BGH,
Beschl. v. 27.11.2002 - 2 StR 419/02
2 StR 419/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
27. November 2002
in der Strafsache gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27.
November 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 27. Mai 2002, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefaßt,
daß der Angeklagte der Hehlerei in einem Fall und des Betrugs
in Tateinheit mit Urkundenfälschung in sechs Fällen,
davon in einem Fall versucht, schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafen von jeweils
sechs Monaten für die Fälle II, B 2, 3, 5, 8 sowie im
Gesamtstrafenausspruch und
bb) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Hehlerei in vier
Fällen und wegen Betrugs in Tateinheit mit
Urkundenfälschung in sieben Fällen, davon in einem
Fall versucht, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Durch Beschluß vom 27. Juni 2002 hat schon das Landgericht
die Urteilsformel wegen eines Zählfehlers dahin berichtigt,
daß der Angeklagte des Betrugs in Tateinheit mit
Urkundenfälschung in sechs Fällen schuldig ist. Mit
demselben Beschluß hat das Landgericht auch den Schuldspruch
gegen die Mitangeklagte wegen eines gleichartigen Zählfehlers
berichtigt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der
Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im
übrigen ist es offensichtlich unbegründet.
II.
1. Der Angeklagte hat sich der Hehlerei in einem Fall schuldig gemacht
und nicht in vier Fällen.
Die Mitangeklagte hatte in einer Postfiliale vier
Blanko-Postsparbücher entwendet, mit Hilfe der
Sparbücher fiktive Konten eröffnet und von den vier
gefälschten Sparbüchern jeweils 3.000 DM, insgesamt
also 12.000 DM abgehoben. Anschließend kehrte sie in ihre
Wohnung zurück und berichtete dem Angeklagten von der
Entwendung der Sparbücher, der fiktiven
Kontoeröffnung und den Abhebungen. Das erbeutete Geld haben
die beiden Angeklagten gemeinsam verbraucht.
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten zu Recht als Hehlerei
gewertet. Aus den Feststellungen ergibt sich zwar nicht, daß
der Angeklagte sich das Geld im Sinne von § 259 StGB
verschafft hat, indem er eine eigene (Mit-)Verfügungsgewalt
hierüber erlangt hat. Er hat aber zumindest beim gemeinsamen
Absetzen des erbeuteten Geldes geholfen (vgl. BGH GA 1965, 374; BGH,
Beschl. vom 16. April 1985 - 5 StR 147/85). Daß die Beute aus
vier betrügerischen Abhebevorgängen stammt,
begründet jedoch nicht die Annahme von vier Hehlereitaten.
Wirkt der Hehler beim Absatz von Beute mit, die - wie hier - aus
mehreren Vortaten stammt, handelt es sich nur um eine Tat (vgl. Stree
in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 259
Rdn. 64; § 52 Rdn. 29). Aus den bisherigen Feststellungen
ergeben sich keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür,
daß die Absatzhilfe des Angeklagten ihrerseits in mehrere
rechtlich selbständige Taten aufzuteilen wäre. Da
insoweit keine ergänzenden Feststellungen zu erwarten sind,
aus denen sich eine Mehrzahl von Hehlereitaten des Angeklagten ergeben
könnte, ist zu seinen Gunsten davon auszugehen, daß
er sich wegen Hehlerei in einem Fall schuldig gemacht hat.
Der Schuldspruch ist deshalb entsprechend zu ändern
(§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht dem bei
dem geständigen Angeklagten nicht entgegen.
Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der betroffenen
vier Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten in den
Fällen II, B 2, 3, 5 und 8 sowie der Gesamtfreiheitsstrafe
nach sich.
2. Eine weitergehende Schuldspruchberichtigung wegen eines
Zählfehlers bei der Zahl der Fälle des Betrugs in
Tateinheit mit Urkundenfälschung ist nicht
veranlaßt. Der Beschluß, mit dem das Landgericht
die verkündete Urteilsformel bereits selbst wegen eines
Zählfehlers berichtigt hat, ist - entgegen der Ansicht des
Generalbundesanwalts - wirksam. Dem Landgericht ist ein
offensichtliches Verkündungsversehen unterlaufen. Der Fehler
betrifft allein die Zählung der tatsächlich
abgeurteilten Fälle. Ein solcher Zählfehler darf -
auch vom Tatrichter selbst - berichtigt werden, wenn er für
alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum
auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Änderung
des Urteils begründen kann (vgl. zur Berichtigung von
Zählfehlern BGH NStZ 2000, 386 m.w.N.). Diese Voraussetzungen
sind hier gegeben. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten in ihrer
Anklageschrift elf Taten zur Last gelegt. Kurz vor den
Plädoyers erging in der Hauptverhandlung der
Beschluß, daß das Verfahren wegen der Tat Nr. 1 der
Anklage gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt
werde, "so daß nur noch Ziffer 2 bis 11 der Anklage verfolgt
werden". Hieraus ergab sich in der Hauptverhandlung für alle
Beteiligten zweifelsfrei, daß nur noch zehn Taten Gegenstand
des Verfahrens waren. Gleichwohl umfaßte der Schuldspruch elf
Taten. Diese Abweichung betraf nicht die Zahl der nach einem
rechtlichen Hinweis als Hehlerei abgeurteilten vier Fälle, so
daß sie sich notwendigerweise bei der Zählung der
Betrugsfälle ergeben haben mußte.
Da im Revisionsverfahren des Angeklagten eine Schuldspruchberichtigung
wegen dieses Zählfehlers nicht mehr erfolgen muß,
ist schon deshalb für eine Erstreckung des Rechtsmittels auf
die Mitangeklagte (§ 357 StPO) kein Raum, zumal das
Landgericht auch ihren Schuldspruch bereits selbst berichtigt hat.
3. Keinen Bestand hat das Urteil schließlich, soweit das
Landgericht nicht über die Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entschieden hat. Die
Prüfung dieser Frage drängte sich nach den
Urteilsfeststellungen auf.
Der Angeklagte ist seit längerer Zeit in erheblichem Umfang
rauschgiftabhängig. Seit Anfang der 90er Jahre konsumierte er
zunächst Haschisch und verlor deshalb seinen Ausbildungsplatz
als Elektroniker. Jedenfalls seit Anfang 1999 konsumierte er
gewohnheitsmäßig Heroin, Kokain und andere Drogen,
vor allem Crack. Heroin und Kokain hat er geschnupft. Der gemeinsame
Heroinverbrauch des Angeklagten und der Mitangeklagten betrug
schließlich an den Wochenenden etwa 1 1/2 g pro Tag.
Gelegentlich wurde auch Crack geraucht. Für das konsumierte
Rauschgift gab die Mitangeklagte dem Angeklagten etwa 300 bis 400 DM
pro Woche (UA S. 5). Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht
zugunsten des Angeklagten gewertet, daß bei ihm eine auf
jahrelangem Konsum beruhende Drogengewöhnung und psychische
Abhängigkeit vorliege, die letztlich zu erhöhtem
Geldbedarf geführt habe, der wiederum ein wesentlicher Grund
für die Begehung der Taten gewesen sei, ohne jedoch die
Schuldfähigkeit erheblich zu vermindern (UA S. 15).
Angesichts dieser Umstände lag eine Anordnung nach §
64 StGB hier in einer Weise nahe, daß sich das Fehlen der
Prüfung unter diesem Gesichtspunkt als durchgreifender
sachlich-rechtlicher Mangel darstellt. Die Strafkammer hätte
unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a
StPO) prüfen müssen, ob die zu beurteilenden Taten
auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, Drogen im
Übermaß zu sich zu nehmen und ob die Gefahr besteht,
daß der Angeklagte infolge seiner Abhängigkeit
rückfällig werden und dem durch seine Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt begegnet werden kann. Es ist nicht
ersichtlich, daß keine hinreichend konkrete Aussicht besteht,
den Angeklagten zu heilen oder doch für eine gewisse
Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren
(vgl. BVerfGE 91, 1). Daß nur der Angeklagte Revision
eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht
(vgl. BGHSt 37, 5). Die Nichtanwendung des § 64 StGB ist vom
Rechtsmittelangriff auch nicht ausgenommen worden (vgl. BGHSt 38, 362).
Die Einzelstrafen für die Betrugstaten werden von der
Teilaufhebung nicht berührt. Der Senat schließt aus,
daß der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung geringere
Strafen verhängt hätte.
Eine Erstreckung der teilweisen Aufhebung des Urteils auf die
Mitangeklagte, die keine Revision eingelegt hat, kommt auch in Bezug
auf die Maßregelentscheidung nicht in Betracht (vgl. BGHR
StPO § 357 Erstreckung 4).
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