BGH,
Beschl. v. 27.8.2008 - 2 StR 261/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 261/08
vom
27.8.2008
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 27.8.2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz
vom 9. Oktober 2007 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung
einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil der Kammer vom 11. Mai 2006 zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge
gestützte Revision des Angeklagten ist aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom
9.7.2008 offensichtlich unbegründet. Der näheren
Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
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1. Ein Verfahrenshindernis bestand nicht. Das Urteil des Landgerichts
vom 11. Mai 2006 führte nicht zu einem Strafklageverbrauch, da
die diesem zu Grunde liegende Straftat mit der hier abgeurteilten
Straftat nicht identisch ist. Gegenstand des jetzigen Verfahrens ist
ein Handelsgeschäft des Angeklagten mit 100 g Kokain, das er
am 30. April 2005 aus den Beständen der Bande um
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den gesondert abgeurteilten W. erhalten hatte. Dagegen bezog sich die
Verurteilung vom 11. Mai 2006 ausschließlich auf ein
Handeltreiben mit den in dem Garagendepot des Angeklagten nach dessen
Festnahme am 17. Juni 2005 aufgefundenen 1.360,6 g
Amfetaminzubereitung, 4.096 Ecstasytabletten und 28 g MDE-Base.
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Die beiden Handelsgeschäfte sind auch nicht durch eine
zumindest teilweise identische Ausführung zu einer Tat
verbunden. Zwar hat der Angeklagte am 22. Mai 2005 eine Teilmenge von
60 g des am 30. April 2005 bezogenen Kokains an die Bande
zurückgegeben. Am selben Tag hat er 3 kg Amfetamin aus den
Beständen der Bande erhalten. Es ist aber schon nicht
ersichtlich, dass es sich bei diesem Amfetamin noch um dasselbe
handelte, das sich bei der Festnahme des Angeklagten in seinem
Garagendepot befand und das Gegenstand seiner Verurteilung vom 11. Mai
2005 war. Hiergegen spricht, dass nach den Feststellungen des Urteils
vom 11. Mai 2005 die dort gegenständlichen
Betäubungsmittel "am oder zeitnah vor dem 17. Juni 2005" in
das Depot verbracht worden sind. Von einer zeitlichen Nähe zu
diesem Datum kann bezüglich des Erwerbs am 22. Mai 2005 jedoch
nach allgemeinem Sprachverständnis nicht ohne weiteres
ausgegangen werden. Zudem bezog der Angeklagte in kurzen
Zeitabständen größere Mengen an
Betäubungsmitteln; so hatte er aus den Beständen der
Bande bereits am 18. Mai 2005 ein Kilogramm Amfetamin erhalten. Dies
lässt es als nahe liegend erscheinen, dass die bei dem
Angeklagten nach dessen Festnahme am 17. Juni 2005 sichergestellten
Drogen nicht noch aus der Lieferung vom 22. Mai 2005, sondern vielmehr
aus einer späteren Lieferung stammten.
Das kann letztlich jedoch dahinstehen, da es jedenfalls an der von der
Revision behaupteten Verknüpfung der Handelsgeschäfte
durch einen einheitlichen Zahlungsvorgang mangelt. Entgegen der in der
Hauptverhandlung
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als Einlassung des Angeklagten verlesenen Verteidigererklärung
ist die Kammer zu Recht nicht von einer Anrechnung des am 22. Mai 2005
zurückgegebenen Kokains auf den Kaufpreis für das am
selben Tag bezogene Amfetamin ausgegangen. Dies folgt aus den von dem
gesondert abgeurteilten S. für die Bande gefertigten
Handelsaufzeichnungen. In diesen ist vermerkt, dass der Angeklagte am
22. Mai 2005 60 g Kokain zurückgegeben hat. Unmittelbar
unterhalb dieser Zeile findet sich der Hinweis "Ich habe die Schulden
beglichen 2.400". Welche Schulden der Angeklagte damit beglichen hat,
wird aus den Aufzeichnungen nicht ersichtlich. Jedenfalls kann es sich
nicht um Schulden aus dem am selben Tag, aber zeitlich später
erfolgten Amfetamingeschäft gehandelt haben; erst in der
darauf folgenden Zeile der Aufzeichnungen ist nämlich
vermerkt, dass an den Angeklagten 3 kg Speed zu je 1.500, insgesamt
4.500, abgegeben wurden.
