BGH,
Beschl. v. 27.5.2008 - 4 StR 58/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 58/08
vom
27. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Betrugs u.a. zu 2.: Beihilfe zum Betrug u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 27. Mai 2008
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Rostock vom 12. September 2007
1. in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass
a) der Angeklagte B. des Betruges, der Nötigung und des
vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
b) der Angeklagte S. der Beihilfe zum Betrug und der Nötigung
schuldig sind,
2. in den Strafaussprüchen aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Betrug und mit
vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Einzelstrafe: drei
Jahre Freiheitsstrafe) unter Einbeziehung rechtskräftig
verhängter Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtstrafe von
vier Jahren und neun Monaten verurteilt, neben der eine weitere
rechtskräftige Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
fünf Monaten bestehen blieb; außerdem hat es eine
Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf
Jahren angeordnet. Den Angeklagten S. hat es wegen schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Betrug
(Einzelstrafe: zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe) unter
Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten
Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die
Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und
materiellen Rechts rügen. Die Verfahrensrügen sind
nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344
Abs. 2 Satz 2 StPO); die Sachrügen führen zur
Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der
erkannten Einzelstrafen sowie der Gesamtfreiheitsstrafen.
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1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bot der Zeuge
Se. dem Angeklagten B. einen Mercedes-Vito-Transporter, den Freunde von
ihm mittels eines gefundenen Fahrzeugschlüssels gestohlen
hatten, zum "Kauf" an. Der Angeklagte B. ging zum Schein auf das
Angebot ein und bot für den Transporter, der einen Wert von
etwa 20.000 € hatte, 500 € an. Tatsächlich
hatte er vor, sich das Fahrzeug zu verschaffen, ohne etwas
dafür zu bezahlen. In diesen Plan weihte er den Angeklagten S.
und einen unbekannten Dritten ein. Gemeinsam holten die Drei den Zeugen
Se. am späten Abend ab und fuhren mit ihm im Fahrzeug des
Angeklagten S. zum
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Abstellort des Transporters. Der Angeklagte B. ließ sich die
Fahrzeugschlüssel aushändigen und erklärte
dem Zeugen wahrheitswidrig, dieser werde das Geld erhalten, sobald der
Transporter in L. , wohin sie nun alle fahren würden, an den
Endabnehmer verkauft worden sei. Er fuhr mit dem Transporter voran,
wobei er nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war. Der
Angeklagte S. folgte ihm zunächst mit seinem Fahrzeug, auf
dessen Rücksitz der Zeuge Se. und der unbekannte Dritte
saßen. Sodann bog er absprachegemäß in ein
Waldstück und hielt dort an. Der unbekannte Dritte forderte
den Zeugen mehrfach auf auszusteigen. Dieser widersetzte sich
zunächst unter Hinweis auf die ausstehende Bezahlung. Erst als
der Dritte ihm - entsprechend dem gemeinsamen Tatplan - einen
waffenartigen Gegenstand, den er zum Schein laut durchgeladen hatte, an
den Kopf hielt, stieg der Zeuge Se. aus und "verzichtete
endgültig auf die 500 € und den Transporter" [UA 9].
2. Diese Feststellungen tragen weder die Verurteilung der Angeklagten
wegen schwerer räuberischer Erpressung noch die des
Angeklagten S. wegen täterschaftlich begangenen Betruges.
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a) Zutreffend hat das Landgericht allerdings den Angeklagten B. des
Betruges schuldig befunden. Dieser Angeklagte täuschte den
Zeugen Se. über seine Zahlungswilligkeit und erreichte damit,
dass der Zeuge ihm den Besitz an dem Transporter
überließ. Damit hat er den Tatbestand des §
263 Abs. 1 StGB erfüllt. Ohne Bedeutung ist in diesem
Zusammenhang, dass die Freunde des Zeugen, für die dieser das
Fahrzeug absetzen wollte, den Besitz daran durch Diebstahl erlangt
hatten, denn auch der durch einen Diebstahl erlangte rechtswidrige
Besitz gehört zu dem von § 263 StGB
geschützten Vermögen (vgl. Fischer StGB 55. Aufl.
§ 263 Rdn. 64 m.w.N.). Der Angeklagte B. hat den
rechtswidrigen Vermögensvorteil, der in dem Besitz des
Transporters
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bestand, in dem Moment erlangt, als er das Fahrzeug an dem Abstellort
übernahm und der Zeuge Se. jede
Einwirkungsmöglichkeit verlor.
