BGH,
Beschl. v. 27.6.2002 - 4 StR 162/02
4 StR 162/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
27. Juni 2002
in der Strafsache gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Juni
2002 gemäß §§ 154 Abs. 2, 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird auf Antrag des Generalbundesanwalts eingestellt,
soweit der Angeklagte im Fall II 2 g wegen Bedrohung verurteilt worden
ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens
und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neubrandenburg vom 28. August 2001
a) dahin geändert, daß die Verurteilung wegen
Bedrohung (Fall II 2 g der Urteilsgründe) entfällt,
b) mit den Feststellungen aufgehoben
aa) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
bb) soweit gegen den Angeklagten die Sicherungsverwahrung angeordnet
worden ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen
Mißbrauchs eines Kindes, sexuellen Mißbrauchs von
Kindern in fünf Fällen und wegen Bedrohung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten
verurteilt. Ferner hat es gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
formellen und sachlichen Rechts.
1. Soweit der Angeklagte im Fall II 2 g der Urteilsgründe
wegen Bedrohung verurteilt worden ist, wird das Verfahren auf Antrag
des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2
StPO eingestellt.
2. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
a) Der Wegfall der im Fall II 2 g verhängten
Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten führt zur Aufhebung der
Gesamtstrafe, da nicht auszuschließen ist, daß das
Landgericht eine geringere als die festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe
gebildet hätte, wenn es seiner Beurteilung
ausschließlich die nunmehr verbleibenden
Einzelfreiheitsstrafen zugrundegelegt hätte.
b) Die auf § 66 Abs. 2 StGB gestützte Anordnung der
Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand. Das Landgericht hat die Annahme eines Hanges im Sinne des
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB darauf gestützt, daß
zu den abgeurteilten Taten und den im Jahr 1997 abgeurteilten
fünf Fällen des sexuellen Mißbrauchs von
Kindern hinzukomme, "daß es bereits in den achtziger Jahren
wiederholt zu Verurteilungen wegen sexuellen Mißbrauchs von
Kindern, wobei es sich nach den Angaben des Angeklagten vorwiegend um
Fälle des Onanierens vor Kindern handelte, sowie wegen
ebenfalls vor Kindern vorgenommenen exhibitionistischen Handlungen
gekommen war" (UA 23). Die indizielle Verwertung dieser nach den
Feststellungen bereits im Register getilgten früheren
Verurteilungen verstößt gegen das Verwertungsverbot
des § 51 Abs. 1 BZRG, das auch bei der Anordnung von
Maßregeln der Besserung und Sicherung gilt (vgl. BGHSt 25,
100 ff.; BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 7) und der
Verwertung der getilgten Verurteilungen zum Nachteil des Angeklagten
entgegensteht (zur Zulässigkeit der Verwertung getilgter
früherer Verurteilungen, auf die sich der Angeklagte zu seiner
Entlastung beruft, zum Vorteil des Angeklagten vgl. BGHSt 27, 108 ff.).
Da nicht auszuschließen ist, daß die Strafkammer
ohne die Verwertung der früheren getilgten Verurteilungen zu
einer anderen Beurteilung der Voraussetzungen des § 66 StGB
gelangt wäre, bedarf die Sache auch insoweit neuer Verhandlung
und Entscheidung. Hierbei wird mit Blick darauf, daß die
abgeurteilten Taten überwiegend eher exhibitionistischen
Charakter haben, die Verhältnismäßigkeit
der Anordnung (§ 62 StGB) besonderer Prüfung
bedürfen.
Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanovic Sost-Scheible
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