BGH,
Beschl. v. 27.1.2010 - 5 StR 224/09
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
WpHG in der Fassung vom 21. Juni 2002
§ 38 Abs. 1 Nr. 1; § 14 Abs. 1;
StGB § 73 Abs. 1 Satz 1
1. Ausnutzen einer Insidertatsache.
2. Bei verbotenen Insidergeschäften stellt der hierdurch
erzielte Sondervorteil das Erlangte im Sinne des § 73 Abs. 1
Satz 1 StGB dar.
BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09
LG Hamburg -
5 StR 224/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 27. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen verbotener Veräußerung eines Insiderpapiers
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2010
beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 30. Januar 2009 gemäß § 349
Abs. 4 StPO in den Rechtsfolgeaussprüchen mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach §
349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen verbotener
Veräußerung eines Insiderpapiers jeweils zu einer
Geldstrafe von 300 Tagessätzen verurteilt. Es hat weiterhin
bei beiden Angeklagten den Verfall eines Geldbetrages von etwa 700.000
€ angeordnet. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen
der beiden Angeklagten, die zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg haben. Im
Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
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- 3 -
I.
Das landgerichtliche Urteil enthält folgende Feststellungen
und Wertungen:
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1. Die Angeklagten waren Vorstände der
börsennotierten f. AG (im Folgenden: f. ). Der Angeklagte S.
war Vorsitzender des Vorstands. Die f. , die aus dem m. -K.
hervorgegangen war, betätigte sich als
Internet-Telekommunikationsunternehmen, wobei der Schwerpunkt mit ca.
60 % des Umsatzes im Bereich des Internets lag. In dem damaligen
Zeitraum entfielen hiervon etwa 96 % auf das Schmalbandsegment,
während das Breitbandsegment (DSL) einen Marktanteil von nur 3
% aufwies. Der Umsatz der f. stieg nach Übernahme des
Festnetzgeschäfts der m. im Jahre 2003 gegenüber dem
Vorjahr um 766 % auf 365 Mio. €. Der Zuwachs hielt auch im
ersten Quartal 2004 noch an (Gesamtumsatz: 119 Mio. €). Im
zweiten Quartal des Jahres ging der Umsatz zurück und belief
sich nur noch auf 109 Mio. €; das Konzernergebnis vor Steuern
sank in diesem Quartal von 31,7 Mio. € auf knapp 20 Mio.
€. Maßgebend für diesen Rückgang
war ein deutlich schlechteres Ergebnis im Schmalbandbereich, das durch
Zuwächse im Breitbandgeschäft nicht einmal
annähernd ausgeglichen werden konnte.
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Den Angeklagten wurden als Sondervergütungen Aktienoptionen
(199.500) eingeräumt, für die eine
zweijährige Wartezeit bestand und deren Laufzeit auf sechs
Jahre ab Ausgabetag festgelegt war. Die Wartefrist lief zum 11. Juli
2004 ab. Der Aktienkurs, der im Mai 2004 noch bis zu 27,73 €
betragen hatte, entwickelte sich ab Juni und vor allem ab 5. Juli 2004
kontinuierlich abwärts. Am 15. Juli 2004 wurde er mit 18,36
€ und am 30. Juli 2004 mit 15,05 € notiert. Die
Angeklagten wollten ihre Optionen zum 11. Juli 2004 einlösen
und die Aktien möglichst bald marktschonend in Tranchen
veräußern. Nach Ausübung der Option
verkauften sie, jeder für sich, die Aktien ab 12. Juli 2004 in
kleinen Stückzahlen von höchstens 10.000 Ak-
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- 4 -
tien. Bis zum 21. Juli 2004 setzten sie jeweils etwa 32.000
Stück ab und erlösten jeweils knapp 1,2 Mio.
€.
Am 9. August 2004 veröffentlichten die Angeklagten als
Vorstand eine ad-hoc-Mitteilung. Hierin gaben sie den
rückläufigen Umsatz und den gesunkenen Gewinn
für das zweite Quartal bekannt. Der Kurs der Aktie, der bei
Eröffnung noch bei 13,21 € gelegen hatte, schloss
daraufhin an diesem Handelstag mit 9,95 €. Obwohl sie die
schlechteren Zahlen für das zweite Quartal bereits vorher
gekannt hatten, warteten sie mit der Mitteilung zu, um den
möglichst gewinnbringenden Verkauf ihrer Aktien nicht zu
gefährden.
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2. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten als verbotenen
Insiderhandel gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. angesehen. Anzuwenden sei
das Altrecht als milderes Recht. Der rückläufige
Umsatz im Schmalbandbereich sei eine nicht öffentlich bekannte
Tatsache mit der Eignung gewesen, im Falle ihres öffentlichen
Bekanntwerdens den Aktienkurs erheblich zu beeinflussen. Dies ergebe
sich schon aus der Reaktion des Marktes. Der Umsatzrückgang
liege in einer Größenordnung, die als erheblich
angesehen werden müsse. Die Angeklagten hätten bei
den Aktienverkäufen ihre Insiderkenntnisse ausgenutzt.
Dafür reiche es aus, wenn die Angeklagten - wie hier geschehen
- zu einem Zeitpunkt verkauft hätten, zu dem sie die
kursrelevante Tatsache bereits gekannt, aber noch nicht der
Öffentlichkeit bekannt gegeben hätten. Insoweit
hätten sie aus rein persönlichen Motiven gehandelt.
Ein unternehmerisches Interesse der von ihnen repräsentierten
f. habe hierfür nicht bestanden.
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3. Das Landgericht hat weiterhin bei beiden Angeklagten den Verfall
angeordnet. Es hat für die Höhe des Verfallsbetrages
den gesamten Geschäftsumsatz aus den
Wertpapierverkäufen zugrunde gelegt und lediglich den Betrag
abgezogen, den die Angeklagten jeweils als Steuern auf die
Wertpapierverkäufe entrichten mussten.
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- 5 -
II.
Die Revisionen der Angeklagten zum Schuldspruch sind
unbegründet. Sie haben jedoch hinsichtlich des
Rechtsfolgenausspruchs Erfolg.
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1. Die Revisionsangriffe gegen den Schuldspruch greifen nicht durch.
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a) Das Landgericht ist ohne Rechtsverstoß von der Anwendung
der bis zum 29. Oktober 2004 gültigen Strafvorschrift des
§ 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ausgegangen, die auf die bis zum selben
Zeitpunkt in Kraft befindliche Verbotsnorm des § 14 Abs. 1 Nr.
1 WpHG verweist. Die späteren Änderungen lassen zwar
den Strafrahmen unverändert, erweitern aber die
Anwendungsvoraussetzungen des Straftatbestands, weil in der in Bezug
genommenen Norm des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG das engere
Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ durch das
weitere Tatbestandsmerkmal des „Verwendens“ ersetzt
ist.
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b) Die Voraussetzungen des Straftatbestands hat das Landgericht in
objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht ohne
Rechtsverstoß bejaht.
aa) Die Angeklagten waren Insider im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr.
1 WpHG a.F.; ihre Insidereigenschaft ergibt sich schon aufgrund ihrer
Organstellung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.).
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bb) Durch ihre Funktion hatten sie auch Kenntnis von einer
Insidertatsache. Wann eine Insidertatsache vorliegt, ist in §
13 Abs. 1 WpHG a.F. gleichfalls geregelt, wobei mittlerweile dieses
Tatbestandsmerkmal im Sinne einer Präzisierung ebenfalls
novelliert wurde und anstelle der
Insider-„tatsache“ nunmehr die (in ihrem
Anwendungsbereich weitere) Insider-„information“
getreten ist. Nach dem hier maßgeblichen alten Recht ist die
Insidertatsache in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. legal definiert als
nicht öffentlich
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- 6 -
bekannte Tatsache, die geeignet ist, im Falle ihres
öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere
erheblich zu beeinflussen.
Diese Voraussetzung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen.
Die Rückgänge im Umsatz und Gewinn waren in der
Öffentlichkeit nicht bekannt. Dass im Markt gewisse
Vorahnungen bestanden haben mögen, macht - entgegen der
Auffassung der Revision - die Tatsache an sich noch nicht zu einer
bekannten. Zwar war der Wechsel vieler Anbieter auf die
Breitbandtechnik zumindest den interessierten Kreisen (vgl. zum
maßgeblichen Personenkreis Pawlik in Kölner
Kommentar zum WpHG 2007 § 13 Rdn. 28) als wirtschaftliche
Tendenz geläufig. Dies reicht aber nicht aus, weil es gerade
entscheidend auf das genaue Ausmaß ankommt, wie sich die
Verschiebungen im Markt und die Rückgänge im
Schmalbandbereich auf die Umsatz- und Gewinnsituation ausgewirkt haben.