Für eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen
mittäterschaftlich begangenen Betruges reichen die getroffenen
Feststellungen dagegen nicht aus. Der Angeklagte S. spielte bei dem
Betrug nur eine untergeordnete Rolle. Er unterstützte den
Angeklagten B. bei der Tatbegehung lediglich dadurch, dass er die
Beteiligten in Kenntnis des Tatplans zum Übergabeort fuhr.
Sämtliche Täuschungshandlungen hat allein der
Angeklagte B. ausgeführt; nur er hatte ein Interesse an der
Durchführung der Tat, denn es ging ihm darum, "sich den
Transporter kostenlos zu verschaffen" [UA 7]. Ein eigenes Tatinteresse
des Angeklagten S. bestand nach den Feststellungen nicht. Er hat sich
daher lediglich der Beihilfe zum Betrug, §§ 263 Abs.
1, 27 StGB, schuldig gemacht.
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b) Die Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung hält rechtlicher
Prüfung ebenfalls nicht stand. Zwar ist der Zeuge Se. durch
die Bedrohung mit dem waffenartigen Gegenstand nicht nur dazu
genötigt worden, das Fahrzeug des Angeklagten S. zu verlassen,
sondern auch endgültig auf das Fahrzeug und die vereinbarte
Zahlung von 500 € zu verzichten; ein Vermögensschaden
wurde ihm dadurch aber nicht zugefügt. Der
Vermögensnachteil auf Seiten des Zeugen, der in dem
Besitzverlust des Transporters ohne entsprechende Gegenleistung
bestand, ist bereits durch den vorangegangenen Betrug eingetreten. Die
nach Beendigung des Betruges erfolgte Bedrohung diente allenfalls der
Sicherung des vom Angeklagten B. bereits erlangten
Vermögensvorteils (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1
Vermögensschaden 2; Eser in Schönke/Schröder
StGB 27. Aufl. § 253 Rdn. 37; zu den Sonderfällen
unmittelbar anschließender Gewaltanwendung nach fehlge-
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schlagener Täuschung bzw. vor Beendigung des Betruges vgl.
BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1 m.w.N.; BGH NStZ 2002, 33).
Der endgültige Verzicht auf die versprochene Gegenleistung, zu
dem der Zeuge genötigt wurde, trägt die Verurteilung
wegen schwerer räuberischer Erpressung ebenfalls nicht. Zwar
kann eine Erpressung auch dadurch begangen werden, dass der
Täter das Tatopfer durch Drohung oder Gewalt dazu veranlasst,
auf die Geltendmachung einer Forderung zu verzichten. Der von dem
Tatbestand vorausgesetzte Vermögensschaden tritt in diesen
Fällen aber nur ein, wenn eine Forderung besteht und auch
werthaltig ist. Hier stand dem Zeugen Se. jedoch kein Anspruch auf
Zahlung gegen den Angeklagten B. zu.
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c) Die insoweit getroffenen Feststellungen ergeben allerdings, dass
sich die Angeklagten der gemeinschaftlich begangenen Nötigung,
§§ 240, 25 Abs. 2 StGB, schuldig gemacht haben.
Entsprechend dem vom Angeklagten B. entwickelten Tatplan hat auch der
Angeklagte S. daran mitgewirkt, den Zeugen Se. durch Drohung mit einem
empfindlichen Übel dazu zu veranlassen, sich mit dem
Besitzverlust endgültig abzufinden. Dieser Tatbestand steht in
Tatmehrheit mit dem Betrug bzw. der Beihilfe zum Betrug (vgl. Eser aaO
§ 253 Rdn. 37) sowie zu dem vom Angeklagten B. begangenen
Fahren ohne Fahrerlaubnis.
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3. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend
ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da
auszuschließen ist, dass sich die Angeklagten gegen die
geänderten Schuldvorwürfe anders als geschehen
hätten verteidigen können, zumal in der Verurteilung
wegen schwerer räuberischer Erpressung der
Nötigungsvorwurf mit enthalten ist. Die Änderung der
Schuldsprüche zieht
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die Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Aussprüche
über die Gesamtstrafen nach sich. Der
Maßregelausspruch bezüglich des Angeklagten B. wird
davon nicht betroffen und kann bestehen bleiben.
4. Der neu entscheidende Tatrichter wird zu prüfen haben, ob
zwischen Anklageerhebung und Urteil eine der Justiz anzulastende
Verfahrensverzögerung eingetreten ist, die einen
Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK darstellt und eine
Kompensation erfordert, welche im Wege des Vollstreckungsmodells (vgl.
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 = NJW 2008, 860 f.)
vorzunehmen wäre.
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Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann |