BGH,
Beschl. v. 27.5.2003 - 4 StR 140/03
4 StR 140/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
27. Mai 2003
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Mai
2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen
vom 22. Oktober 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die
hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der
Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die
Verfahrensrügen bedarf es deshalb nicht.
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten der zum Nachteil
des Heiko K. begangenen gefährlichen Körperverletzung
für schuldig befunden. Dagegen hält die Verurteilung
wegen tateinheitlich verwirklichten versuchten Totschlags der
rechtlichen Prüfung deshalb nicht stand, weil die
Begründung, mit der das Landgericht einen strafbefreienden
Rücktritt vom Versuch gemäß § 24
Abs. 1 StGB verneint hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
Nach den Urteilsfeststellungen stach der Angeklagte im Streit mit einem
Klappmesser auf den Zeugen K. ein; dabei handelte er mit bedingtem
Tötungsvorsatz. Drei wuchtige Stiche trafen das Tatopfer in
den Hals, in den
Oberbauch bis in die Nähe des Herzbeutels sowie in den Bereich
der Leber und verursachten lebensgefährliche Verletzungen.
Gleichwohl rannte der Geschädigte davon, wobei ihm der
Angeklagte nachrief: "Lauf weg, sonst bring ich Dich um" und ihm mit
dem Messer in der Hand eine kurze Strecke nachlief.
Schließlich stellte der übergewichtige Angeklagte
die Verfolgung des wesentlich jüngeren und wendigeren Zeugen
K. ein und rief diesem nach "Geh weg, Du Penner".
Das Landgericht meint, es liege ein fehlgeschlagener Versuch vor. Von
diesem habe der Angeklagte nicht freiwillig zurücktreten
können, da er an der weiteren Tatausführung durch die
Flucht des Geschädigten, dessen Verfolgung er aufgrund
körperlicher Probleme habe abbrechen müssen,
gehindert worden sei.
Diese Begründung trägt den Ausschluß eines
strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch nicht. Das
Landgericht hat nicht hinreichend dargetan, daß der
Angeklagte die Tat überhaupt noch vollenden wollte, als er dem
Fliehenden mit dem Messer in der Hand eine kurze Strecke hinterherlief.
Insbesondere könnte die Äußerung des
Angeklagten "Lauf weg, sonst bring ich Dich um" gegen das Fortbestehen
eines Tötungsvorsatzes sprechen. Mit dieser
Äußerung hat sich das Landgericht nur im
Zusammenhang mit der Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch
auseinandergesetzt. Es hat nicht bedacht, daß diese
Äußerung auch für die Frage des Vorsatzes
von Bedeutung sein kann, da ihr Wortlaut darauf hindeuten
könnte, daß der Angeklagte, als er dem Fliehenden
nacheilte, nur noch seinen Gegner verjagen und nicht mehr
töten wollte.
Die Sache bedarf daher neuer Entscheidung. Im Hinblick auf die vom
Landgericht angenommene tateinheitliche Verwirklichung von versuchtem
Totschlag und - für sich rechtsfehlerfrei festgestellter -
gefährlicher Körperverletzung hat der aufgezeigte
Rechtsfehler die Aufhebung des Urteils insgesamt zur Folge (vgl. BGHR
StPO § 353 Aufhebung 1).
Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanovic RiBGH Dr. Ernemann
befindet sich in Urlaub und ist deshalb gehindert
zu unterschreiben
Tepperwien- . .
|