BGH,
Beschl. v. 27.4.2004 - 4 StR 126/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 126/04
vom
27.04.2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27.04.2004
gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Arnsberg vom 29. Dezember 2003, soweit
der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den Feststellungen
aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung
zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten
verurteilt
und ihn im übrigen freigesprochen. Mit seiner auf die
Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich der
Angeklagte gegen die
Verurteilung.
1. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
Zu Recht beanstandet der Angeklagte, daß die Strafkammer eine
zugesagte
Wahrunterstellung nicht eingehalten hat.
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Nach den Feststellungen bedrohte der Angeklagte zwei Angestellte einer
Postagentur mit einer ungeladenen Waffe und erpresste die Herausgabe
von 9.520,21 DM. Das Landgericht ist aufgrund der Angaben der beiden
Tatopfer
davon ausgegangen, daß der Täter bei Begehung des
Überfalls eine blaue
Arbeitshose ("Blaumann"), eine schwarze Lederjacke, Arbeitshandschuhe
und
eine schwarze Wollmütze trug, die er mit Sehschlitzen versehen
und über das
Gesicht gezogen hatte. Diese Kleidungsstücke wurden nach der
Tat sichergestellt.
Der Angeklagte bestreitet, Täter des Überfalls
gewesen zu sein. Er räumt
zwar ein, die sichergestellten Kleidungsstücke von Bekannten
ausgeliehen zu
haben; er habe sie jedoch sofort an eine andere Person weitergegeben.
Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Strafkammer unter anderem
ausgeführt: "Auch wird der Angeklagte nicht durch das negative
Untersuchungsergebnis
bezüglich der aufgefundenen Zigarettenkippen entlastet. Der
Zeuge O. hatte diesbezüglich angegeben, der
Tatverdächtige habe eine Zigarette
nach der anderen geraucht. Die Auswertung der Kippen hat keine
Übereinstimmung
mit der DNA des Angeklagten ergeben. Es kann allerdings nicht
ausgeschlossen werden, daß der Zeuge O. nicht den
späteren Täter, sondern
eine andere Person beobachtet hat, zumal er im Rahmen seiner Einvernahme
als Zeuge ausgeschlossen hat, die beobachtete Person habe einen Blaumann
getragen" (UA 11).
Diese Ausführungen widersprechen einer zugesagten
Wahrunterstellung.
Um seine Täterschaft zu widerlegen, hat der Angeklagte in der
Hauptverhandlung
folgenden Beweisantrag gestellt:
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"Es wird beantragt, dem bereits vernommenen Zeugen O.
erneut die sichergestellte blaue Hose zu zeigen. Bei der ersten
Inaugenscheinnahme war die Hose "auf links" gezogen,
"auf rechts" gezogen ist die Hose deutlich dunkler. Die Beweisaufnahme
wird ergeben, daß Herr O. nun bekunden
wird, daß die Person, die er beobachtet hat, durchaus eine
derartige Hose getragen haben könnte. Von dieser Person
wurden Zigarettenkippen sichergestellt; Herr K. [der Angeklagte]
scheidet insoweit als Spurenleger eindeutig aus.
Die Gesamtumstände lassen darauf schließen,
daß Herr O.
den Täter des Überfalls vom 29. Dezember 2000
beobachtet
hat. Das DNA-Gutachten belegt allerdings, daß eine andere
Person als Herr K. [der Angeklagte] sich am Tattag auffällig
in der Nähe des Tatortes verhalten und mehrere Zigaretten
geraucht hat."
Diesen Beweisantrag hat die Strafkammer mit der Begründung
abgelehnt,
es könne als wahr unterstellt werden, daß der Zeuge
O. bekunden
werde, daß die Person, die er beobachtet habe, "die ihm
gezeigte asservierte
Hose getragen haben könnte". An diese Zusage hat sich das
Landgericht
nicht gehalten. Die Annahme, der Zeuge habe nicht den späteren
Täter sondern
eine andere Person beobachtet, hat es vielmehr maßgeblich
darauf gestützt,
daß die vom Zeugen beobachtete Person nach dessen Aussage
gerade
keine blaue Arbeitshose ("Blaumann") getragen habe.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf diesem
Rechtsfehler beruht. Bei Einhaltung der Zusage wäre die
Strafkammer möglicherweise
zu der Überzeugung gelangt, daß der Zeuge O. den
späteren Täter
des Überfalls beobachtet hatte, da die von ihm beschriebene
Kleidung mit
den Angaben der Geschädigten über die
Täterbekleidung übereingestimmt
hätte. Diese Schlußfolgerung hätte zu
Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten
Anlaß geben können, da die am Tag nach dem
Überfall sichergestell-
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ten Zigarettenkippen zwar von der vom Zeugen beobachteten Person, mithin
vom Täter, herrühren konnten, der Angeklagte aber
nicht als Verursacher der
daran sichergestellten Spuren in Betracht kommt. Zwar hat das
Landgericht
als "denkbar" in Betracht gezogen, daß die sichergestellten
Zigarettenkippen
auch von einer nicht mit dem Täter identischen Person stammen
könnten, die
"am späten Abend oder am nächsten Morgen an dieser
Stelle auf der Straße
ebenfalls stand und geraucht hat" (UA 12). Diese Hilfserwägung
ist jedoch
nicht mit Tatsachen belegt und deshalb für den Senat anhand
des Urteils
nicht überprüfbar. Die Urteilsgründe
enthalten weder Ausführungen zu den
vom Zeugen O. beobachteten Örtlichkeiten noch zum Zeitpunkt
seiner Beobachtungen,
die die Annahme des Landgerichts tragfähig machen und damit
ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler ausschließen
könnten. Gleiches
gilt für die Erwägung der Strafkammer,
möglicherweise hätten "die Stadtreinigung
oder ordnungsliebende Personen die vom Angeklagten
zurückgelassenen
Zigarettenkippen ... entsorgt".
2. Auch die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der
Strafzumessung
sind nicht frei von rechtlichen Bedenken. Das Landgericht lastet dem
Angeklagten unter anderem an, er habe sich, um das spätere
Aufdecken der
Tat zu verhindern, auf der Flucht der Tatkleidung entledigt mit der
Folge, daß
durch "Auswaschungen und Verschmutzungen" möglicherweise
wichtige Spuren
verloren gegangen seien, die die Überführung des
Angeklagten erleichtert
hätten (UA 13). Diese Erwägungen beanstandet die
Revision ebenfalls zu
Recht. Die einfache Beseitigung von Tatspuren darf bei der
Strafzumessung
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nicht strafschärfend verwertet werden, selbst wenn sich der
Täter dabei umsichtig
verhält (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten
13; BGH, Beschluß
vom 2. Juli 2002 - 1 StR 195/02).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible |