenkassen
Geschädigte
sind, fehlt es an Feststellungen, um welche Krankenkassen es sich
handelt. Es
liegt auch nahe, daß mehrere (Ersatz-)Kassen betroffen sein
können.
b) Hinsichtlich des Angeklagten Dr. P. stellt die Strafkammer - im
Rahmen der Beweiswürdigung- zwar fest, dieser habe die
Augenlinsen quartalsmäßig
gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung Bayern
abgerechnet
(UA S. 50). An anderer Stelle geht die Kammer aber ersichtlich davon
aus, daß
die jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen getäuscht und zur
schädigenden
Vermögensverfügung veranlaßt worden seien
(UA S. 67 f.). Es bleibt somit unklar,
ob insoweit die kassenärztliche Vereinigung
Geschädigte war oder diese
lediglich eine durch Dr. P. begangene Täuschung an die
gesetzliche
Krankenkasse vermittelte, die dann eine eigene schädigende
Vermögensverfügung
traf.
Es bleibt offen, ob jedenfalls Mindestfeststellungen zur Ermittlung der
Geschädigten möglich waren. Die Kammer führt
aus, daß hinsichtlich des Angeklagten
Dr. Ra. und Prof. T. /Frau T. die jeweils geschädigte
Krankenkasse nicht festgestellt werden konnte (UA S. 52). Ob dies auch
für die
durch die übrigen Angeklagten Geschädigten gilt,
bleibt offen. Überdies bezieht
sich die Kammer in diesem Zusammenhang auf Angaben des Zeugen
- 8 -
KHK E. über erfolglos gebliebene Durchsuchungen (UA S. 52).
Alledem
entnimmt der Senat, daß Erhebungen über den
Schadensumfang bei den potentiell
geschädigten Krankenkassen durchgeführt worden sind.
Daß Feststellungen
dazu von vorneherein aussichtslos gewesen wären, ist schon
deshalb
nicht ersichtlich, weil z.B. die AOK Bayern im Zusammenhang mit den
Tatvorwürfen
konkret bezifferte Schadensersatzansprüche (900.000 DM)
gegenüber
dem Angeklagten Dr. K. geltend macht (UA S. 14). Dem Urteil
läßt sich auch
nicht entnehmen, daß die unterbliebene Feststellung der
einzelnen Geschädigten
auf einer Anwendung des Zweifelssatzes beruht (vgl. BGH, Urteil vom 22.
April 2004 - 3 StR 28/04). Soweit die Kammer auf eine
turnusmäßige Abrechnung
abstellt (UA S. 69), ist dies auch erst nach Ausschöpfung
aller Feststellungsmöglichkeiten
zulässig.
Darüber hinaus fehlen Feststellungen zum konkreten
Geschäftsablauf
innerhalb der Arztpraxen im Zusammenhang mit der Erstellung der
turnusmäßigen
(monatlichen oder quartalsmäßigen) Abrechnungen. So
bleibt offen, ob
der jeweilige Augenarzt die Abrechnungen selbst vornahm oder dies -
näherliegend
- nach allgemeiner Anweisung seinem Praxispersonal
überließ, was
Einfluß auf die Zahl der Einzeltaten haben kann.
Der Senat kann deshalb trotz des rechtsfehlerfrei festgestellten
Gesamtschadens
nicht ausschließen, daß der Angeklagte auch bei
unverändertem
Schuldumfang durch die unterbliebenen Feststellungen beschwert ist.
