BGH,
Beschl. v. 27.8.2008 - 1 StR 452/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 452/08
vom
27.8.2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27.8.2008 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 21.4.2008 wird
a) das Verfahren im Fall A. 3. der Urteilsgründe eingestellt;
b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass
in den Fällen A. 1., 2., 6., 18. bis 20. die Verurteilung
wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von
Schutzbefohlenen entfällt;
c) die weitergehende Revision verworfen.
2. Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, hat die Staatskasse die
Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu
tragen; im Übrigen hat der Beschwerdeführer die
Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern in 53 Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs
von Kindern
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in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch
von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren
und drei Monaten verurteilt. Der Generalbundesanwalt hat in seiner
Antragsschrift u.a. ausgeführt:
"Hinsichtlich der Tat A. 3. war bereits vor Anklageerhebung
Verfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB
eingetreten. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte die
Geschädigte R. am 21. Juli 2001 aufgefordert, mit ihren
Fingern die Schamlippen auseinanderzuziehen; die Geschädigte
kam dem nach. Dieses Verhalten erfüllt die
Tatbestände des § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB (a.F.) und
des § 174 Abs. 2 Nr. 2 StGB (a.F.). Da der
eigenständige (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 176
Rdnr. 8) Tatbestand des § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB (a.F.)
lediglich Freiheitsstrafe bis fünf Jahre und § 174
Abs. 2 Nr. 2 StGB nur bis drei Jahre androht, ist mit Ablauf des 20.
Juli 2006 Verfolgungsverjährung eingetreten. Dem Erlass des
Durchsuchungsbeschlusses am 24. Juli 2007 konnte mithin keine
verjährungsunterbrechende Wirkung mehr zukommen. Das Verfahren
bezüglich dieser Tat ist nach § 206a Abs. 1 StPO
einzustellen.
Hinsichtlich der unter A. 1., 2., 6., 18. - 20. festgestellten
tateinheitlichen Verwirklichung des sexuellen Missbrauchs von
Schutzbefohlenen ist ebenfalls Verfolgungsverjährung
eingetreten. Die Verjährungsfrist für Taten nach
§ 174 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB beträgt nach
§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. In Bezug auf die
Taten A. 1., 2., 18. - 20. ist zu Gunsten des Angeklagten (vgl.
Fischer, a.a.O., § 78a Rdnr. 6) von der Tatbeendigung zu
Beginn des angegebenen Zeitraums (Anfang 2000) auszugehen. Die Tat A.
6. war am 21. Oktober 2001 beendet. Der Erlass des
Durchsuchungsbeschlusses am 24. Juli 2007 (Bl. 161 l) vermochte daher
keine verjährungsunterbrechende Wirkung mehr zu entfalten. Der
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Verjährung steht nicht entgegen, dass das Vergehen
tateinheitlich mit sexuellem und schwerem sexuellen Missbrauch von
Kindern zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede
Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st. Rspr.; vgl.
u.a. BGH, Beschlüsse vom 6. August 2003 - 2 StR 235/00 und vom
10.6.2008 - 5 StR 132/08).
Der Wegfall der Tat A. 3. und der tateinheitlichen Verurteilungen in
den Fällen A. 1., 2., 6., 18. - 20. muss weder die Aufhebung
der jeweiligen Einzel- noch die der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich
ziehen. Der Senat wird ausschließen können, dass das
Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf
geringere Einzelstrafen erkannt hätte, weil auch
festgestellte, aber verjährte Taten bei der Findung
schuldangemessener Strafen berücksichtigt werden
können (vgl. Fischer, a.a.O., § 46 Rdnr. 38b m.w.Nw.).
Gleiches gilt hinsichtlich der Tat A. 10.. Das Landgericht ist zwar von
einem unzutreffenden Strafrahmen ausgegangen. Nach den
UrteilsFeststellungen hat der Angeklagte nicht die Tatbestände
der § 176 Abs. 1, 174 Abs. 1 StGB, sondern die der
§§ 176 Abs. 3 Nr. 2 (a.F.), 174 Abs. 2 Nr. 2 StGB
verwirklicht. § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB (a.F.) sieht lediglich
Freiheitsstrafe bis 5 Jahre vor. Der Senat wird aber angesichts der
für diese Tat verhängten milden Sanktion
ausschließen können, dass das Landgericht eine noch
niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.
Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe wird von den
Teileinstellungen ebenfalls nicht berührt. Mit Blick auf die
Einsatzstrafe von vier Jahren für die Tat A. 9., die Vielzahl
der abgeurteilten Taten und die moderate Erhöhung der
Einsatzstrafe wird der Senat auch hier ausschlie-
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ßen können, dass das Landgericht bei
Berücksichtigung der Verfolgungsverjährung auf eine
geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte."
Dem tritt der Senat bei.
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Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
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Nack Kolz Hebenstreit
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