Für eine Bewertung des konkreten Aktienwerts sind die genauen
wirtschaftlichen Rahmendaten erforderlich. Deshalb reichten auch die
allgemeinen, eher tendenziellen Aussagen, die der Angeklagte S. in
einem Reuters-Interview noch im Juli 2004 gemacht hatte, nicht aus.
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Die Kurserheblichkeit der Tatsache hat das Landgericht
tragfähig festgestellt. Wann eine Erheblichkeit im Sinne
dieser Vorschrift vorliegt, ist eine Prognoseentscheidung, die nicht
auf die (dann allerdings für die Vorsatzfrage bedeutsame)
Vorstellung des Insiders abhebt, sondern eine objektivierte Bewertung
erfordert (vgl. Assmann, WpHG 5. Aufl. § 13 Rdn. 64; Pawlik
aaO § 13 Rdn. 45 ff.; Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht
2005 S. 73 ff.; Hilgendorf in Park, Kapitalmarktstrafrecht Teil 3 Kap.
3 T1 Rdn. 107). Von der Einführung fester Schwellenwerte hat
der Gesetzgeber bewusst abgesehen (BT-Drucks. 12/6679 S. 47).
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Die vorliegende Fallgestaltung nötigt nicht zu einer
vertieften Auseinandersetzung mit den Literaturmeinungen zu den
etwaigen Schwellenwerten, die eine Erheblichkeit indizieren
könnten. Es bedarf vielmehr einer indi-
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viduellen Bewertung. Diese hat grundsätzlich aus einer ex-ante
Sicht zu erfolgen. Dabei stellt das spätere Geschehen,
insbesondere die Reaktion des Marktes hierauf, ein gewichtiges
Beweisanzeichen dar. In Anbetracht der vom Landgericht festgestellten
Entwicklung des Kurses, der am Tag der ad-hoc-Mitteilung von
zunächst 13,21 € auf 9,95 € absackte, kann
die Kurserheblichkeit dieser Insidertatsache hier nicht zweifelhaft
sein. An die Feststellung solcher kursrelevanten Umstände
dürfen - wie der Bundesgerichtshof zur vergleichbaren
Strafvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG a.F.
ausgeführt hat (BGHSt 48, 373) - angesichts der Vielzahl der
neben der Tathandlung regelmäßig an der Preisbildung
mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen
gestellt werden. Deshalb ist auch keine Befragung der Marktteilnehmer
veranlasst. Es reicht grundsätzlich aus, den Kursverlauf und
den Umsatz in den Blick zu nehmen (vgl. BGHSt 48, 373, 384). Die durch
die ad-hoc-Mitteilung ausgelösten erheblichen
Kursveränderungen verdeutlichen, dass der Markt den
Umsatzzahlen erhebliches Gewicht beigemessen hat. Dies wussten die
Angeklagten, wie die vom Landgericht im Einzelnen aufgeführten
Indiztatsachen belegen.
cc) Die Angeklagten haben die Kenntnis der Insidertatsachen ausgenutzt
im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. Für das
Verständnis dieses Merkmals ist die Richtlinie des Rats der
Europäischen Gemeinschaften vom 13. November 1989 (89/592/EWG
ABl. EG L 334, S. 30) ergänzend heranzuziehen. Das Gesetz ist
in Umsetzung der Richtlinie erlassen worden und deshalb
richtlinienkonform auszulegen (vgl. BGHSt 48, 373, 378). Die
Erwägungsgründe belegen, dass der von den
Mitgliedstaaten umzusetzende Verbotstatbestand nach Art. 2 Abs. 1 der
Richtlinie einer wertenden Korrektur bedarf (vgl. zu diesem
Tatbestandsmerkmal und seiner Weiterentwicklung EuGH, Urteil vom 23.
Dezember 2009 - C 45/08 Tz. 34 - Spector). Ein Ausnutzen in diesem
Sinne liegt deshalb dann nicht vor, wenn die Insiderkenntnisse von
Berufsträgern (Broker, Marktmacher) in deren typische
berufliche Tätigkeit einfließen. Damit soll einer
uferlosen Erweiterung des Tatbestands entgegengewirkt werden, weil
gerade Primärinsider am Markt notwendiger-
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weise mit Exklusivkenntnissen tätig werden und diese nicht
ausblenden können (vgl. hierzu auch Ziouvas aaO S. 82).