Eine von
den bisherigen Feststellungen abweichende (höhere) Anzahl von
Einzeltaten
kann sich auf die hierfür zu verhängenden
Einzelstrafen auswirken. Da hieraus
eine Gesamtstrafe zu bilden sein wird, kann der Strafausspruch nicht
bestehen
- 9 -
bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01 -
insoweit in
NStZ 2002, 30 und StV 2002, 21 nicht abgedruckt).
c) Auch hinsichtlich des Angeklagten R. , der jeweils wegen Beihilfe
zu den Betrugshandlungen der Angeklagten Dr. Ra. , Dr. K. und
Dr. P. verurteilt worden ist, begegnet das Urteil durchgreifenden
rechtlichen
Bedenken. Die Kammer hat die Tathandlungen R. s nicht ausreichend
tragfähig festgestellt. Sie hat insoweit die Beihilfetaten R.
s mit den Haupttaten
der Mitangeklagten Dr. K. , Dr. Ra. und Dr. P.
anzahlmäßig
gleichgesetzt. Dabei hat sie nicht bedacht, daß bei mehreren
Tätern oder Tatbeteiligten
für jeden gesondert nach seinem eigenen Tatbeitrag zu
beurteilen
ist, durch wie viele Handlungen im Sinne von §§ 52,
53 StGB er die Tat gefördert
oder begangen hat (st. Rspr. vgl. nur BGHR StGB § 52 Abs.1 in
dubio pro
reo 7; BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02; BGH,
Beschluß vom
30. März 2004 - 1 StR 99/04). Die einzelnen
Tatbeiträge R. s hat sie - von
pauschalen Feststellungen zur allgemeinen Vorgehensweise und zum Tatplan
abgesehen (vgl. dazu BGHR StGB § 266 Mindestfeststellungen 1)
- nicht näher
festgestellt. Daß die Tatbeiträge R. s
anzahlmäßig den Tathandlungen der
Augenärzte entsprechen, liegt schon deshalb fern, weil dieser
mit den turnusmäßigen
Abrechnungen, in denen die Kammer im Grundsatz rechtsfehlerfrei
die Tathandlungen der Ärzte erblickt hat, nichts zu tun hatte.
Die Tatbeiträge
R. s bestanden demgegenüber in den Lieferungen der
Augenlinsen, der
Inrechnungstellung überhöhter Verkaufspreise und der
Auszahlung der „kickbacks“
aufgrund des zuvor abgesprochenen Tatplans. In wie vielen Einzelakten
dies geschah, ist nicht festgestellt. Ohne die
überhöhten Rechnungen R. s
hätten die Ärzte die Täuschung nicht
durchführen können. Ob diese Tatbeiträ-
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ge als Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zu bewerten
sind, wird deshalb
ebenfalls einer erneuten Überprüfung unterliegen.
2. Tatkomplex „Medikamente“
a) Nach den dazu getroffenen Feststellungen bestellten die
Augenärzte
die von ihnen benötigten Medikamente bei R. im Wege
kassenärztlicher
Verordnung. Die Auslieferung erfolgte über den Apotheker V. ,
bei dem das
Rezept verblieb. Anschließend reichte V. die Rezepte mit den
von R.
vorgegebenen überhöhten Preisen einmal monatlich bei
der Verrechnungsstelle
für Apotheker in München ein, die eine Aufteilung auf
die jeweils betroffenen
Krankenkassen vornahm. Diese überwiesen den fälligen
Betrag an die Verrechnungsstelle,
die ihn wiederum an V. auszahlte.
b) Die Strafkammer hat dies im Grundsatz zutreffend als Untreue der
angeklagten Ärzte zum Nachteil der jeweiligen Krankenkassen
gewertet. Das
ergibt sich aus ihrer besonderen Stellung als Vertragsärzte
der gesetzlichen
Krankenkassen. Die Kassenärzte treten bei der Verordnung von
Arzneimitteln
als Vertreter der Krankenkasse auf und geben mit Wirkung für
und gegen die
Krankenkasse Willenserklärungen zum Abschluß eines
Kaufvertrages über die
verordneten Medikamente ab (vgl. BGH, Beschluß vom 25.
November 2003 -
4 StR 239/03 - zum Abdruck in BGHSt vorgesehen = NJW 2004, 454 = NStZ
2004, 276 = wistra 2004, 143).
