BGH,
Beschl. v. 27.5.2003 - 4 StR 142/03
4 StR 142/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
27. Mai 2003
in der Strafsache gegen
wegen Untreue
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Mai
2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 13. Mai 2002 aufgehoben
a) in den Fällen II 9 e), f), g), h) und i) sowie in den
Fällen II 10 und II 11 der Urteilsgründe; die
insoweit getroffenen Feststellungen - mit Ausnahme der zur Tatzeit im
Fall II 9 g) - bleiben aufrechterhalten;
b) im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen (UA 48 Abs. 2 bis
UA 50).
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 25 Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren
Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen
gerichtete Revision des Angeklagten, der die Verletzung formellen und
materiellen Rechts rügt, hat den aus der
Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg. Im übrigen
ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
1. Das angefochtene Urteil hat in den in der Beschlußformel
zu 1 a) genannten Fällen keinen Bestand, weil insoweit
Verfolgungsverjährung eingetreten sein kann. Die Tatzeiten der
vom Landgericht abgeurteilten Untreuehandlungen des Angeklagten liegen
nach den getroffenen Feststellungen in der Zeit zwischen 1993 und 1996.
Für die vor dem 5. Mai 1994 begangenen Taten wäre die
fünfjährige Verfolgungsverjährungsfrist nach
§§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4, 266 Abs. 1 StGB bereits
zum Zeitpunkt des Eingangs der Anklageschrift (§ 78 c Abs. 1
Nr. 6 StGB; vgl. hierzu BGH StV 1993, 71, 72; BGHR StGB § 78 c
Abs. 1 Nr. 7 Eröffnung 1 m.w.N.) beim Landgericht am 4. Mai
1999 abgelaufen gewesen, sofern die Frist nicht zuvor wirksam
unterbrochen worden ist. Ob dies der Fall ist, kann der Senat bei den
genannten sieben Fällen nicht abschließend
entscheiden; dies bedarf erneuter Prüfung durch den Tatrichter.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des
Landgerichts waren die Taten in den Fällen II 9 e), f), h), i)
und 10 mit der Auszahlung von Geldern zwischen dem 19. November 1993
und dem 26. April 1994 beendet. Von einer Beendigung vor dem 5. Mai
1994 ist auch im Fall II 11 auszugehen, bei dem der Angeklagte am 8.
November 1993 einen Warengutschein des Möbelhauses IKEA an die
Zeugin S. ausgab. Laut Anklageschrift soll sie ihn am 20. Dezember 1993
eingelöst haben; das Urteil verhält sich hierzu
nicht. Im Fall II 9 g) datiert die festgestellte Zahlung unter dem
"26.04.1995". Dafür, daß es sich bei diesem Datum um
ein bereits aus der Anklageschrift übernommenes
Schreibversehen handelt und der 26. April 1994 gemeint war, spricht der
Umstand, daß bei ansonsten chronologischer
Aufzählung der angeklagten und abgeurteilten Fälle
diese Tat zwischen einer vom "22.02.1994" und zwei weiteren Taten vom
"26.04.1994" mit gleichem Zahlungsempfänger aufgelistet ist.
Da sich die Strafkammer in der Beweiswürdigung mit der Tatzeit
nicht befaßt hat, wird der neue Tatrichter über die
Tatzeit in diesem Fall mit Blick auf die in betracht kommende
Verjährung erneut zu befinden haben (vgl. BGHSt 41, 305, 310).
b) Aus den dem Revisionsgericht vorgelegten Akten vermag der Senat
keine Verjährungsunterbrechung vor Anklageerhebung zu
entnehmen.
aa) Insbesondere war eine nach § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB die
Verjährung unterbrechende Beschuldigtenvernehmung
unterblieben, wie der Leitende Oberstaatsanwalt in seinem Schreiben vom
5. Juli 1999 gegenüber dem Angeklagten eingeräumt hat
(EA Bd. II Bl. 531). Die Akten ergeben auch keine entsprechende
Anordnung.
bb) Die Verfolgungsverjährung ist auch nicht wirksam durch die
richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen des
Amtsgerichtes Saarlouis vom 29. Januar 1997 unterbrochen worden. Denn
diese "wegen Verdachts des Betruges, Bestechung pp." erlassenen
Beschlüsse genügen nicht den Mindestanforderungen,
die an die Konkretisierung des Tatvorwurfs zu stellen sind.
Bei Zweifeln über den Lebenssachverhalt, der den Tatverdacht
für einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß
begründen soll, ist grundsätzlich der
Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden das
entscheidende Kriterium für die sachliche Reichweite der
Unterbrechungswirkung (BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 4
Durchsuchung 1 m.w.N.). Dabei ist es hier zwar unerheblich,
daß sich die Beschlüsse auf Durchsuchungen bei
Dritten bezogen (BGHR StGB § 78 c Abs. 4 Bezug 1), doch
erfassen sie schon der Zielrichtung des Antrages der Staatsanwaltschaft
nach jedenfalls nicht den Fall II 11 (Gewährung eines
Gutscheins der Firma IKEA an die Zeugin S. ).
