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BGH, Beschluss vom 27. Juni 2001 - 3 StR 134/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 27.6.2001 - 3 StR 134/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 134/01
vom
27. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu Ziff. 2. auf dessen Antrag
- am 27. Juni 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Verden vom 29. November 2000 mit den Feststellungen
aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen zum
äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge
zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt
sowie eine Vorderschaftrepetierflinte und eine Pistole eingezogen. Die hiergegen
gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
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Die Strafkammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte, ein passionierter Jäger und Waffensammler, betreibt in
seinem Heimatdorf eine Gaststätte, in die bereits zweimal eingebrochen worden
war. Am 21. September 1999 wurde er nachts gegen 3.30 Uhr von seiner
Lebensgefährtin, die zusammen mit ihm die Gastwirtschaft geführt hatte, mit
dem Hinweis geweckt, "die Alarmanlage geht das dritte Mal, komm in die Pötte,
die sind schon drin". Der Angeklagte zog sich an, ergriff eine Vorderschaftrepetierflinte
und eine Pistole je mit Munition, gab seiner Lebensgefährtin den
Auftrag, die Polizei telefonisch zu verständigen, und begab sich zu der etwa
fünfzig Meter von seinem Wohnhaus entfernten Gaststätte, die er dann aus
dem Schutz eines Bushaltehäuschens beobachtete. Er erkannte, daß sich im
Inneren der Schein einer Taschenlampe bewegte, und dachte "Die haben wieder
Bargeld und Zigaretten geholt, jetzt sind die fertig". Als sich der Lichtschein
zum südlichen Seiteneingang bewegte, verließ er mit der mittlerweile durchgeladenen
Schrotflinte das Bushäuschen, um sich in eine bessere Schußposition
zu bringen. Sowohl der Bereich seines Standplatzes, als auch der des Seiteneingangs
waren "stockdunkel". Als sich der Lichtschein aus der Türe heraus
und in seine Richtung bewegte, gab er ohne Vorwarnung mit der Schrotflinte
einen nahezu waagrechten Schuß im Hüftanschlag in Richtung des Lichtscheins
ab, um den vermeintlichen Einbrecher zu treffen. Tatsächlich handelte
es sich um seine Lebensgefährtin, die ohne sein Wissen die Wohnung verlassen
und von ihm unbemerkt die Gaststätte, möglicherweise durch einen weiteren
Seiteneingang, betreten hatte. Sie brach infolge unglücklicher Treffer in
Lunge, Brustschlagader und Herzbeutel tödlich getroffen zusammen. Danach
gab der Angeklagte noch einen weiteren Schrotschuß, sowie drei Schüsse mit
seiner Pistole in die Luft ab.
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Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, daß er mit den Schüssen
niemanden habe treffen, sondern nur "die warnen und wegjagen" wollen; auch
den ersten Schuß habe er in die Luft gezielt. Das Landgericht hat demgegenüber
festgestellt, daß der erste abgegebene Schrotschuß auf den vermeintlichen
Einbrecher gezielt war, um diesen zu verletzen, wenn auch nicht zu töten.
Als erfahrener Jäger und Waffenkundiger habe er den tödlichen Erfolg des
Schusses vorhersehen können.
1. Die Verfahrensrügen des Angeklagten sind offensichtlich unbegründet
(§ 349 Abs. 2 StPO). Da die Feststellungen zum äußeren Tathergang ohne
Rechtsfehler getroffen worden sind, hat der Senat diese aufrechterhalten.
2. Dagegen sind die Ausführungen der Strafkammer zur Ablehnung von
Putativnotwehr nicht frei von rechtlichen Bedenken.
a) Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe den
oder die Einbrecher nur warnen und wegjagen wollen, für widerlegt erachtet
und statt dessen angenommen, er habe den vermeintlichen Einbrecher treffen
wollen, um ihm einen "Denkzettel" zu verpassen. Wegen dieser "Feststellungen"
(UA S. 34) scheide auch die Absicht aus, mit dem Schußwaffeneinsatz
Eigentum zu verteidigen. Solche Feststellungen, die die Denkzettelversion des
Landgerichts belegen könnten, sind indes den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Vielmehr erweist sich dieses angenommene Motiv als eine bloße, durch
Tatsachen nicht untermauerte Behauptung.
