BGH,
Beschl. v. 27.6.2001 - 5 StR 181/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 27. Juni 2001
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2001
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dresden vom 14. November 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt unterblieben ist und
b) soweit der Verfall des Wertersatzes angeordnet worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 32
Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit
unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie wegen
(gewerbsmäßigen) unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Es hat ferner ein Tatwerkzeug eingezogen sowie den Verfall
des Wertersatzes in Höhe von 217.262,50 DM angeordnet. Die
Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. April 2001
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit
das Rechtsmittel sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch
richtet. Jedoch kann das Urteil aus sachlichrechtlichen
Gründen keinen Bestand haben, soweit die Prüfung der
Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB unterblieben
ist und der Verfall des Wertersatzes angeordnet worden ist.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:
"Die Strafkammer hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Anordnung der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach
§ 64 Abs. 1 StGB zu prüfen. Das insoweit
sachverständig beratene Landgericht hat beim Angeklagten im
Tatzeitraum eine Polytoxikomanie im Sinne der Abhängigkeit mit
Konsum von mindestens drei verschiedenen Betäubungsmitteln
sowie Beruhigungsmitteln festgestellt und den Schweregrad der
Polytoxikomanie dem Stadium 3 zugeordnet (UA S. 20). Der Angeklagte
beteiligte sich an den abgeurteilten Rauschgiftgeschäften, um
sich selbst Rauschgift beschaffen zu können (UA S. 21). Danach
bestand beim Angeklagten im Tatzeitraum eine
Suchtmittelabhängigkeit, die ausweislich der
Urteilsgründe zwar als ´schwere andere seelische
Abartigkeit´ zu werten ist und die in Zeiten exzessiven
Drogenkonsums zu einer verminderten Steuerungsfähigkeit im
Sinne der drogeninduzierten Senkung der Hemmschwelle sowie der Kritik-
und Urteilsfähigkeit geführt hat; erheblich
verminderte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21
StGB lag indessen nicht vor (UA S. 5/6). Demgemäß
führt das Landgericht in den Urteilsgründen aus (UA
S. 28 oben): ´Für den Angeklagten spricht,
daß er gewillt ist, sich seiner Suchtproblematik zu stellen
und, um dieser zu begegnen, eine entsprechende Therapie zu absolvieren.
Eine Suchttherapie erscheint aus Sicht der Kammer
unerläßlich, damit der Angeklagte im
Anschluß an die Verbüßung seiner Strafe
für die Taten, die er auch aufgrund seiner
Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, die Chance
der Rehabilitation und für eine erfolgreiche Resozialisierung
hat. Er sieht dies in einsichtiger Weise ebenso.´ Auf dem
Hintergrund dieser Erwägungen hätte das Landgericht
die Unterbringung des Angeklagten auf der Grundlage von § 64
Abs. 1 StGB erörtern müssen. Erheblich verminderte
Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB wird
für die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB
nicht vorausgesetzt (BGH NJW 1990, 3282 m.w.N.).
Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die
Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2
Satz 2 StPO; vgl. BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die
Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht
vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
Anhaltspunkte dafür, daß keine hinreichend konkrete
Aussicht besteht, den Angeklagten von seinem Hang zu heilen oder doch
über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die
Sucht zu bewahren (vgl. BVerfGE 91, 1, 29), sind angesichts der vom
Landgericht festgestellten Einsicht des Beschwerdeführers in
die Therapienotwendigkeit nicht ersichtlich. Da die Strafkammer die
Notwendigkeit der an den Strafvollzug sich anschließenden
Therapie bereits in ihre Strafzumessungserwägungen mit
aufgenommen und darüber hinaus - was aus
Rechtsgründen nicht erforderlich gewesen wäre - die
Anordnung des Wertersatzverfalls strafmildernd berücksichtigt
hat, kann ausgeschlossen werden, daß bei Anordnung der
Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere
Gesamtfreiheitsstrafe erkannt worden wäre, weshalb der
Strafausspruch bestehenbleiben kann.
Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz kann nicht bestehenbleiben.
Auch bei der Anordnung von Wertersatzverfall können Umfang und
Wert des Erlangten geschätzt werden (§ 73b StGB). Die
Vorschrift ist auf Fälle zugeschnitten, in denen nicht mit
hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, in welcher Form und
in welcher genauen Höhe Gewinne angefallen sind (BGHR StGB
§ 73b - Schätzung 1). Allerdings darf das Gericht
auch in einem solchen Fall nicht willkürlich und ohne ein
Mindestmaß an zureichenden Anhaltspunkten vorgehen; die
notwendigen Einzelheiten müssen vielmehr soweit
geklärt sein, daß eine hinreichend sichere
Schätzungsgrundlage gegeben ist (BGH, aaO). Die Revision
rügt im vorliegenden Fall zu Recht, daß das
Landgericht die Schätzungsgrundlagen nicht hinreichend
dargelegt hat. Die Urteilsgründe beschränken sich
vielmehr auf die Mitteilung des Ergebnisses, nämlich die
ausgerechnete Gesamtsumme, für die der Verfall des
Wertersatzes angeordnet wurde. Nähere Darlegungen
wären hier umso mehr erforderlich gewesen, als in einer Reihe
von Fällen, die als Einzelfälle des Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln abgeurteilt wurden, die
Verkaufserlöse im einzelnen nicht festgestellt werden konnten.
Die Strafkammer hat sich darüber hinaus nicht erkennbar mit
§ 73c StGB auseinandergesetzt. Dazu hätte angesichts
der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
des Angeklagten zum Zeitpunkt der Aburteilung, worauf die Revision
zutreffend hinweist, Anlaß bestanden. Der Senat kann daher im
vorliegenden Fall nicht überprüfen, ob die
Voraussetzungen des unbestimmten Rechtsbegriffes einer unbilligen
Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB vorliegen
oder ob die Strafkammer das hier in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB
eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat
(vgl. BGHR StGB
§ 73c - Härte 3; BGH, Urteil vom 20. März
2001 - 1 StR 12/01 -). Selbst nachholen kann der Senat diese
Entscheidung nicht (BGH NStZ 1999, 560, 561 m.w.N.)."
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Brause
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