Eine weitere Aufklärung dieser Umstände war weder
möglich noch veranlasst. Insbesondere konnte der im
übrigen schweigende Angeklagte nicht darauf vertrauen, die
Kammer werde seiner von seinem Verteidiger für ihn abgegebenen
Einlassung uneingeschränkt folgen, zumal er nicht bereit war,
Nachfragen des Gerichts zum Inhalt seiner Erklärung zu
beantworten.
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2. Die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer
eine Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO durch eine fehlerhafte
Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs vom 10. November 2006
rügt, dringt ebenfalls nicht durch. Dem lag folgendes
Verfahrensgeschehen zu Grunde:
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a) Im Hauptverhandlungstermin vom 9. November 2006 beantragte der
Verteidiger des Angeklagten, vor der Vernehmung eines Belastungszeugen
zunächst die Akten aus sämtlichen gegen diesen Zeugen
geführten Ermittlungsverfahren beizuziehen. Nach Ablehnung des
Antrags begann die
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Vorsitzende mit der Vernehmung des Zeugen, die um 11.30 Uhr
unterbrochen und auf einen späteren Verhandlungstermin verlegt
wurde. Nach der Vernehmung eines weiteren Zeugen wurde die
Hauptverhandlung um 11.55 Uhr beendet und Termin zur Fortsetzung auf
den 10. November 2006, 9.30 Uhr, bestimmt. Mit einem am 10. November
2006 um 8.59 Uhr bei Gericht eingegangenen Faxschreiben lehnte der
Angeklagte die Vorsitzende Richterin wegen der Besorgnis der
Befangenheit ab. Er stützte die Ablehnung auf die unterlassene
Beiziehung der den Belastungszeugen betreffenden Ermittlungsakten und
berief sich zudem auf weitere Gründe, die jedoch in seinem
schriftlichen Ablehnungsgesuch nicht eindeutig spezifiziert sind. Unter
Mitwirkung der abgelehnten Richterin verwarf die Kammer das Gesuch als
unzulässig, da es nicht unverzüglich angebracht
worden sei.
b) Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch des Angeklagten im Ergebnis
zu Recht verworfen. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Kammer das
Ablehnungsgesuch gemäß § 26 a Abs. 1 Nr. 1
StPO unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden zu Recht als
unzulässig weil verspätet zurückgewiesen hat.
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Zwar ist in Fällen, in denen das Gericht über ein
Ablehnungsgesuch in falscher Besetzung entschieden hat und dadurch das
Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
verletzt worden ist, allein deswegen der absolute Revisionsgrund des
§ 338 Nr. 3 StPO gegeben (BVerfG NJW 2005, 3410, 3413 f.;
StraFo 2006, 232, 236; BGHSt 50, 216, 219; NStZ 2007, 161, 162). Ein
solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn ein Verstoß
gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26
a, 27 StPO führt nicht stets, sondern nur dann zu einer
Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Vorschriften
willkürlich angewendet werden, der abgelehnte Richter sich
mithin zum "Richter in eigener Sache" macht, oder die richterliche
Entscheidung die
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Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt. Dagegen liegt
bei einer "nur" schlicht fehlerhaften Anwendung der
Zuständigkeitsvorschriften ein Verfassungsverstoß
nicht vor (vgl. BVerfG aaO.).
