BGH,
Beschl. v. 27.2.2002 - 2 StR 27/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 27/02
vom
27. Februar 2002
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts, zu Ziffer
1 auf dessen Antrag, am 27. Februar 2002 gemäß
§§ 45, 46 Abs. 1, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Nach Versäumung der Frist zur Begründung der
Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9.
Oktober 2001 wird dem Angeklagten auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluß des Landgerichts Frankfurt am Main vom
20. Dezember 2001, mit dem die Revision des Angeklagten als
unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im
Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben, soweit eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur
Bewährung versagt worden ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Handeltreibens mit Kokain"
in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und
sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen; es hat
angeordnet, daß die in Ungarn vollzogene Auslieferungshaft im
Verhältnis 1:2 anzurechnen ist. Die hiergegen gerichtete,
wirksam auf die Nichtgewährung von Strafaussetzung zur
Bewährung beschränkte Revision des Angeklagten hat
Erfolg.
1. Das Landgericht hat die Frage einer Strafaussetzung zur
Bewährung im Urteil ausführlich erörtert.
Hierbei hat es zunächst hervorgehoben (UA S. 11),
daß besondere Umstände im Sinne von § 56
Abs. 2 StGB vorliegen, und hierfür rechtsfehlerfrei vier
Gesichtspunkte angeführt (Fehlen von Vorstrafen,
Geständnis, Vorliegen kontrollierter Scheingeschäfte,
Tatbegehung zur Finanzierung des Eigenkonsums). Eine Strafaussetzung
hat das Landgericht gleichwohl mit der Begründung abgelehnt,
es liege keine positive Sozialprognose im Sinne von § 56 Abs.
1 StGB vor, da der Angeklagte keine sozialen und beruflichen Bindungen,
keine Berufsausbildung und kein Berufsziel habe; vor diesem Hintergrund
könne die Kammer "keine positive Prognose abgeben. Es kann
vielmehr überhaupt keine Prognose gestellt werden" (UA S. 13).
Diese Erwägungen sind rechtsfehlerhaft.
2. Die Voraussetzungen des § 56 StGB sind von Amts wegen zu
prüfen. Der Tatrichter darf daher von der erforderlichen
prognostischen Beurteilung auch dann nicht absehen, wenn sie schwierig
oder im Ergebnis unklar ist. Fehlen günstige
Umstände, so kann die für eine Strafaussetzung
erforderliche positive Prognose nicht gestellt werden. Bei der
Beurteilung sind alle für die Sozialprognose erheblichen
tatsächlichen Umstände umfassend zu
würdigen; eine schematische Trennung von "einfachen"
(prognoserelevanten) und "besonderen" Umständen ist §
56 StGB fremd. Die zumindest mißverständliche
Ausführung des Landgerichts, eine Prognose könne
"überhaupt nicht" gestellt werden, trifft daher nicht zu.
Besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB sind
regelmäßig auch für die Prognose im Sinne
von § 56 Abs. 1 StGB von Belang; dies war auch hier der Fall,
so daß dem Landgericht eine Vielzahl von für und
gegen eine Erwartung im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB
sprechenden, im Urteil dargelegten Umständen für
seine Beurteilung zur Verfügung stand. Der
Begründungsaufbau des Landgerichts, der "besondere
Umstände" zunächst isoliert feststellt und dann die
Prognosestellung aus den zitierten Gründen ablehnt,
läßt besorgen, der Tatrichter habe die notwendige
Beziehung zwischen beiden Teilen nicht gesehen. Über die
Strafaussetzung zur Bewährung ist daher neu zu entscheiden.
Jähnke Bode Otten
Rothfuß Fischer |