Der Tatbestand der Untreue ist danach hier durch Mißbrauch
der Vertretungsmacht
erfüllt. Die einzelnen Mißbrauchstaten wurden nach
dem festgestellten
Grundkonzept von den Augenärzten im Zusammenwirken mit dem An-
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geklagten R. dadurch begangen, daß sie die Verordnungen
über den Praxisbedarf
ausstellten und dem Apotheker V. mit übersetzten Preisangaben
durch R. zuleiten ließen. Dadurch verpflichteten sie die
Krankenkassen, zu
deren Lasten die Verordnungen ausgestellt wurden, die
übersetzten Preise an
V. zu zahlen und fügten ihnen durch Mißbrauch ihrer
Vertretungsmacht
Nachteile im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB in Form der
schadensgleichen Vermögensgefährdung
zu. Da die Vorlage der Verordnung mit den Preisvorgaben
in Kenntnis oder Erwartung der Rückvergütungen
erfolgte, lag darin jeweils ein
Verstoß gegen die Vermögensbetreuungspflicht, weil
die verordneten Medikamente
- wie die Ärzte wußten - um die Rabattanteile
überteuert waren (vgl.
BGHSt 47, 295, 298 f.).
Der von der Strafkammer angenommene, jeweils tateinheitlich begangene
Betrug zum Nachteil des Apothekers V. , liegt demgegenüber
nicht vor.
Es fehlt an einer schadensgleichen
Vermögensgefährdung gegenüber dem
Apotheker. Der Apotheker, der sich an die ärztliche Verordnung
hält, ist in seinem
Vertrauen auf Bezahlung des Kaufpreises durch die Krankenkasse
geschützt
(vgl. BSG SozR 3-2500 § 132a Nr.3). Von - hier nicht in
Betracht kommenden
- Ausnahmefällen abgesehen, ist er nicht verpflichtet, zu
überprüfen,
ob die ärztliche Verordnung sachlich richtig ist. Die
jeweilige Krankenkasse
kann dem Apotheker Einwendungen, die die ärztliche Verordnung
betreffen,
regelmäßig nicht entgegenhalten; ihr steht insoweit
kein Leistungsverweigerungsrecht
zu (BSGE 77, 194, 206). Zu einer anderen rechtlichen Bewertung
geben die bisher von der Kammer getroffenen Feststellungen zu den
vertraglichen
Beziehungen zwischen Landesapothekerverein und Ortskrankenkasse
Baden-Württemberg (vgl. UA S. 54) keinen Anlaß. Die
Verordnungen waren
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formal ordnungsgemäß ausgestellt. Auch handelte es
sich nicht um Fälschungen.
Da der Kaufvertrag zwischen dem Apotheker V. und der jeweiligen
Krankenkasse unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter und
Zuleitung
des Rezeptes über R. mit überhöhten Preisen
zustandekam, kann
dahinstehen, ob die zeitlich nachfolgende Vorlage des Rezeptes durch den
Apotheker als Tatmittler den Betrugstatbestand, sei es zum Nachteil der
Krankenkassen
oder der Apothekerverrechnungsstelle, erfüllt. Ein solcher
Betrug
wäre unter den hier vorliegenden Umständen jedenfalls
mitbestrafte Nachtat
der vorangegangen Untreue (vgl. BGHSt 6, 67; BGHR StGB § 263
Abs. 1 Täuschung
10). Sollte der neue Tatrichter insoweit ein betrügerisches
Verhalten
der Ärzte feststellen, das in deren Person als mitbestrafte
Nachtat der Untreue
anzusehen ist, so bleibt eine strafbare Tatbeteiligung R. s an dieser
Nachtat
- auch in Form der Mittäterschaft - grundsätzlich
möglich (vgl. Stree in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vorbem.