Maßgeblich ist deshalb, dass der Insider gerade in der
Absicht handelt, für sich einen Sondervorteil aus seinen
Insiderkenntnissen zu ziehen (Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, WpHG
3. Aufl. § 14 Rdn. 25). Damit wird der Zielrichtung dieses
Verbotstatbestands Rechnung getragen, die Chancengleichheit der Anleger
auf dem Wertpapiermarkt zu sichern (in diesem Sinne auch die
Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/6679, S. 47). Der
Sondervorteil muss dabei auf dem Insiderwissen beruhen und darf nicht
anfallen, wenn die Insidertatsache öffentlich bekannt
würde (Ziouvas aaO S. 83). Dabei reicht es aus, wenn der
Täter einen solchen Sondervorteil nur erstrebt.
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Unter Beachtung dieser vom Landgericht zutreffend dargestellten
Grundsätze haben beide Angeklagte das Absichtselement
erfüllt. Die Angeklagten haben Insiderpapiere verkauft, ohne
die Insidertatsache zuvor publik gemacht zu haben. Ihnen ging es
ersichtlich darum, die Aktien zumindest teilweise zu
veräußern, um die erzielten Kursgewinne zu
realisieren, bevor die Umsatzrückgänge im
Internetgeschäft schließlich veröffentlicht
werden mussten.
Das Vorbringen des Angeklagten K. , er hätte die Aktien
sowieso verkauft, weil bei ihm wegen des Kaufes zweier Immobilien
Kapitalbedarf bestanden hätte, lässt das Ausnutzen im
Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. nicht entfallen.
Abgesehen davon, dass das Tatgericht diese Einlassung wegen des
geringen zeitlichen Abstands von allenfalls vier Wochen nicht als
glaubhaft bewertet hat, hätte der Angeklagte K. jedenfalls den
ihm zufallenden Sondervorteil aufgeben müssen, indem er die
Umsatzrückgänge, die - wie das Landgericht
rechtsfehlerfrei festgestellt hat - beiden Angeklagten bekannt waren,
früher publizierte.
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- 9 -
c) Die gegen die Feststellungen zum Schuldspruch gerichteten
Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg, wie der
Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat. Der Senat merkt
hierzu lediglich zu zwei auf die Verletzung des § 261 StPO
gestützten Verfahrensrügen Folgendes an:
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Mit der Rüge einer Verletzung des § 261 StPO kann
zwar grundsätzlich beanstandet werden, dass das Tatgericht
nicht das gesamte Ergebnis der Hauptverhandlung seiner Entscheidung
zugrunde gelegt hat (vgl. BGH NStZ 2006, 650, 651; StV 2008, 288). Eine
nicht erschöpfende Würdigung des Beweisstoffs in den
Urteilsgründen ist jedoch nicht ersichtlich. Das Landgericht
hat nicht gegen § 261 StPO verstoßen, indem es die
in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden nur teilweise oder
auszugsweise in den Urteilsgründen erwähnt und
abgehandelt hat. Das Tatgericht ist nicht gehalten, im Urteil
sämtliche in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu
erörtern und ihren Beweiswert darzulegen (BGHR StPO §
267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 3). Es reicht vielmehr aus, wenn es
die für seine Bewertung maßgeblichen
Umstände darlegt (vgl. Engelhardt in KK StPO 6. Aufl.
§ 267 Rdn. 13). Die hier von der Revision beanstandete
Nichtberücksichtigung von Urkunden, die in die
Hauptverhandlung eingeführt wurden, stellt die
Beweiswürdigung der Strafkammer nicht in Frage.
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aa) Nach dem in die Hauptverhandlung eingeführten
Urkundenmaterial trifft zwar zu, dass nach Bekanntwerden der
ad-hoc-Mitteilung für einen kurzen Zeitraum der Aktienkurs der
f. sogar gestiegen ist. Dieser Umstand ändert aber nichts an
der Richtigkeit der Bewertung, dass der kurz danach sich
anschließende Kursrückgang der Aktien auf den Inhalt
der ad-hoc-Mitteilung zurückzuführen war.