Im übrigen kann die zum Zwecke der Auslegung der sachlichen
Reichweite der Verjährungsunterbrechung grundsätzlich
mögliche Heranziehung des Inhaltes der Ermittlungsakten und
des Durchsuchungsantrages dann keine Verjährungsunterbrechung
mehr bewirken, wenn die jeweilige Durchsuchungsanordnung selbst den
verfassungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen nicht standhält
(BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 4 Durchsuchung 1). Danach
müssen derartige schwerwiegende Eingriffe in die
Lebenssphäre der Betroffenen, insbesondere in das Grundrecht
nach Art. 13 GG, meßbar und kontrollierbar sein. Diesen
Anforderungen wird ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei
tatsächliche Anhaltspunkte über den Inhalt des
Tatvorwurfs enthält, nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche
Angaben - wie hier - nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres
möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht
abträglich sind (BVerfGE 42, 212, 220 f.; 44, 353, 371 f.;
BVerfG wistra 1999, 257; NStZ 2000, 601; 2002, 372 f.; StV 2002, 406,
407; BVerfG, Beschl. vom 5. Dezember 2002
- 2 BvR 1028/02; vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. §
105 Rdn. 5 m.w.N.).
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, daß die
Eingrenzungsfunktion des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses schon
durch knappe, aber aussagekräftige Tatsachenangaben gewahrt
sein kann, wobei einzelne Umgrenzungsmerkmale wie Tatzeit, Tatort oder
Handlungsabläufe von Fall zu Fall unterschiedliches Gewicht
haben (BVerfG NStZ 2002, 212, 213). Doch sind hier die
handschriftlichen Eintragungen im Formularbeschluß weder
für sich noch in Verbindung mit dem Betreff: "wegen Verdachts
des Betruges, Bestechung pp." geeignet, eine aussagekräftige
Tatsachengrundlage für den Verdacht einer Tathandlung des
Angeklagten zu begründen.
Daß die richterlichen Beschlüsse ihrer
Umgrenzungsfunktion zuwider noch weit hinter dem Konkretisierungsgrad
der Durchsuchungsanträge zurückgeblieben sind, ist
hier um so weniger nachvollziehbar, als der erste Ermittlungsrichter,
der über dieselben Anträge der Staatsanwaltschaft zu
entscheiden hatte, schon mangels ausreichender Konkretisierung des
Tatverdachts gegen die Mitbeschuldigten und der aufzufindenden
Beweismittel den Erlaß entsprechender Beschlüsse
abgelehnt hatte.
c) Der Senat, dem nur die Ermittlungsakten ohne Fallakten und Beiakten
vorgelegen haben, kann angesichts entsprechender konkreter
Anhaltspunkte (vgl. EA Bd. I Bl. 3, 15, 20, 104; Bd. II Bl. 279) nicht
ausschließen, daß bezüglich der von der
Aufhebung betroffenen Fälle verjährungsunterbrechende
Maßnahmen erfolgt sind, insbesondere eine mit
Verfolgungswillen von den Strafverfolgungsbehörden
gegenüber dem Angeklagten bewirkte Bekanntgabe der Einleitung
des Ermittlungsverfahrens nach § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB, die
sich etwa aus anderen als den dem Senat vorliegenden Akten ergeben
könnte (vgl. BGHSt 30, 215, 217, 219, BGHR StGB § 78
c Abs. 1 Nr. 1 Bekanntgabe 1, 2, 3). Der Senat sieht davon ab, das von
Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende
Prozeßhindernis im Freibeweisverfahren zu klären
(vgl. BGHSt 46, 307, 309 f.; NJW 2003, 226, 228), zumal zur
Klärung der Verjährungsunterbrechung neben der
Zuziehung weiterer Akten die Vernehmung der Ermittlungsbeamten
erforderlich werden könnte.
2. Im übrigen hat die Überprüfung des
Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Die zu den von der Aufhebung betroffenen Taten getroffenen
Feststellungen können mit Ausnahme der Feststellung zur
Tatzeit im Fall II 9 g) der Urteilsgründe bestehen bleiben.
Die Teilaufhebung des Urteils zieht aber die Aufhebung des
Gesamtstrafenausspruchs nach sich, weil der Senat nicht mit Sicherheit
ausschließen kann, daß die Gesamtstrafe ohne die
betreffenden sieben Einzelstrafen niedriger ausgefallen wäre.
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