BGH,
Beschl. v. 28.1.2004 - 2 StR 493/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 493/03
vom
28.01.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28.01.2004
gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 11. Juli 2003 wird mit der Maßgabe
verworfen,
daß die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt
entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei
Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit
Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von neun Jahren verurteilt. Weiter hat es seine Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß ein
Drittel der Strafe
vor der Unterbringung zu vollstrecken ist. Gegen dieses Urteil hat der
Angeklagte
Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen
Rechts rügt. Er hat folgende Beschränkung seines
Rechtsmittels erklärt: "Ausdrücklich
nicht gerügt wird die verhängte Maßnahme
nach § 64 StGB und die
Ablehnung einer Maßnahme nach § 66 StGB."
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit eine
Maßregel
nach § 64 StGB angeordnet wurde; diese hat zu entfallen. Im
übrigen ist die
Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3 -
II. Der Maßregelausspruch war aufzuheben.
1. Die Beschränkung der Revision war im vorliegenden Fall nicht
rechtswirksam. Der Revisionsführer hätte mit einer
Beschränkung seines
Rechtsmittels auf den Strafausspruch auch die Anordnung der
Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt vom Rechtsmittelangriff wirksam ausnehmen
können
(vgl. hierzu auch Senatsbeschluß vom 8. Juni 1994 - 2 StR
204/94). Seiner
Revisionsbegründung
läßt sich aber nicht zweifelsfrei entnehmen,
daß sein
Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt sein soll. Zum
einen wird dort
nicht klargestellt, daß der Schuldspruch nicht angefochten
sein soll, vielmehr
wird eine umfassende Verfahrensrüge erhoben. Zum anderen
beantragt er
selbst die vollständige Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Da somit auch
von einer Anfechtung des Schuldspruchs ausgegangen werden
muß, ist mit der
erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht wirksam auf
die Anfechtung der Unterbringung
gemäß § 64 StGB verzichtet worden, da die
Feststellung einer
Symptomtat unerläßliche Voraussetzung der
Maßregelanordnung ist.
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt
durch den Tatrichter erweist sich als rechtsfehlerhaft. Das Landgericht
hat bereits nicht festgestellt, daß der Angeklagte den Hang
hat, alkoholische
Getränke oder andere berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen.
Zu den Konsumgewohnheiten des Angeklagten hat das Landgericht
mitgeteilt,
daß der Angeklagte "Haschisch und Alkohol konsumiert, dabei
jeden
Tag Haschisch, jedoch Alkohol nicht jeden Tag".
Vor beiden Taten hatte der Angeklagte Alkohol getrunken. Beide
Vergewaltigungsopfer,
die sich jeweils längere Zeit in der Gewalt des Angeklagten
befanden, konnten keinerlei Auffälligkeiten im Hinblick auf
Alkohol oder Drogen
- 4 -
feststellen. Das Gericht ist von einer gewissen alkoholischen
Beeinflussung
des Angeklagten bei den Taten ausgegangen, hat aber in
Übereinstimmung mit
einem Sachverständigen ausgeschlossen, daß der
Angeklagte im Zustand der
verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt
hat. Das Landgericht gibt
den Sachverständigen dahin wieder, der Angeklagte sei durch
den Mißbrauch
von Alkohol und Drogen mental nicht beeinträchtigt,
für eine Abhängigkeit bestünden
keine Hinweise. Er habe jedoch den Hang, beides zu nehmen. Es sei
von einem gewohnheitsmäßigen Alkohol- und
Haschischkonsum auszugehen,
wobei die Delinquenz des Angeklagten durch das Zusammenwirken von
Drogenmißbrauch
und dissozialer Persönlichkeitsstörung hervorgerufen
werde.
Die Kammer ist der Auffassung, daß der Angeklagte wegen
seines Hanges
zum Konsum von Alkohol und Drogen die Taten begangen habe, wenn auch
unter Mitverursachung durch seine dissoziale
Persönlichkeitsstörung. Sie hat
die Maßregel nach § 64 StGB angeordnet, da zu
befürchten sei, daß der Angeklagte
derartige Taten wieder begehen werde. Zur Begründung des
teilweisen
Vorwegvollzugs der Strafe vor der Maßregel hat die Kammer
"vor allem" auf die
dissoziale Persönlichkeitsstörung abgestellt.
Danach ergibt sich weder aus den getroffenen Feststellungen noch aus
den Ausführungen der Kammer hierzu, daß der
Angeklagte den Hang hat, alkoholische
Getränke oder andere berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu
nehmen. Die Feststellungen legen vielmehr nahe, daß ein
derartiger Hang
nicht gegeben ist. Daß ein Täter sich gelegentlich
oder auch öfter betrinkt und
dann im Rausch Straftaten begeht, reicht genauso wenig aus, wie wenn er
gelegentlich
oder häufig Rauschgift konsumiert (vgl. dazu
Tröndle/Fischer, StGB
51. Aufl. § 64 Rdn. 7).
- 5 -
Im vorliegenden Fall ist darüber hinaus auch der erforderliche
symptomatische
Zusammenhang zwischen Tat und Hang nicht hinreichend dargetan,
da ersichtlich die dissoziale Persönlichkeitsstörung
eine wesentliche Ursache
für die Begehung der Taten darstellte.
Die Maßregelanordnung hat daher keinen Bestand.
3. Unter den hier gegebenen Umständen kann der Senat
ausschließen,
daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben
könnte, die ein anderes
Ergebnis rechtfertigen würden. Er erkennt daher entsprechend
§ 354 Abs. 1
StPO auf den Wegfall der Unterbringungsanordnung (vgl. auch BGH, Beschl.
v. 6.11.2003 - 1 StR 451/03 m.w.N.).
Die - rechtlich ebenfalls bedenkliche - Bestimmung über die
Vollstreckungsreihenfolge
wird dadurch gegenstandslos.
4. Trotz dieses Teilerfolgs der Revision hält es der Senat
nicht für unbillig,
den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten
(§ 473
Abs. 4 StPO). Es ist nämlich nicht erkennbar, daß
der Angeklagte das Urteil
nicht angefochten hätte, wenn von einer Unterbringung
abgesehen worden wäre.
Hier ist es vielmehr so, daß der Angeklagte die
Maßregelanordnung nicht
- 6 -
angreifen wollte, so daß sich der Erfolg des Rechtsmittels
als sehr gering darstellt.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Fischer Roggenbuck |