BGH,
Beschl. v. 27.9.2006 - 2 StR 329/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 329/06
vom
27.9.2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27.09.2006
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 16.05.2006 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen
wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als
unbegründet verworfen.
Gründe:
Die Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend
ausgeführten Gründen unbegründet im Sinne
von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch
wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen,
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen
und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in sieben Fällen sowie gegen die Einheitsjugendstrafe
von vier Jahren wendet. Auch die Anordnung des Verfalls
gemäß § 73 StGB ist rechtsfehlerfrei;
soweit darüber hinaus §§ 73 a, 73 c StGB
fehlerhaft angewendet sind, ist der Angeklagte nicht beschwert.
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Das Urteil hält aber rechtlicher Prüfung nicht stand,
soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
vom Tatrichter nicht geprüft worden ist. Das Landgericht hat
festgestellt, der Angeklagte habe ab 2003 Marihuana und
"später" zwei- bis dreimal wöchentlich Kokain
geraucht. Nach seiner Inhaftierung habe er vorübergehend
leichte Entzugserscheinungen gehabt; in der Untersuchungshaft habe er
Informationsveranstaltungen der Suchtberatung besucht (UA S. 6). Er sei
"drogenabhängig und damit in besonderem Maße
tatgeneigt" (UA S. 31); die Taten seien "als Beschaffungstaten im
Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten
begangen" (UA S. 33). Auf dieser Grundlage hat das Landgericht die
"Zustimmung mit einer Zurückstellung der Strafvollstreckung
gemäß §§ 35, 36 BtMG"
erklärt (UA S. 32), § 64 StGB jedoch nicht
erörtert.
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Das war rechtsfehlerhaft. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ist, wenn die Voraussetzungen des § 64
StGB vorliegen, die Unterbringung zwingend anzuordnen (BGHSt 37, 5, 7;
38, 362 f.; BGH NStZ-RR 2003, 295). Der Sonderregelung des §
35 BtMG geht die Maßregel gemäß §
64 StGB vor; von der Anordnung der Unterbringung darf nicht schon wegen
der Möglichkeit der vollstreckungsrechtlichen
Zurückstellung abgesehen werden (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 12;
BGHR StGB § 64 Ablehnung 7, 8; BGH, Beschl. vom 20.07.2004 - 3
StR 228/04; Beschl. vom 20.07.2004 - 5 StR 257/04;
Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 64 Rdn. 20). Der
Tatrichter hätte daher hier zunächst die
Voraussetzungen des § 64 StGB, gegebenenfalls in Verbindung
mit § 67 b StGB, prüfen müssen. Das
Vorliegen einer zumindest erheblichen Einschränkung der
Schuldfähigkeit bei Begehung der Taten ist für die
Feststellung eines Hangs im Sinne von § 64 StGB nicht
erforderlich (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 64 Rdn. 11
m.w.N.).
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Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht nicht entgegen, dass
nur der Angeklagte Revision eingelegt hat. Die Nichtanordnung ist vom
Revisionsangriff nicht ausgenommen.
4
Der Senat kann ausschließen, dass sich die Nichtanordnung auf
die Höhe der Strafe ausgewirkt hat.
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Bode Rothfuß Fischer
Roggenbuck Appl |