BGH,
Beschl. v. 27.11.2008 - 5 StR 526/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 27. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2008
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Chemnitz vom 11. Juli 2008 gemäß § 349 Abs.
4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben. Seine weitergehende Revision wird nach
§ 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in vier
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei
Monaten verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der Rüge
der Verletzung formellen und materiellen Rechts vor allem gegen den
Strafausspruch; sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel
ersichtlichen Umfang Erfolg.
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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Der Angeklagte zündete in drei Fällen Kraftfahrzeuge
an. Am 2. April 2007 hielt er aus Langeweile sein Feuerzeug an einen
auf der Straße abgestellten Lastkraftwagen. Als Teile des
Fahrzeugs selbständig brannten, alarmierte er die Feuerwehr
und half beim Löschen. Am 25. Oktober 2007 zündete
er, einer spontanen Idee folgend, ein Personenkraftfahrzeug auf dem
Gelände eines Autohändlers an. Während
dieses Auto ausbrannte, half
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er bei der Bergung eines daneben stehenden Fahrzeugs. Abermals aus
Langeweile entzündete der Angeklagte am 25. Dezember 2007
Kunststoffteile an einem auf der Straße parkenden
Personenkraftfahrzeug, die schließlich brannten. Der
hinzukommende Eigentümer konnte eine weitere Ausbreitung des
Feuers verhindern. Ferner setzte der Angeklagte am 24. Oktober 2007
einen an ein Gartenhaus angebauten Schuppen in Brand, da er sich
über die Eigentümer geärgert hatte und ihnen
Schaden zufügen wollte. Wie von ihm gewollt, brannten Schuppen
und Gartenhaus nieder. Zuvor hatte sich der Angeklagte versichert, dass
sich dort keine Menschen aufhielten.
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Prüfung
nicht stand. Die Revision hat mit einer letztlich zulässig
erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, mit der sie eine Verletzung
der gerichtlichen Hinweispflicht geltend macht.
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Sie beanstandet zu Recht, dass das Landgericht bei der Bemessung der
Einzelstrafen ohne vorherigen Hinweis strafschärfend
Sachverhalte berücksichtigt hat, hinsichtlich derer in der
Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren wurde (vgl.
BGHSt 31, 302, 303; BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 1, 2
und 3; BGH StV 2000, 656). Durch die Verfahrenseinstellung wird
regelmäßig ein Vertrauen des Angeklagten darauf
begründet, dass ihm der ausgeschiedene Prozessstoff nicht mehr
angelastet werde. Deswegen gebieten es die faire Verfahrensgestaltung,
aber auch der Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, vor einer
dennoch beabsichtigten nachteiligen Verwertung einen Hinweis zu
erteilen, um den Vertrauenstatbestand wieder zu beseitigen (BGHSt 30,
197; BGHR § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4; BGH StV 2004, 162).
Ein solcher Hinweis ist aber nicht erfolgt.
Er war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Hinblick auf den von
der Staatsanwaltschaft am ersten Hauptverhandlungstag gestellten Antrag
nach § 154 Abs. 2 StPO beschränkte das Landgericht
bereits vor dem stattgebenden Beschluss zumindest teilweise die
Beweisaufnahme auf die nicht von dem Antrag betroffenen Taten. Vor
diesem Hintergrund durfte der Ange
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klagte nach Erlass des Einstellungsbeschlusses darauf vertrauen, dass
die eingestellten Taten nicht verwertet werden würden. Zwar
hat der Angeklagte die Taten - wie das Urteil ausweist - gestanden.
Deshalb konnte das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu den
Tatvorwürfen durch die Beschränkung nicht beeinflusst
werden. Doch war der Hinweis erforderlich, um dem Angeklagten
Gelegenheit zu geben, durch Anträge auch zum Schuldgehalt der
von der Einstellung betroffenen Taten auf die Strafhöhe
Einfluss zu nehmen (vgl. BGH StV 2000, 656).
Auf dem Verfahrensverstoß beruht der Strafausspruch auch.
Anders als der Generalbundesanwalt sieht der Senat in der
Begründung der Strafzumessung keinen nur
überflüssigen, aber letztlich unschädlichen
Verweis auf die eingestellten Taten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16.
April 2007 - 5 StR 335/06). Das Landgericht stellt vielmehr
ausdrücklich die strafschärfende Wirkung von
fünf der eingestellten Taten fest, die es auch hinsichtlich
des verursachten Sachschadens gewichtet. Hieran anknüpfend
wertet es sodann nachteilig, dass der Angeklagte in einem Zeitraum von
über einem Jahr Unruhe und Angst verbreitet hat (UA S. 7).
Dies stützt sich nicht nur auf die abgeurteilten Taten, wie
schon deren nur acht Monate umfassender Zeitraum belegt, sondern
bezieht auch die eingestellten Taten mit ein.
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Da der Strafausspruch schon insoweit keinen Bestand haben kann, bedarf
es eines Eingehens auf die weiteren, gegen den Strafausspruch
gerichteten Verfahrensrügen nicht.
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
dass die Begründung der vom Landgericht angenommenen
uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten
revisionsrechtlicher Prüfung nicht standgehalten
hätte. Da eine Aufhebung der Schuldfähigkeit sich
nach den Feststellungen jedoch sicher ausschließen
lässt, berührt dieser Mangel den Schuldspruch nicht.
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Das Landgericht geht im Anschluss an den vom Gericht hinzugezogenen
Sachverständigen vom Vorliegen einer dissozialen
Persönlichkeitsstörung bei dem nicht vorbestraften
Angeklagten aus, die nur in Verbindung mit „massiven
konstellativen Faktoren wie starker Trunkenheit“ das
Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit
begründen könne. Diese Wertung und die Einordnung der
starken Trunkenheit als schwere andere seelische Abartigkeit sind
bereits für sich genommen zweifelhaft. Darauf kommt es aber
nicht an, da die Anknüpfungspunkte für die Wertung
lückenhaft sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit der
Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Entwicklung findet
nicht statt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 4, 9,
16, 24, 29). Angesichts der aus der Darstellung der
persönlichen Verhältnisse ersichtlichen
Besonderheiten - der nicht minderbegabte Angeklagte besuchte eine
Förderschule und steht seit Jahren unter Betreuung, die
während des Tatzeitraums erweitert worden ist - hätte
es einer eingehenderen Erörterung bedurft, ob die
Schuldfähigkeit aufgrund einer schweren anderen seelischen
Abartigkeit erheblich vermindert war. Hierbei wären auch das
Tatbild, die darin zum Ausdruck kommende Affinität des
Angeklagten zu Feuer sowie das unmittelbare Nachtatverhalten des
Angeklagten besonders in den Blick zu nehmen gewesen. Soweit das
Landgericht hierzu im Anschluss an den Sachverständigen
lediglich ausführt, dass „Gefühle der Wut
oder des Hasses … keine Kriterien der Pyromanie“
seien, gehen diese Ausführungen hinsichtlich der drei
Brandstiftungen an den Kraftfahrzeugen ins Leere. Denn solche Motive
oder auch andere offensichtliche und erkennbare Motive im Sinne der Nr.
1 der diagnostischen Leitlinien des ICD-10 zu F 63.1 sind hierzu
jedenfalls nicht festgestellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30.
September 2008 - 5 StR 305/08).
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Zudem lässt sich den Urteilsgründen nicht
nachvollziehbar entnehmen, wieso das Landgericht dem im
Ermittlungsverfahren beauftragten, hinsichtlich der Diagnose
abweichenden psychiatrischen Gutachten nicht zu folgen vermochte. Es
hat ausführlich unter Aufzählung der
Anknüpfungstatsachen dargestellt, dass dieses frühere
Gutachten von einer „testpsycholo
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gisch nachweisbaren kombinierten
Persönlichkeitsstörung“ ausgegangen sei,
die zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei
den Taten geführt habe. Das Landgericht erkennt zwar
zutreffend, dass dies eine Wertung der abweichenden
Anknüpfungspunkte und Darlegungen der
Sachverständigen erfordert hätte, wird diesen
Anforderungen aber nicht gerecht. Vielmehr beruft es sich auf die
Zuverlässigkeit und Erfahrung des vom Gericht hinzugezogenen
Gutachters und negiert im Anschluss an ihn lediglich die Diagnose des
früheren Gutachtens ohne Darstellung oder Auseinandersetzung
mit den hierfür ausschlaggebenden Kriterien.
Sollte das neue Tatgericht - was ungeachtet des bisherigen Ergebnisses
nicht fern liegt - zur gesicherten Annahme erheblich verminderter
Schuldfähigkeit gelangen, wird es auch § 63 StGB in
den Blick zu nehmen haben.
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