BGH,
Beschl. v. 28.2.2007 - 5 StR 44/07
5 StR 44/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 28. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2007
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 30. August 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die
Verurteilung wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen entfällt,
und im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bestimmung einer neuen Strafe und zur
Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von
Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Die mit der - allein zulässig erhobenen -
Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erreicht
den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
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Dem in der ehelichen Wohnung von seiner Ehefrau getrennt lebenden
Angeklagten oblag die Pflicht, seinen am 23. März 2004
geborenen Sohn F. jedes zweite Wochenende allein zu betreuen. Aus
Angst, den Säug-
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ling durch zu grobes oder falsches Anfassen verletzen zu
können, ging der Angeklagte zunächst mit
übergroßer Vorsicht zu Werke.
Am 1. August 2004 gelang es dem Angeklagten gegen 14.00 Uhr indes
nicht, seinen „15 bis 20 Minuten lang
nervzerreißend schreienden Sohn“ durch Gaben von
Tee, Milch und Schnuller oder Vornahme von Ortsveränderungen
zu beruhigen. Um dem Schreien ein Ende zu setzen, ergriff der
Angeklagte seinen Sohn unter den Achselhöhlen, hielt ihn mit
ausgestreckten Armen senkrecht und später waagerrecht vor sich
und bewegte ihn ruckartig ca. eine Minute hin und her, bis das Kind
verstummte. Der Angeklagte legte seinen Sohn dann in die Babyschale
zurück und reichte ihm Milch, die er nunmehr trank. Beim
Windeln des Kindes bemerkte der Angeklagte gegen 19.00 Uhr
röchelnden Atem und eine ungewöhnliche Schlaffheit
seines Sohnes. Auf Drängen des Angeklagten verfügte
der herbeigerufene Notarzt die Einweisung von F. in die Kinderklinik.
Die durch das Schütteln verursachten rotatorischen
Kräfte führten zu einer irreparablen
Hirnschädigung, die eine Weiterentwicklung der geistigen
Fähigkeiten des Kindes nicht zulässt. Zudem ist die
Sehfähigkeit herabgesetzt, und F. bedarf der Behandlung wegen
der durch die Hirnschädigung weiter hervorgerufenen Epilepsie.
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2. Das Landgericht hat die Tat des hinsichtlich der objektiven
Tatumstände geständigen Angeklagten zutreffend als
schwere Körperverletzung gemäß §
223 Abs. 1, § 226 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 18 StGB
beurteilt. Indes hält die darüber hinaus
tateinheitlich ausgeurteilte Misshandlung von Schutzbefohlenen
sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Eine rohe Misshandlung im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB ist
anzunehmen, wenn der Täter einem anderen eine
Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung
zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen
äußert (BGH, Beschluss vom 22. April 1997 - 4 StR
140/97; vgl. auch BGHR StGB § 225 - i. d. F. d. 6. StrRG -
Misshandlung 1). Eine gefühllose Gesinnung liegt vor,
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wenn der Täter bei der Misshandlung das - notwendig als
Hemmung wirkende - Gefühl für das Leiden des
Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und
verständlich Denkenden eingestellt haben würde (Stree
in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 225
Rdn. 13).
b) Solches kann den Feststellungen und Wertungen des Landgerichts nicht
entnommen werden.
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Das Landgericht schließt aus dem Umstand, dass der Angeklagte
„sein Ruhebedürfnis kompromisslos und ohne
Berücksichtigung der Leiden seines
Säuglings“ (UA S. 31) durchgesetzt hat, auf dessen
rohe Gesinnung. Diese Erwägung steht indes in Widerspruch zu
der strafmildernd herangezogenen Feststellung, der Angeklagte sei durch
das laute dauerhafte Schreien des Säuglings angespannt gewesen
(UA S. 32), und geht daran vorbei, dass der Angeklagte hinsichtlich der
schweren Folgen seiner Tat nicht vorsätzlich gehandelt hat.
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Vorliegend belegen die Tatumstände insgesamt nicht, dass der
Angeklagte bei der Tatausführung das als Hemmung wirkende
Gefühl für das Leiden seines Sohnes verloren haben
könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1997 - 4 StR
140/97). Ein neuer Tatrichter wird nichts Weitergehendes feststellen
können.
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3. Es liegt auf der Hand, dass die Erwägungen des
Landgerichts, mit denen es bei dem im Übrigen seinen Sohn
stets fürsorglich behandelnden Angeklagten eine rohe Gesinnung
bejaht hat, sich zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung
ausgewirkt haben. Deshalb ist der Strafausspruch aufzuheben und die
Sache - ohne dass es bei dem hier vorliegenden Subsumtionsfehler der
Aufhebung von Feststellungen bedarf - zur Bemessung der Strafe an einen
neuen Tatrichter zurückzuverweisen.
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