Anhaltspunkte für andere Ursachen sind auch den verwandten
Urkunden nicht zu entnehmen. Ebenso war es nicht geboten, die
veröffentlichte Einschätzung sämtlicher
Analysten, soweit sie im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung
eingeführt wurden, in den Urteilsgründen im Einzelnen
darzulegen.
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bb) Gleichfalls unbegründet ist die Rüge der
Revision, die weitere Kursentwicklung der f. -Aktie an den Folgetagen
des 4. August 2004 sei in den Urteilsgründen nicht
dargestellt, obwohl entsprechende statistische Auswirkungen im
Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.
Auch die sich hieraus ergebende Folgerung, nämlich dass sich
der Kurs in den Folgetagen teilweise erholt hat, berührt
zumindest den Schuldspruch nicht. Maßgeblich ist nur die
Eignung zu erheblichen Kursauswirkungen nach einer ex-ante Betrachtung.
Diese kann angesichts der Gesamtumstände und insbesondere der
zunächst erfolgten heftigen Marktreaktion nicht zweifelhaft
sein. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Aktie schon im
Vorfeld unter Druck geraten war und mithin in besonderem Maße
anfällig auf vom Markt voraussichtlich als negativ bewertete
Nachrichten reagierte. Im Übrigen wäre selbst die
unmittelbar sich anschließende Kursentwicklung nicht
geeignet, die Erheblichkeit entfallen zu lassen (Kurs am 13. August
2004: 10,50 €; Kurs am 18. August 2004: 12,51 €).
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2. Hinsichtlich des Strafausspruchs erweist sich die Revision
allerdings als begründet.
a) Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten der
Angeklagten die jeweils hohen Sondervorteile gewertet. Es bestimmt den
Vorteil aufgrund einer „Minimalschätzung“
für beide Angeklagte auf etwa 200.000 €. Dabei setzt
das Landgericht den Tagestiefstkurs von 9,95 € an, auf den der
Aktienkurs noch am selben Tag gefallen ist. Diese Differenz zum
Tagesanfangskurs (13,21 €) multipliziert mit der
Stückzahl (62.000 Aktien) soll den Vorteil ergeben, der den
Angeklagten jeweils mindestens zugeflossen ist.
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b) Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Die
Bemessung des Sondervorteils kann nicht nur auf der Grundlage eines
Tages erfolgen. Der Sondervorteil basiert auf dem Kurs, der entstanden
wäre, wenn der Markt die absichtsvoll verschwiegene
Insiderinformation aufge-
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nommen hätte. Dies erfordert eine auf Schätzung
gegründete Bewertung. Insbesondere soweit es um so
grundlegende Rahmendaten wie die Umsatz- und Gewinnsituation eines
Unternehmens geht, deren Wirkung prognostisch auch in die Zukunft
abstrahlt, bedarf es einer über den konkreten Handelstag
hinausgehenden, längerfristigeren Betrachtung der
Kursentwicklung. Je nach Volatilität des Finanzinstruments
kann die zu beachtende Zeitspanne unterschiedlich lang ausfallen. Im
Falle des hier betroffenen organisierten Marktes (vgl. § 2
Abs. 5 WpHG) sind insbesondere die Kursentwicklung der Aktien
unmittelbarer Wettbewerber, die tatzeitnahen Börsen- und
Markttrends sowie die übliche Schwankungsbreite des
betroffenen Wertpapiers ebenso in den Blick zu nehmen wie der
Kursverlauf an den auf die Veröffentlichung der
Insidertatsache folgenden Handelstagen. So kann letztlich auf
zureichender Grundlage tatrichterlich eingeschätzt werden, wie
der Markt die vor dem Hintergrund der nunmehr bekanntgewordenen
Insiderinformationen - hier die neuen Quartalszahlen der f. -
entstandene wirtschaftliche Situation des Unternehmens beurteilt. Zudem
werden technische (Über-)Reaktionen am
Veröffentlichungstag auf diese Weise ausgeblendet. Die
aktuellen Quartalszahlen prägen nämlich über
den Veröffentlichungszeitpunkt hinaus die
Einschätzung des Unternehmens durch die Marktteilnehmer in der
nahen Zukunft ganz entscheidend.
In diesem Punkt unterscheidet sich die Fallgestaltung von dem vom 1.
