BGH,
Beschl. v. 28.2.2007 - 2 StR 28/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 28/07
vom
28. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 28. Februar 2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 10. Oktober 2006 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit die Sicherungsverwahrung angeordnet und
b) soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
abgelehnt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung in zwei Fällen unter
Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und seine
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der
Sachrüge. Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4
StPO) soweit seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet
und eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist;
im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.
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Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
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"Der Maßregelausspruch kann jedoch keinen Bestand haben.
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a) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der
Sicherungsverwahrung hat das Landgericht allein auf § 66 Abs.
1 StGB gestützt. Die Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1
Nr. 1 StGB sind indessen nicht festgestellt.
Das Landgericht wertet als erste von zwei Vorverurteilungen i.S. von
§ 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt
am Main vom 13. Januar 1995, durch das der Angeklagte wegen
räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer
Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt wurde. In
diese Einheitsjugendstrafe war die mit früherem Urteil des
Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16. März 1994 gegen den
Angeklagten wegen Raubes in drei Fällen und wegen
räuberischer Erpressung in fünf Fällen sowie
weiterer Vergehen verhängte Jugendstrafe von einem Jahr und
acht Monaten einbezogen worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfüllt eine
frühere Verurteilung zu einer einheitlichen Jugendstrafe nach
§ 31 JGG die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1
StGB jedoch nur, wenn zu erkennen ist, dass der Täter
wenigstens bei einer der ihr zugrunde lie-
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genden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt
hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden
wäre (BGH NStZ 2002, 29 m.w.N.).
Das angefochtene Urteil schweigt zu dieser Frage. In Anbetracht der zu
den Vorstrafen getroffenen Feststellungen, insbesondere der Vielzahl
der mit der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten
geahndeten Straftaten, ist die Annahme einer hypothetischen
Einzelstrafe von mindestens einem Jahr Jugendstrafe nicht
selbstverständlich. Entsprechendes festzustellen, ist Aufgabe
des über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Tatrichters.
Davon, dass im Falle gesonderter Aburteilung der Einzeltaten jeweils
eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verhängt worden
wäre, darf nur ausgegangen werden, wenn der Tatrichter
Feststellungen darüber treffen kann, wie der Richter des
Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; er darf sich nicht an
dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung
vornehmen. Diese Feststellungen muss der Tatrichter so belegen, dass
eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung
möglich ist (BGH a.a.O.).
Zwar ergeben die Urteilsfeststellungen ohne weiteres die formellen
Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung
sowohl nach § 66 Abs. 2 als auch nach § 66 Abs. 3
StGB. Hierüber kann der Senat allerdings nicht selbst
entscheiden, weil die Anordnung der Maßregel nach diesen
Vorschriften im pflichtgemäßen Ermessen des
Tatrichters liegt (BGH, Beschluss vom 23. August 1996 - 2 StR 337/96;
Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 66 Rdn. 28 m.w.N.).
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b) Auch die Ablehnung eine Maßregelanordnung nach §
64 StGB ist nicht bedenkenfrei begründet. Insbesondere nach
den zur zweiten, am 8. Juni 2005 verübten Tat getroffenen
Feststellungen waren die Heroinabhängigkeit des Angeklagten
und dadurch bedingte Entzugserscheinungen jedenfalls
mitursächlich für seinen Tatentschluss (UA S. 8). Das
Landgericht verneint dennoch generell einen symptomatischen
Zusammenhang i.S. von § 64 StGB mit der Begründung,
die primäre Ursache der Taten sei nach dem Gutachten des
Sachverständigen in der kriminellen Fehlentwicklung des
Angeklagten zu sehen. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft. Der
symptomatische Zusammenhang mit den Anlasstaten und den
künftig zu befürchtenden erheblichen rechtswidrigen
Taten darf nicht allein deswegen verneint werden, weil außer
der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel eine
Disposition für die Begehung von Straftaten begründen
(BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 2 m.w.N.).
Im konkreten Fall legen die zu den Vorstrafen, zur Person und zu den
Anlasstaten getroffenen Feststellungen zudem nahe, dass zwischen der
persönlichen Fehlentwicklung des Angeklagten und seiner
Heroinabhängigkeit Wechselwirkungen bestehen. Dies berechtigt
durchaus zu der Annahme, dass eine Suchtbehandlung zu einer deutlichen
Verringerung der Tätergefährlichkeit des Angeklagten
führen kann.
Soweit das Landgericht - dem Sachverständigen folgend - eine
Therapierbarkeit des Angeklagten 'derzeit' für ausgeschlossen
hält, lassen die Urteilsgründe besorgen, dass es
nicht geprüft hat, ob die konkrete Aussicht besteht, dass eine
Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung
geweckt werden kann (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1
Erfolgsaussicht 7; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. §
64 Rdn. 18
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m.w.N.). Soweit ersichtlich wurde bei dem Angeklagten bisher noch kein
Therapieversuch unternommen.
Nach alledem muss über die Frage der
Maßregelanordnungen nach §§ 66 und 64 StGB
neu verhandelt und entschieden werden. Freilich wird dabei hinsichtlich
des Verhältnisses beider in Betracht zu ziehenden
Maßregeln die Erfüllung des Sicherungszweckes
besonders zu bedenken sein (BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5;
BGH NStZ 2003, 86)."
Dem schließt sich der Senat an.
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Rissing-van Saan Bode Rothfuß
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