BGH,
Beschl. v. 28.8.2007 - 4 StR 212/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 212/07
vom
28.8.2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag bzw. nach
Anhörung des Generalbundesanwalts und nach Anhörung
des Beschwerdeführers am 28.8.2007 gemäß
§§ 44 Satz 1, 46 Abs. 1, 206 a entspr., 346 Abs. 2,
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der
Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des
Landgerichts Stralsund vom 3. Januar 2007 Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gewährt.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 14.
März 2007, durch den die Revision des Angeklagten als
unzulässig verworfen wurde, gegenstandslos.
Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Angeklagte zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den
Fällen II 29, 31, 32 und 38 der Urteilsgründe
verurteilt worden ist. Insoweit wird das Verfahren eingestellt und hat
die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen
des Angeklagten zu tragen;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in 34 Fällen, des unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in
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nicht geringer Menge, des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln und des unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln schuldig ist;
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen
aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in 38 Fällen, davon in 37
Fällen in nicht geringer Menge, und wegen Besitzes von
Betäubungsmitteln in drei Fällen, davon in einem Fall
in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren
und sechs Monaten verurteilt, den Verfall von insgesamt 45.624,14 Euro
und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 50.000 Euro
angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte -
allgemein - die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat mit der Sachrüge nur den aus der
Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Dem Angeklagten ist auf seinen Antrag nach Versäumung der
Revisi-onsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zu gewähren, weil
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ihn an der Fristversäumung kein Verschulden trifft (§
44 Satz 1 StPO). Damit ist der Beschluss des Landgerichts vom 14.
März 2007, durch den die Revision des Angeklagten als
unzulässig verworfen wurde, gegenstandslos.
2. Der Schuldspruch in den Fällen II 29, 31, 32 und 38 der
Urteilsgründe (unerlaubtes Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen [Fälle 31, 32 und 38] sowie unerlaubter Besitz
von Betäubungsmitteln [Fall 29]) kann nicht bestehen bleiben,
weil es - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend
ausgeführt hat - im Hinblick auf die der Verurteilung insoweit
zu Grunde liegende Anklage vom 28. November 2006 an einem wirksamen
Eröffnungsbeschluss fehlt. Dieses von Amts wegen zu beachtende
Verfahrenshindernis führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Einstellung des Verfahrens in den genannten
Fällen (vgl. BGHSt 50, 267, 271). Zur Frage der Fortsetzung
des Verfahrens insoweit und zur Beachtung des Verschlechterungsverbots
verweist der Senat auf die Ausführungen hierzu in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
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3. Die Teileinstellung führt zur Änderung des
Schuldspruchs, zum Wegfall der für die eingestellten
Fälle verhängten Einzelstrafen (zwei Jahre, zweimal
ein Jahr neun Monate sowie neun Monate Freiheitsstrafe), zur Aufhebung
der Gesamtstrafe mit den insoweit getroffenen Feststellungen und zur
Zurückverweisung der Sache zur Festsetzung einer neuen
Gesamtstrafe. Zwar erscheint die festgesetzte Gesamtstrafe von vier
Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht
überhöht; der Senat kann jedoch nicht sicher
ausschließen, dass sie ohne Berücksichtigung der
Einzelstrafen in den Fällen II 29, 31, 32 und 38 niedriger
ausgefallen wäre.
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Die Verfallsentscheidung wird von der Teileinstellung nicht
berührt, weil sich die eingestellten Fälle auf die
Verfallsberechnung nicht ausgewirkt haben.
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4. Der neue Tatrichter wird neben der Gesamtstrafe auch den
Anrechnungsmaßstab für die vom Angeklagten in
Spanien erlittene Freiheitsentziehung zu bestimmen haben (§ 51
Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. BGHR StGB § 51 Abs. 3 Anrechnung 4;
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 51 Rdn. 18 f.).
Eine Anordnung, dass die Anrechnung wegen der Flucht des Angeklagten
ins Ausland (UA 4) unterbleibt (§ 51 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl.
BGH MDR (H) 1979, 454), ist wegen des Verschlechterungsverbots
(§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) nicht mehr möglich, wenn
sich dadurch das Maß der vom Angeklagten zu
verbüßenden Strafe erhöhte (vgl. BGHR StGB
§ 51 Abs. 1 S. 2 Prozessverhalten 2; Franke in
MünchKomm, StGB § 51 Rdn. 15).
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Maatz Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible |