BGH,
Beschl. v. 27.8.2003 - 5 StR 254/03
5 StR 254/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 27.08.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27.08.2003
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Braunschweig vom 27. Januar 2003 nach
§ 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer
Freiheitsstrafe
von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung
der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet
sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg
hat.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte
eine Comic-Reihe, die sogenannten Donky-Figuren. Nachdem die Produktion
weiterer Comic-Serien mit den Donky-Figuren wegen finanzieller
Schwierigkeiten
gefährdet war, initiierte der Angeklagte im Jahr 1996 die
Gründung der
D M GmbH & Co. Filmproduktion-Beteiligungs KG (D F
KG). Der Angeklagte war hieran als Gesellschafter der
Komplementär-GmbH
beteiligt. Mit dem Geschäftsführer der
Komplementär-GmbH, dem früheren
Mitangeklagten H , vereinbarte der Angeklagte am 14. Oktober 1997,
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daß er für die Vermittlung von Kommanditisten eine
Provision in Höhe von
zehn Prozent der eingezahlten Beteiligungen erhalten sollte.
Anfang 1998 kam der Angeklagte in Kontakt mit dem Investor C
, der zugleich die D C AG vertrat. C selbst und die
D C AG zahlten im März 1998 insgesamt drei Millionen DM ein. Am
8. April 1998 unterzeichnete der Angeklagte einen
Überweisungsauftrag über
300.000 DM vom Firmenkonto der D F KG auf sein Privatkonto, wobei
er als Verwendungszweck „Provision“ angab. Zu
Verfügungen über das
Konto der D F KG war der Angeklagte nur berechtigt im Falle
unaufschiebbarer
Zahlungsverpflichtungen, die bei einer Abwesenheit des
Geschäftsführers
H erfüllt werden mußten. Die auf dem Konto des
Angeklagten
gutgeschriebene Überweisung hat das Landgericht als Untreue
gemäß § 266 Abs. 1 StGB angesehen.
II.
Die Verurteilung wegen Untreue hält rechtlicher
Überprüfung nicht
stand. Die bislang getroffenen Feststellungen des Landgerichts
vermögen
die Annahme eines Vermögensnachteils im Sinne des §
266 Abs. 1 StGB
nicht zu tragen.
1. Eine Strafbarkeit wegen Untreue setzt gemäß
§ 266 Abs. 1 StGB die
Zufügung eines Nachteils voraus. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist unter Nachteil jede durch die Tathandlung verursachte
Vermögenseinbuße zu verstehen. Die
Vermögensminderung ist nach dem
Prinzip der Gesamtsaldierung - aufgrund eines Vergleichs des
Vermögensstands
vor und nach der treuwidrigen Handlung - festzustellen. Ein Nachteil
liegt deshalb nicht vor, wenn durch die Tathandlung selbst zugleich ein
den
Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird
(BGHSt 15, 342,
343 f.; BGH NJW 1975, 1234, 1235; BGHR StGB § 266 Abs. 1
Nachteil 14).
Ein entsprechender Vorteil, der einen Nachteil entfallen lassen kann,
tritt bei-
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spielsweise ein, soweit das betreute Vermögen von einer
Verbindlichkeit in
gleicher Höhe befreit wird. Dies gilt selbst dann, wenn die
Verbindlichkeit
schwer zu beweisen wäre (BGHR StGB § 266 Abs. 1
Nachteil 46).
2. Das Landgericht hätte deshalb prüfen
müssen, ob ein Nachteil hier
etwa deshalb ausgeschlossen war, weil dem durch die
Überweisung bewirkten
Vermögensabfluß ein in selber Höhe
eingetretener Vorteil gegenüberstand.
Hier könnte die D F KG einen Vorteil deshalb erlangt haben,
weil eine gegenüber dem Angeklagten bestehende
Provisionsverpflichtung
erloschen ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich der
Angeklagte nämlich mit Vereinbarung vom 14. Oktober 1997 einen
Provisionsanspruch
von der D F KG einräumen lassen, der mit dem Eingang
der eingeworbenen Beteiligungsgelder auf dem Geschäftskonto des
Unternehmens entstanden und im Zweifel (§ 271 Abs. 1 BGB)
damit auch
sofort fällig geworden ist. Mit der Überweisung
wäre deshalb eine fällige Forderung
des Angeklagten erfüllt worden.
Ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann deshalb nur
dann
eingetreten sein, wenn entweder die Provisionsabrede von vornherein
unwirksam
war oder jedenfalls für die Akquisition der Einlagen von C
und der D C AG aufgehoben bzw. wenigstens ausgesetzt wurde.