§§ 52 ff. Rdn. 118).
c) Die der Verurteilung zugrundeliegende Anzahl der einzelnen
Untreuehandlungen
hat indessen keinen Bestand. Sie begegnet den gleichen
rechtlichen Bedenken, die gegenüber den Feststellungen zur
Anzahl der Einzeltaten
im Tatkomplex „Augenlinsen“ bestehen. Im Ansatz
zutreffend geht die
Kammer davon aus, daß jede einzelne, dem Apotheker V.
zugeleitete Verordnung
eine Tat darstellt. Da sich zu der genauen Anzahl der Verordnungen
jedoch keine Feststellungen mehr treffen ließen, hat die
Kammer - insoweit
ebenfalls im Ansatz rechtsfehlerfrei - die Anzahl der Einzeltaten nach
dem jeweiligen
Abrechnungsturnus bestimmt und eingeschränkt. Die Kammer hat
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aber auch insoweit keine Feststellungen dazu getroffen, zu Lasten
welcher
„Kostenträger“ die Verordnungen erfolgten.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß
ergänzende Feststellungen
möglich sind und diese zu einer höheren Anzahl von
Einzeltaten führen können.
d) Hinsichtlich des Angeklagten R. hat das Urteil keinen Bestand,
weil die Kammer auch insoweit die Einzeltaten nicht nach dessen
Tatbeiträgen
festgestellt hat. Da das Angebot der Rückvergütungen
von ihm ausging (UA
S. 24 und 25) liegt eine Tatbeteiligung als Anstifter zur Untreue nahe.
e) Der Wegfall des Betrugstatbestandes zum Nachteil des Apothekers
V. wirkt sich auch auf die Verurteilung der nicht revidierenden
Mitangeklagten
Dr. Ra. und Dr. K. aus (§ 357 StPO). Die Erstreckung erfolgt
nur insoweit,
als die Kammer eine fehlerhafte Rechtsanwendung (Verwirklichung des
Betrugstatbestandes) auf den festgestellten Sachverhalt vorgenommen
hat. Die
bezüglich der Nichtrevidenten durch das Landgericht
getroffenen Feststellungen
sind für das Revisionsgericht, auch im Hinblick auf die Zahl
der Einzeltaten,
bindend.
Die Änderung der Schuldsprüche führt hier
nicht zur Aufhebung der
Strafaussprüche hinsichtlich der Nichtrevidenten. Der Senat
schließt aus, daß
die Strafkammer bei im übrigen unverändertem
Schuldumfang auf geringere
Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Die tateinheitliche
Verwirklichung von
zwei Straftatbeständen (Betrug und Untreue) wurde von ihr
nicht strafschärfend
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berücksichtigt.
3. Die Sache bedarf nach alledem im Umfang der Aufhebung neuer
Verhandlung
und Entscheidung:
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes
hin:
a) Das Verschlechterungsverbot steht einer etwaigen Verurteilung R.
s als Mittäter oder Anstifter im Tatkomplex
„Augenlinsen“ oder als Anstifter
zur Untreue im Tatkomplex „Medikamente“ durch den
neuen Tatrichter nicht
entgegen. Die bisherigen Feststellungen legen eine solche
Verschärfung des
Schuldspruchs eher nahe, nachdem R. durch die Auszahlung der
„kickbacks“
aufgrund des von ihm initiierten Tatplans in allen Fällen
einen unverzichtbaren
Tatbeitrag leistete.
b) Sollte die neue Hauptverhandlung zur Feststellung einer abweichenden
Anzahl von Einzeltaten mit geändertem Unrechtsgehalt
führen, steht das
Verschlechterungsverbot der Verhängung von höheren
als den bisherigen Einzelstrafen
nicht entgegen. Der Unrechtsgehalt von dann gegebenenfalls zur
Tateinheit verbundenen Taten ist erhöht. Das
Verschlechterungsverbot gebietet
bei dieser Sachlage nur, daß die Summe der jeweils
betroffenen (bisherigen)
Einzelstrafen bei der Bemessung der jeweils neu festzusetzenden
Einzelstrafe
nicht überschritten wird. Überdies darf auch die neue
Gesamtstrafe nicht
höher als die frühere ausfallen (BGH, Urteil vom 3.
Juli 2003 - 1 StR 453/02).
c) Sollte der bisherige Schuldumfang bestehen bleiben, wäre
der neue
Tatrichter angesichts der äußerst milden Strafen
auch im Hinblick auf die bis-
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herige Verfahrensdauer nicht gehindert, auf Gesamtstrafen in gleicher
Höhe zu
erkennen.
Nack Boetticher Kolz
Elf Graf |