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Erfolgt wie hier die Verwerfung allein aus formalen
Erwägungen, wurden die Ablehnungsgründe aber nicht
inhaltlich geprüft, ist daher danach zu differenzieren, ob die
Entscheidung des Gerichts auf einer groben Missachtung oder
Fehlanwendung des Rechts beruht, ob also Auslegung und Handhabung der
Verwerfungsgründe nach § 26 a Abs. 1 StPO
offensichtlich unhaltbar oder aber lediglich schlicht fehlerhaft sind
(BGHSt 50, 216, 219 f.). In letzterem Fall entscheidet das
Revisionsgericht nach Beschwerdegrundsätzen sachlich
über die Besorgnis der Befangenheit (BGH NStZ 2007, 161, 162;
NStZ-RR 2008, 246, 247).
Eine grob fehlerhafte, Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz
2 GG verkennende Anwendung des § 26 a Abs. 1 StPO lag hier
nicht vor. Die Rechtsansicht der Kammer, das Ablehnungsgesuch gegen die
Vorsitzende sei hier verspätet angebracht worden und deshalb
unzulässig, beruht - falls überhaupt - jedenfalls
nicht auf einer groben Missachtung oder Fehlanwendung des Rechts.
§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO verlangt, dass eine Ablehnung
unverzüglich geltend zu machen ist. An die Auslegung des
Begriffs "unverzüglich" ist im Interesse einer
zügigen Durchführung des Verfahrens ein strenger
Maßstab anzulegen (vgl. BGHSt 21, 334, 339; BGH NStZ 1993,
141; StV 1995, 396). Die Ablehnung muss zwar nicht "sofort", aber "ohne
schuldhaftes Verzögern", d.h. ohne unnötige, nicht
durch die Sachlage begründete Verzögerungen geltend
gemacht werden. Durch die Sachlage begründet ist eine
Verzögerung, die dadurch entsteht, dass der Antragsteller,
nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erlangt hat, eine gewisse Zeit
zum
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Überlegen und zum Abfassen des Gesuchs benötigt.
Welche Zeitspanne dafür zuzubilligen ist, hängt von
den Umständen des Einzelfalls ab.
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Hier war dem Angeklagten die Ablehnung seines Beweisermittlungsantrags
- auf die er sein späteres Ablehnungsgesuch gründete
- bereits vor Vernehmung des Belastungszeugen bekannt. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durfte der Angeklagte die
Vernehmung dieses und eines weiteren Zeugen abwarten und nach
entsprechender Überlegungszeit sein Ablehnungsgesuch noch am
Folgetag vor Beginn der fortgesetzten Hauptverhandlung rechtzeitig
anbringen (so BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 3
und zuletzt Beschl. vom 10.6.2008 - 5 StR 24/08). Gleichwohl ist auch
die dem Verwerfungsbeschluss des Landgerichts offensichtlich zu Grunde
liegende Auffassung, der Angeklagte hätte nach Kenntnis von
dem Ablehnungsgrund vor weiteren Beweiserhebungen eine Unterbrechung
der Hauptverhandlung beantragen müssen, um sich sein weiteres
Vorgehen zu überlegen und sich mit seinem Verteidiger zu
beraten (vgl. dazu BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich
5), durchaus erwägenswert und keinesfalls grob fehlerhaft.
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Die dem Senat damit eröffnete Prüfung des
Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen ergibt keine die
Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende Einstellung der abgelehnten
Richterin. Die von der Kammer bestätigte Entscheidung der
Vorsitzenden Richterin, nicht sämtliche den Belastungszeugen
betreffenden Ermittlungsakten vor seiner Vernehmung beizuziehen, war
ersichtlich nicht geeignet, Misstrauen in ihre Unvoreingenommenheit dem
Angeklagten gegenüber zu begründen. Vielmehr handelte
es sich insoweit um eine im Rahmen der Durchführung der
Beweisaufnahme vertretbare Entscheidung, die keine
Rückschlüsse auf die innere Einstellung der
abgelehnten Richterin erlaubte.
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