Hierfür bestanden vorliegend Anhaltspunkte, weil nach den
Urteilsgründen
der Angeklagte selbst sich zunächst gegenüber dem
Geschäftsführer H
auf einen ihm vom Zeugen He abgetretenen Provisionsanspruch
bezog. Dies tat er, obwohl er mit dem Geschäftsführer
H die Provisionsvereinbarung
getroffen hatte. Auch wenn der Angeklagte sich später
ausdrücklich
auf die Provisionsvereinbarung berufen hat, kann aus diesem Verhalten
möglicherweise ein Indiz dafür hergeleitet werden,
daß die Provisionsabrede
keinen ausreichenden rechtlichen Grund für die
eigenmächtige
Überweisung dargestellt und der Angeklagte dies auch erkannt
hat. Damit
hätte sich das Landgericht ausdrücklich
auseinandersetzen müssen. Das
Revisionsgericht ist nicht in der Lage, ohne eine derartige
Erörterung die
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Voraussetzungen für einen Vermögensnachteil in
eigener Wertung dem Gesamtzusammenhang
des Urteils zu entnehmen.
3. Der neue Tatrichter wird bei der Prüfung, ob ein Nachteil
im Sinne
des § 266 Abs. 1 StGB gegeben ist, folgendes zu beachten haben:
a) Soweit die Provisionsvereinbarung nicht etwa sogar
nachträglich fingiert
wurde, wird zu erörtern sein, ob sie wirksam zustande gekommen
ist.
Insbesondere wenn entsprechende Beteiligungen bereits konkret absehbar
waren, ein besonderer Akquisitionsaufwand mithin also nicht mehr
erforderlich war, kann eine entsprechende Vereinbarung wegen Kollusion
zwischen dem Angeklagten und dem Geschäftsführer H
nach § 138
Abs. 1 BGB unwirksam sein. Dies gilt insbesondere im Falle einer
gesteigerten
wirtschaftlichen Abhängigkeit des
Geschäftsführers H vom
Angeklagten, sofern eine solche Abhängigkeit dazu
mißbraucht wurde, die
Anleger zu schädigen (vgl. BGH NJW 1989, 26).
b) Ein Anspruch aus der Vereinbarung kann aber auch im Hinblick auf
das gesellschaftsrechtliche Schädigungsverbot ausgeschlossen
sein, das
verdeckte Gewinnausschüttungen an einzelne Gesellschafter
verbietet
(BGHZ 65, 15, 18 ff.). Eine solche Ausschüttung ist gegeben,
wenn ein Gesellschafter
die Geschäftsführung veranlaßt, an ihn
vermögenswerte Sondervorteile
auszureichen, denen keine adäquate Leistung
gegenübersteht. Ob
im Einzelfall ein normales Austauschgeschäft oder eine
verdeckte Ausschüttung
von Gesellschaftsvermögen gegeben ist, richtet sich danach, ob
ein gewissenhaft handelnder Geschäftsführer das
Geschäft unter sonst gleichen
Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen
hätte,
ob die Leistung also durch betriebliche Gründe gerechtfertigt
war (BGH
GmbHR 1996, 111, 112; BGH LM Nr. 3 zu § 30 GmbHG). Im
vorliegenden
Fall wird anhand der üblichen Provisionsregelung für
vergleichbare Einlagegeschäfte
deshalb festzustellen sein, ob und ggf. inwieweit sich der vereinbarte
Provisionssatz von zehn Prozent im Rahmen des Marktüblichen be-
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wegte. Dabei ist hier aber auch zu berücksichtigen,
daß der Angeklagte dem
Zeugen He eine Beteiligung an dem Unternehmen eingeräumt hat,
das
mit dem Merchandising der Donky-Figuren befaßt ist. Der
insoweit vom Angeklagten
aufgewandte Vermögenswert schmälert seinen Gewinn aus
dem
Provisionsgeschäft und ist deshalb in Abzug zu bringen.
c) Selbst wenn die vereinbarte Provision an sich geschuldet sein sollte,
ist weiter zu prüfen, ob für die Anlage des Zeugen C
sowie der
D C AG der Provisionsanspruch nicht durch einen Verzicht (§ 397
Abs. 1 BGB) erloschen ist. Zwar sind nach der ständigen
Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes an die Annahme eines konkludent
erklärten Verzichts
grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1996,
588;
1994, 379, 380). Hier könnte jedoch für einen
Verzicht sprechen, daß das
Geld möglichst ungeschmälert der Filmproduktion
zugute kommen sollte.
Hätte deshalb der Angeklagte unter Einbeziehung des
Geschäftsführers eine
konkrete Verwendung der Gelder - auch betragsmäßig -
den Investoren zugesagt,
dann könnte möglicherweise darin aufgrund einer
Gesamtwürdigung
aller Umstände zugleich ein Verzicht zugunsten der
Gesellschaft gesehen
werden.
d) Ließe sich ein (endgültiger) Verzicht nicht
nachweisen, könnten dennoch
hier solche besonderen Umstände gegeben sein, die für
den Angeklagten
als Gesellschafter die Pflicht begründet hätten,
seinen Anspruch vorübergehend
nicht geltend zu machen. Eine nur in besonderen Ausnahmefällen
anzunehmende entsprechende Aussetzung der Fälligstellung des
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spruchs setzt freilich voraus, daß anderenfalls eine
bedrohliche Liquiditätskrise
entstünde und ein erhebliches Zuwarten im Blick auf die
Verhältnisse des Gesellschafters und der Gesellschaft zumutbar
wäre (Pentz
in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 13 Rdn. 47
m.w.N.).
Basdorf Häger Raum
Brause Schaal |