BGH,
Beschl. v. 28.2.2007 - 2 StR 57/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 57/07
vom
28. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 28. Februar 2007 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 24. August 2006, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Seine
Revision hat schon mit der Sachrüge Erfolg.
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1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerhaft.
Die Feststellungen von als Indizien gewerteten Umständen, auf
welche der Tatrichter seine Überzeugung gestützt hat,
der Angeklagte habe - als Mittäter - versucht, zwei aus
Pakistan einreisende Drogenkuriere am Flughafen Frankfurt abzuholen,
tragen diese Schlussfolgerung nicht.
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a) Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe zwar von
dem Mitangeklagten B. den Auftrag erhalten, am Flughafen zwei Personen
aus Pakistan abzuholen und bis zu ihrem Weiterflug zu betreuen; diese
seien ihm
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aber als Touristen angekündigt worden; von einem
Rauschgift-Transport habe er nichts gewusst. Das Landgericht hat diese
Einlassung unter anderem deshalb für unglaubhaft gehalten,
weil sie im "Widerspruch" zu der Einlassung des Angeklagten bei der
Polizei stehe, er habe zwei andere, früher in Frankreich
festgenommene Drogenkuriere persönlich gekannt (UA S. 8).
Der vom Landgericht angenommene "Widerspruch" liegt hier nicht vor.
Daraus, dass ihm zwei Personen bekannt sind, die im Juni 2005 in
Frankreich eine Straftat begangen haben, ergibt sich
grundsätzlich kein Indiz dafür, dass der Angeklagte
drei Monate später selbst eine entsprechende Tat beging oder
förderte. Überdies enthalten die
Urteilsgründe keinen Hinweis darauf, ob und wie der Angeklagte
das "Kennen" der beiden Personen erklärt hat. Hätte
er etwa - wie die Revision mit der Verfahrensrüge
vorträgt - erklärt, er kenne die Personen allein aus
persönlichen Zusammenhängen, so würde ein
"Widerspruch" ersichtlich nicht bestehen. Angesichts der insgesamt sehr
unsicheren Beweislage war es schon aus sachlich-rechtlichen
Gründen geboten, sich hiermit in den Urteilsgründen
näher auseinander zu setzen.
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b) Unklar ist weiterhin die Erwägung des Landgerichts, die
Einlassung des Angeklagten sei "unglaubhaft, weil er gegenüber
dem Polizeibeamten R. (…) selbst erklärt hatte, er
hätte den Auftrag gehabt, 2 'Kuriere' am …
Frankfurter Flughafen abzuholen" (UA S. 8).
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Insoweit wird aus den Urteilsgründen nicht hinreichend
deutlich, ob der Angeklagte bei seiner polizeilichen Vernehmung
tatsächlich von zwei "Kurieren" gesprochen oder ob es sich bei
dieser Formulierung nur um eine interpretierende Bezeichnung des
Polizeibeamten R. gehandelt hatte.
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c) Soweit das Landgericht als Indiz anführt, der Angeklagte
hätte, wenn er nur zwei Touristen hätte abholen
sollen, "keinen Anlass gehabt", seinem Auf-
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traggeber telefonisch mitzuteilen, diese seien wider Erwarten nicht
angekommen (UA S. 8), ergibt sich auch hieraus der vom Tatrichter
angenommene Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten nicht.
Nach seiner Einlassung wurde dieser von B. kurzfristig gebeten, an
dessen Stelle die beiden Personen abzuholen und am Flughafen zu
betreuen. Wenn diese Einlassung zutraf, so lag es nahe, dass der
Angeklagte, nachdem er mehrere Stunden lang vergeblich auf die zu
betreuenden Personen gewartet hatte, seinen Auftraggeber anrief und ihm
mitteilte, sie seien nicht eingetroffen. Ein Indiz dafür, dass
der Angeklagte wusste, dass es sich um Rauschgiftkuriere handelte,
ergibt sich daraus nicht.
d) Ohne Beweiswert ist die vom Landgericht angeführte
Vermutung, der Angeklagte "(werde) sich … eine Belohnung
… erwartet haben" (UA S. 9). Ob der Angeklagte gegen Entgelt
an einem Betäubungsmittelgeschäft mitwirken wollte,
war hier gerade die zu klärende Frage. Mit der spekulativen
Vermutung, er habe ein Entgelt erwartet, wenn er die Tat begangen habe,
konnte daher offensichtlich nicht der Beweis geführt werden,
dass er sie begangen hat.
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e) Auch die Erwägung, der Weg vom Terminal 1 zum Terminal 2 am
Flughafen Frankfurt sei "gut ausgeschildert" und es gebe dort
Schnellimbisse (UA S. 9), ist nicht geeignet, die Einlassung des
Angeklagten zu widerlegen, er habe nach seiner Vorstellung nicht zwei
Drogenkuriere, sondern zwei Touristen aus Pakistan empfangen und bis
zum Weiterflug betreuen sollen.
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f) Insgesamt ist, wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend
ausgeführt hat, die Beweiswürdigung zu knapp und
unklar, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu
ermöglichen, ob die Überzeugung des Tatrichters auf
eine tragfähige Grundlage gestützt ist.
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2. Da das Urteil schon auf die Sachrüge aufzuheben ist, kommt
es auf die Frage der Zulässigkeit der Verfahrensrügen
nicht an; dagegen könnte spre-
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chen, dass sie möglicherweise auf eine Rekonstruktion der
Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung abzielen könnten.
Vorbehaltlich dieser Prüfung erschiene die
Begründetheit der auf eine Verletzung der
Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO)
gestützten Rügen hier allerdings nicht fern liegend.
3. Der neue Tatrichter wird, wenn er eine Beteiligung des Angeklagten
an der Tat wiederum als gegeben ansieht, der Abgrenzung zwischen
täterschaftlicher und nur unterstützender Beteiligung
am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln genaueres Augenmerk
zuzuwenden haben. Wäre es tatsächlich Aufgabe des
Angeklagten allein gewesen, zwei Kuriere während ihres
Zwischenstopps in Frankfurt kurzzeitig zu betreuen, so läge es
nahe, dass es sich hierbei nur um eine Gehilfen-Tätigkeit
handelte (vgl. dazu Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06).
Gehörte es hingegen zu den Aufgaben des Angeklagten, das
transportierte Rauschgift in Frankfurt selbständig
zwischenzulagern, so könnte die Frage der Beteiligungsform je
nach den Umständen des Einzelfalls anders zu beurteilen sein.
Auch insoweit enthält das angefochtene Urteil nur unklare
Feststellungen.
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Rissing-van Saan Bode Rothfuß
Fischer Appl |