Strafsenat beurteilten sogenannten „scalping“
(BGHSt 48, 373). Dort ging es um manipulative Kaufempfehlungen. Diese
wirken regelmäßig unmittelbar und punktuell. Umsatz-
und Gewinnzahlen werden dagegen regelmäßig durch die
Medien und die Analysten verarbeitet. Aber auch hier gilt der vom 1.
Strafsenat aufgestellte Grundsatz, dass wegen der Vielzahl der an der
Preisbildung mitwirkenden Faktoren die Anforderungen nicht
überspannt werden dürfen (BGHSt 48, 373, 384). Es
reicht deshalb regelmäßig aus, wenn der Kursverlauf
der folgenden Tage zugrunde gelegt wird und wegen der Entwicklung der
Branche oder des Marktes insgesamt gegebenenfalls Ab- oder
Aufschläge bei der Schätzung des Sondervorteils
gemacht werden.
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3. Die Verfallsanordnung kann gleichfalls keinen Bestand haben, weil
das Landgericht das „Erlangte“ im Sinne des
§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat,
indem es von dem Gesamtverkaufserlös der Aktien ausgegangen
ist.
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a) Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was
der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat.
Maßgeblich ist deshalb die Bestimmung des wirtschaftlichen
Wertes des Vorteils, der dem Täter aus der Tat zugeflossen ist
(BGHSt 47, 260, 268; BGHR StGB § 73 Erlangtes 1). Dabei muss
die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil
entsprechen, den der Täter aus der Tat gezogen hat.
Für die Bestimmung desjenigen, was der Täter in
diesem Sinne aus einer Tat oder für sie erlangt hat, ist das
Bruttoprinzip unerheblich. Erst wenn feststeht, worin der erlangte
Vorteil des Täters besteht, besagt dieses Prinzip, dass bei
der Bemessung der Höhe des Erlangten gewinnmindernde
Abzüge unberücksichtigt bleiben müssen
(BGHSt 47, 260, 269; 50, 299, 310; kritisch hierzu BGHSt 52, 227, 247
ff. allerdings in Bezug auf die andersartige Fallgestaltung einer
Straftat nach § 16 UWG; vgl. auch Hohn wistra 2003, 321, 323;
ders. wistra 2006, 321, 325). Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist
deshalb danach zu bestimmen, was letztlich strafbewehrt ist. Soweit das
Geschäft an sich verboten ist
(Embargoverstöße - BGHSt 47, 369;
Rauschgiftgeschäft - BGHR StGB § 73 Vorteil 3), kann
der gesamte hieraus erlöste Wert dem Verfall unterliegen. Ist
dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das
Geschäft ausgeführt wird, ist nur der hierauf
entfallende Sondervorteil erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1
Satz 1 StGB.
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b) Unmittelbar aus der Tat haben die Angeklagten aber nur das erlangt,
was den Unwertgehalt der Tat ausmacht, nämlich den von ihnen
realisierten Sondervorteil (Kudlich/Noltensmeier wistra 2007, 121, 123;
Fischer, StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 11). Dieser liegt hier in
der Verschonung von dem Wertverlust, den uninformierte Marktteilnehmer
infolge verspäteter Veröffentlichung der
aktienkursrelevanten (negativen) Tatsache erleiden (vgl. Hohn
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wistra 2003, 321, 323; Rönnau,
Vermögensabschöpfung in der Praxis 2003 S. 75 Rdn.
195, der zum selben Ergebnis im Wege der Berücksichtigung
rechtmäßiger hypothetischer Kausalverläufe
gelangt). Die Aktien an sich haben die Angeklagten durch einen legalen
Rechtsakt erworben. Sie sind weder aus noch für die Tat
erlangt. Insoweit bleibt ihr Wert durch das Bruttoprinzip unangetastet.
Dieses führt dazu, dass etwaige Aufwendungen im Zusammenhang
mit dem tatbestandlichen Handeln (etwa Kreditzinsen, Provisionen) das
Erlangte nicht mindern können, sondern allenfalls - was im
vorliegenden Fall jedoch offensichtlich ausscheidet - über die
Härteklausel des § 73c StGB Berücksichtigung
finden.
Das neue Tatgericht hat das Erlangte nach § 73b StGB zu
schätzen. Hinsichtlich der Schätzung gelten die
vorstehend unter 2. dargestellten Grundsätze entsprechend.
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Basdorf Raum Schaal
Schneider König |