BGH,
Beschl. v. 27.5.2008 - 4 StR 150/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 150/08
vom
27.5.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27.5.2008
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 13. Dezember 2007 werden
1. der Schuldspruch im Fall II 8 der Urteilsgründe dahin
geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur versuchten
räuberischen Erpressung schuldig ist,
2. der Strafausspruch hinsichtlich des Falles II 8 der
Urteilsgründe und der Gesamtstrafenausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
sieben Fällen und wegen Beihilfe zum erpresserischen
Menschenraub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren
verurteilt; außerdem hat es eine Verfallsanordnung getroffen.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
die Verletzung materiellen Rechts rügt und insbesondere die
Nichtanord-
1
- 3 -
nung einer Unterbringung nach § 64 StGB beanstandet. Das
Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg;
im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
Die Wertung des Geschehens im Fall II 8 der Urteilsgründe als
Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub begegnet durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
2
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen ließ der
Rauschgifthändler "M. " fortlaufend durch Kuriere Kokain nach
Europa einführen; der Angeklagte beteiligte sich an diesen
Taten als Gehilfe. Beide argwöhnten, einer der Kuriere habe
sich - möglicherweise im Einvernehmen mit dem Zeugen B. - mit
etwa einem Kilogramm Kokain abgesetzt; tatsächlich war der
Kurier in Frankreich verhaftet worden. "M. " beabsichtigte, den Zeugen
in die Niederlande zu verbringen und dort massiv
einzuschüchtern, um von ihm Ersatz für den erlittenen
Verlust zu erlangen. In Kenntnis dieses Plans zwang der Angeklagte den
Zeugen B. unter Gewaltanwendung, in den Kofferraum des von "M. "
geführten Kraftfahrzeugs zu steigen. "M. " fuhr mit dem Zeugen
in die Niederlande. Bevor er ihn dort aussteigen ließ, drohte
er ihm, dessen Mutter zu erschießen, falls dieser nicht bis
zum Abend ein Kilogramm Kokain oder den Gegenwert in Geld
übergeben würde. Der Zeuge wandte sich aus Angst an
die Polizei in Arnheim und erstattete Anzeige.
3
Diese Feststellungen vermögen die Verurteilung wegen Beihilfe
zum erpresserischen Menschenraub nicht zu rechtfertigen. Zwar hat sich
"M. " mit Hilfe des Angeklagten des Zeugen B. bemächtigt, um
ihn zu erpressen; es fehlt aber an der Absicht, die so geschaffene Lage
für die Erpressung auszunutzen. Zwischen der
Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung
4
- 4 -
muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass
der Täter das Opfer oder einen Dritten während der
Dauer der Zwangslage erpressen will (vgl. BGHSt 40, 350, 355; BGHR StGB
§ 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5; vgl. auch Fischer
StGB 55. Aufl. § 239 a Rdn. 7 m.w.N.). Sieht dagegen - wie
hier - der Tatplan vor, dass die Leistung, die der Täter
erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die
Bemächtigungslage bereits beendet ist, fehlt es an der Absicht
des Ausnutzens gemäß § 239 a Abs. 1 StGB.
Allerdings hat sich der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen
der Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung schuldig
gemacht. Der Angeklagte hat "M. " bei dessen Vorhaben
unterstützt, von dem Zeugen unter Anwendung beziehungsweise
Androhung von Gewalt die Übergabe von Rauschgift bzw. des
Gegenwerts in Geld zu verlangen, obwohl dieser, wie sie wussten, keinen
Anspruch darauf hatte. Ein strafbefreiender Rücktritt
(§ 24 StGB) scheidet von vornherein aus, da der Versuch
fehlgeschlagen ist, weil das Opfer unverzüglich Anzeige
erstattet hat.
5
Der Senat ändert den Schuldspruch insoweit entsprechend ab.
§ 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der
geständige Angeklagte sich gegen den geänderten
Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen
können; zudem war dem Angeklagten bereits in der
Anklageschrift eine
6
- 5 -
tateinheitlich mit erpresserischem Menschenraub begangene versuchte
schwere räuberische Erpressung zur Last gelegt worden. Die
Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der insoweit
verhängten Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
sowie der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann |