BGH,
Beschl. v. 27.11.2008 - 2 StR 421/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 421/08
vom
27. November 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 27. November
2008 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4,
357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten H. und K. wird das Urteil des
Landgerichts Kassel vom 29. Mai 2008
a) mit den Feststellungen aufgehoben im Schuld- und Strafausspruch
soweit diese Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung,
Beleidigung und Sachbeschädigung verurteilt worden sind sowie
im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) mit den Feststellungen aufgehoben im Schuldspruch soweit der
Mitangeklagte He. wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und
Sachbeschädigung verurteilt worden ist sowie im Strafausspruch
insgesamt.
2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten H. und K. wegen erpresserischen
Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung,
wegen Sachbeschädigung und den Angeklagten H. darüber
hinaus wegen Körperverletzung zu Gesamtfreiheitsstrafen von
vier Jahren (H. ) bzw. zwei Jahren und sieben Monaten (K. ) verurteilt.
Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten He. hat es wegen
erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung
sowie wegen Sachbeschädigung eine Jugendstrafe von zwei Jahren
verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt. Mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts
gestützten Revisionen rügen die Angeklagten
insbesondere, das Landgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen des
§ 239 a StGB angenommen. Die Rechtsmittel haben den aus der
Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, der gemäß
§ 357 StPO auch zur teilweisen Aufhebung der Verurteilung des
Mitangeklagten He. führt; im Übrigen sind sie
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Nach den Feststellungen bemächtigten sich die drei
Angeklagten am Morgen des 9. Oktobers 2007 des Nebenklägers.
Zuvor hatte der Angeklagte H. diesem bereits insoweit noch
nicht vom gemeinsamen Tatplan umfasst - einen Faustschlag ins Gesicht
versetzt.
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Motive für die Entführung waren, von dem
Nebenkläger angebliche Schulden in Höhe von ca. 180
Euro einzutreiben, diesen für früheres
unbotmäßiges Verhalten gegenüber den
Angeklagten zu bestrafen, sowie die Freude am Quälen von
Menschen. Darüber hinaus wollten sie den Nebenkläger
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gen, am Abend des 9. Oktobers 2007 unter ihrer Aufsicht für
sie in eine Pizzeria einzubrechen, wovon sie sich eine Beute von 2.000
bis 3.000 Euro erhofften.
Im Verlaufe des Tages fuhren die Angeklagten mit ihrem mit Handschellen
gefesselten Opfer an verschiedene Orte in den Wäldern um
Sontra sowie in die Wohnung des Angeklagten H. . Dabei
quälten, beleidigten und misshandelten sie den
Nebenkläger bei verschiedenen Gelegenheiten, obschon dieser
sich unter dem Eindruck der Folterungen alsbald bereit erklärt
hatte, den Einbruch in die Pizzeria zu begehen. U.a. schlugen sie den
Nebenkläger, der sie mit "Sir", "Gott" und "Führer"
ansprechen musste, im Verlaufe des Tages mit einer Reitgerte, traten
ihm mit Anlauf und mit voller Wucht mehrmals in die Seite und den
Rücken, zwangen ihn, einen Baum zu küssen, wobei sie
seinen Kopf mehrmals wuchtig gegen selbigen schlugen, spuckten ihm ins
Gesicht und urinierten auf ihn, wobei sie das gesamte Geschehen mittels
eines Handys filmten und mit Bemerkungen wie "Dreck zu Dreck", "kleiner
dreckiger Bastard" oder "Made" kommentierten. Weiter wurden dem Opfer
bei verschiedenen Gelegenheiten Brandverletzungen am Arm mittels eines
erhitzten Taschenmessers und eines brennenden Stockes sowie im Gesicht
mittels eines erhitzten Pfannenwenders zugefügt, bevor der
Angeklagte H. , der auf den gefertigten Filmaufnahmen als "Toni der
Quäler" auftrat, dem Nebenkläger, der sich zuvor
hatte entkleiden müssen, den Pfannenwender wuchtig in die
Genitalien schlug. Nachdem das Opfer eine von H. mit verschiedenen
Zutaten präparierte Ketchupflasche, in die dieser zuvor u.a.
uriniert hatte, ausgetrunken hatte, gelang ihm gegen 16.00 Uhr die
Flucht. Noch in ihrem Besitz verbliebene Kleidungsstücke und
sonstige Habseligkeiten des Nebenklägers warfen die
Angeklagten in die Sontra.
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2. Nach Auffassung des Landgerichts verwirklicht das Verhalten der
Angeklagten während der Entführung den Tatbestand des
erpresserischen Men-
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schenraubes, der insoweit eine Klammerwirkung für das gesamte
Geschehen entfaltet.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die
Feststellungen tragen nicht die Annahme, die Angeklagten
hätten die Absicht gehabt, die Sorge des Nebenklägers
um sein Wohl zu einer Erpressung im Sinne des § 253 StGB
auszunutzen. Bei dem dem Nebenkläger angesonnenen Verhalten,
einen Einbruch in eine Pizzeria zu begehen, handelte es sich
nämlich um eine auf die Erfüllung eines
Straftatbestandes gerichtete (abgepresste) Leistung, der
grundsätzlich kein Vermögenswert i.S.d. §
253 StGB zukommt (BGH NStZ 2001, 534; Fischer StGB 55. Aufl. §
253 Rdn. 14). Die danach erforderliche Aufhebung des Schuldspruchs
wegen erpresserischen Menschenraubes erfasst auch die tateinheitliche
Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung,
Beleidigung und Sachbeschädigung. Sie ist auf den
Mitangeklagten He. , der keine Revision eingelegt hat,
gemäß § 357 StPO zu erstrecken
(Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 357 Rdn. 4).
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Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt bei den
Angeklagten H. und K. zur Aufhebung der insoweit verhängten -
äußerst maßvollen - Einsatzstrafen und der
Gesamtstrafe, bei dem Mitangeklagten He. zur Aufhebung der
verhängten Jugendstrafe insgesamt.
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
dass die neu entscheidende Strafkammer zu prüfen haben wird,
ob in Anbetracht der Vielzahl und Intensität der
verübten gefährlichen Körperverletzungen
eine - gegebenenfalls auch konkludente - Drohung i.S.d. § 239
b StGB gegen das Entführungsopfer mit dem Tode oder einer
schweren Körperverletzung vorgelegen hat. Sollte das
Landgericht - wie vom Generalbundesanwalt vertreten - insoweit nur zu
einer Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung und versuchter
Nöti-
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gung gelangen, käme dem § 239 StGB aufgrund seiner im
Vergleich zu §§ 239 a und b StGB geringeren
Strafandrohung keine Klammerwirkung für die während
der Bemächtigungslage begangenen weiteren Straftaten (mehrere
gefährliche Körperverletzungen, Beleidigungen,
Sachbeschädigung) zu.
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