Aus der - insoweit widerlegten - Einlassung des Angeklagten kann dazu
nichts entnommen werden, da er einen gezielten Schuß überhaupt bestritten
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hat und folglich ein Motiv für die Verletzung des vermeintlichen Einbrechers
nicht benennen konnte. Da sich der Angeklagte selbst nicht angegriffen gefühlt
hatte, scheidet die Verteidigung der eigenen Person als Motiv aus. Vielmehr
liegt es nach den Tatumständen am nächsten, daß der Angeklagte mit dem
gezielten Schuß sein Eigentum verteidigen und verhindern wollte, daß der Einbrecher
mit der Beute entkommt. Die Strafkammer hat - abgesehen von der
lediglich behaupteten Denkzettelabsicht - keine Tatsachen angeführt, die gegen
die naheliegende Absicht der Eigentumsverteidigung sprechen könnten.
Es hätte sich dabei mit dem für ein solches Motiv sprechenden Umstand auseinandersetzen
müssen, daß der Angeklagte an dem Eingang zu seinem
Wohnhaus ein Schild mit der Abbildung eines von einer Faust gehaltenen
Trommelrevolvers und der Aufschrift "Ich schütze mein Eigentum selbst" angebracht
hat. Umgekehrt hätte die Strafkammer bei der Erwägung einer Denkzettelabsicht
erörtern müssen, daß der Angeklagte zuvor seine Lebensgefährtin
gebeten hatte, die Polizei zu verständigen. Dieses Herbeirufen polizeilicher
Hilfe steht nicht ohne weiteres in Einklang damit, daß er gleichwohl in einer Art
Selbstjustiz den sich bereits entfernenden Einbrecher im Zeitpunkt der bevorstehenden
Ankunft der Polizei bewußt und ohne Rechtfertigung verletzt und
damit eine offensichtliche Straftat begeht.
b) Auch die weitere Erwägung der Strafkammer, es fehle darüber hinaus
an der Erforderlichkeit einer sofortigen gezielten Schußabgabe, weil der Angeklagte
zunächst den vermeintlichen Einbrecher hätte anrufen und den Schußwaffeneinsatz
androhen müssen, ist nicht frei von rechtlichen Bedenken. Das
Landgericht hätte dabei erörtern müssen, welche Vorstellungen der Angeklagte
dazu hatte und ob er bei den vorgestellten Tatumständen davon ausgehen
konnte, durch einen Warnruf noch die erstrebte Verteidigung seines Eigentums
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erreichen zu können. Dabei hätte es sich mit dem Umstand auseinandersetzen
müssen, daß es im Bereich des Seiteneingangs so dunkel war, daß der Angeklagte
nur den Schein der Taschenlampe, aber nicht einmal die Umrisse einer
Person erkennen konnte, weshalb er auch mit mehreren Einbrechern gerechnet
hatte. Ferner hätte bedacht werden müssen, ob der Angeklagte nicht deswegen
eine sofortige Schußabgabe für erforderlich halten konnte, weil bei einem
Warnruf der vermutete Einbrecher die Taschenlampe löschen und im
Dunkel der Nacht hätte verschwinden können, ohne daß der Angeklagte dann
noch die Chance gesehen hätte, sein Eigentum wirksam zu verteidigen.
3. Das Landgericht hat die Voraussetzungen der Einziehung der Pistole
nicht dargelegt. Da die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat in der Abgabe
eines gezielten Schusses mit der Schrotflinte zu sehen ist und er die nachfolgenden
drei Schüsse mit der Pistole nach den Feststellungen in die Luft gefeuert
hatte, um Hilfe herbeizuholen, wurde die Pistole weder zur Begehung einer
Straftat gebraucht, noch kann den Feststellungen entnommen werden, daß sie
zu ihr bestimmt gewesen wäre. Damit fehlt es an den Voraussetzungen einer
Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB.
Kutzer Miebach Winkler
Pfister Becker



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