BGH,
Beschl. v. 28.1.2003 - 4 StR 521/02
4 StR 521/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
28. Januar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 28. Januar 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Stralsund vom 15. Juli 2002
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte der schweren Vergewaltigung in drei Fällen, davon
in zwei Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, schuldig
ist,
b) hinsichtlich der in den Fällen II. 2.2. bis II. 2.5. der
Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen, der
Gesamtstrafe und der Anordnung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit Freiheitsberaubung in vier Fällen, wegen Vergewaltigung
und wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit
Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren
verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen
Rechts gestützten Revision.
Das Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der Beschlußformel
ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts können die vom
Angeklagten in den Fällen II. 2.2. bis II. 2.5. der
Urteilsgründe erzwungenen Sexualakte nicht als vier rechtlich
selbständige Straftaten angesehen werden.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fesselte der Angeklagte
Jasmin J. an das Bett, indem er ihre Hände und
Füße daran festband. Bis zum Abend des folgenden
Tages führte er mit ihr mehrfach den Geschlechtsverkehr bis
zum Samenerguß durch und nötigte sie zu weiteren
sexuellen Handlungen, wobei zwischen den einzelnen Übergriffen
drei längere Zeitabstände lagen. Während des
gesamten Tatgeschehens wirkte sowohl die durch die Fesselung
ausgeübte Gewalt als auch die Drohung mit dem Einsatz eines
Elektroschockgeräts, das der Angeklagte stets in Reichweite
hatte, fort. Dies nutzte der Angeklagte entsprechend seinem
vorgefaßten Plan zur Tatbegehung aus.
Er hat demnach jeweils dasselbe Nötigungsmittel eingesetzt, so
daß nur eine Handlung im Rechtssinne (vgl. BGH NStZ 1999, 83;
BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 10 jew.m.N.) und damit, trotz
der mehrfachen Verwirklichung des Straftatbestandes des § 177
StGB, nur eine Tat im Rechtssinne vorliegt (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 139
f.; NStZ 2000, 419 f.; (bei Pfister) NStZ-RR 2000, 360). Diese ist, da
das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 177
Abs. 3 Nr. 2 StGB angenommen hat, als schwere Vergewaltigung (zur
Kennzeichnung der Qualifikation in der Urteilsformel vgl. BGH,
Beschluß vom 28. Januar 2003 - 3 StR 373/02) in Tateinheit
mit Freiheitsberaubung zu werten. Der Tatbestand des § 239
StGB tritt hier nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter der
Vergewaltigung zurück, weil die Freiheitsberaubung
über das zur Tatbestandsverwirklichung des § 177 StGB
Erforderliche hinausging (vgl. BGH NStZ 1999, 83 m.N.).
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265
StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen die
Annahme nur einer Tat nicht wirksamer als geschehen hätte
verteidigen können.
2. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der in den
Fällen II. 2.2. bis II. 2.5. der Urteilsgründe
verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe zur
Folge. Der neu entscheidende Tatrichter wird insoweit zu bedenken
haben, daß bei - wie hier - unverändertem
Schuldumfang die unterschiedliche rechtliche Bewertung des
Konkurrenzverhältnisses kein maßgebliches Kriterium
für die Strafbemessung ist (vgl. BGHSt 41, 368, 373; BGH NStZ
1997, 233).
3. Der Maßregelausspruch hat ebenfalls keinen Bestand. Zur
Schuldfähigkeitsbeurteilung hat sich das Landgericht den
Ausführungen des gehörten psychiatrischen
Sachverständigen angeschlossen, demzufolge bei dem Angeklagten
eine "emotional instabile Persönlichkeitsstörung"
vorliege, da alle für diese Störung
charakteristischen Kriterien bei ihm festzustellen seien, "wie die
deutliche Tendenz, bei launenhaft wechselnder Stimmung Impulse
auszuagieren, ohne dabei die Konsequenzen zu berücksichtigen,
die starke Neigung zu Aggressionen, geringe Fähigkeit zu
längerfristigen Planungen, fehlende Zukunftszuversicht und das
soziale Scheitern auf allen Gebieten". Auch soweit der
Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt ist, daß es
aufgrund dieser Störung "zur zunehmenden gedanklichen
Einengung auf die Verwirklichung der Tat und dem Abbau von Hemmungen
gekommen (sei), welche bei der Tatbegehung möglicherweise zu
einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit
geführt hätten", hat sich die Strafkammer dem
angeschlossen.
Diese zur Schuldfähigkeit des Angeklagten getroffenen
Feststellungen und Bewertungen sind nicht geeignet, die
Maßregelanordnung zu rechtfertigen. Diese setzt die positive
Feststellung eines länger andauernden, nicht nur
vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche
Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des
§ 21 StGB - sicher - begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt
34, 22, 26; BGHR StGB § 63 Zustand 26). Daran fehlt es hier.
Über den Maßregelausspruch ist daher -
gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines weiteren
Sachverständigen - ebenfalls neu zu befinden. Das Landgericht
wird dabei zu bedenken haben, daß zwar auch nicht
pathologisch bedingte Störungen Anlaß für
eine Unterbringung nach § 63 StGB sein können, wenn
sie in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen
entsprechen (BGHSt 34, 22, 28). Die Diagnose einer wie auch immer
gearteten Persönlichkeitsstörung
läßt jedoch für sich genommen eine Aussage
über die Frage der Schuldfähigkeit des
Täters nicht zu (vgl. BGHSt 42, 385, 388). Vielmehr bedarf es
einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und ihrer
Entwicklung, um feststellen zu können, ob die
Störungen des Täters sein Leben vergleichbar schwer
und mit ähnlichen Folgen wie krankhafte seelische
Störungen - auch im Hinblick auf seine Fähigkeit zu
normgemäßem Verhalten - stören, belasten
oder einengen (vgl. BGHSt 37, 397, 401; BGHR StGB § 63 Zustand
25, 34).
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