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BGH, Beschluss vom 28. Januar 2005 - 2 StR 445/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 28.1.2005 - 2 StR 445/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 445/04
vom
28.01.2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Erpressung u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28.01.2005 gemäß §§ 46, 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zur Erhebung von Verfahrensrügen zu bewilligen,
wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Trier vom 7. Juni 2004 mit den Feststellungen, ausgenommen
diejenigen zum äußeren Tatgeschehen hinsichtlich
des Vorfalls vom 14. Februar 2003, aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung
und versuchter Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten
verurteilt, sowie die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet. Sowohl die Strafe wie auch die Maßregel hat
es zur Bewährung ausgesetzt.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf
die Verletzung formellen wie materiellen Rechts gestützten Revision. Hinsichtlich
verspätet erhobener Verfahrensrügen beantragt er Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand.
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen zu bewilligen, ist unbegründet. Der
Beschwerdeführer hat die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt, sondern
durch Erhebung der Sachrüge mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23. August,
eingegangen am 26. August 2004, gewahrt. Die mit Schriftsatz des Verteidigers
vom 6. September, eingegangenen am 8. September 2004, erhobenen
Verfahrensrügen sind verspätet. Die insoweit beantragte Wiedereinsetzung
konnte nicht bewilligt werden. Zur Nachholung von Verfahrensrügen
kann, wenn die Sachrüge fristgemäß erhoben ist, Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nur ausnahmsweise gewährt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO
47. Aufl. § 44 Rdn. 7 ff. m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.
Der Verteidigerwechsel des Angeklagten rechtfertigt eine Wiedereinsetzung
nicht.
2. Das Rechtsmittel hat aber mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
a) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte am 14. Februar 2003
einem Kommilitonen bei einer Auseinandersetzung zwei Schläge auf den Kopf
versetzt. Desweiteren hat er in einem Brief an den Zeugen D., der in einem vor
den Zivilgerichten ausgetragenen Erbschaftsstreit mit der Mutter des Angeklagten
rechtskräftig obsiegt hatte, gedroht, er werde alles verlieren, wenn er nicht
die Forderung des Angeklagten auf Zahlung von 50.000 € erfülle. Die Straf-
4 -
kammer ist dem Gutachten des Sachverständigen folgend davon ausgegangen,
die bei dem Angeklagten festgestellte schwere psychische Störung habe
bei Begehung der zweiten Tat (versuchte Erpressung) "eine erhebliche Beeinträchtigung
der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit begründet", die Voraussetzungen
einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nach Maßgabe des § 21
StGB lägen vor (UA S. 27/28).
b) Dieses Ergebnis begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Ausführungen sind in sich widersprüchlich und lassen zudem besorgen,
daß sich die Strafkammer über die unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Vorliegen
einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit und einer erheblich verminderten
Steuerungsfähigkeit nicht im klaren war.
Die Anwendung des § 21 StGB kann nicht zugleich auf seine beiden
Alternativen gestützt werden, da beide nicht gleichzeitig gegeben sein können
(vgl. BGHSt 40, 341, 349). Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich
erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat. Die
Schuld eines Angeklagten wird hingegen nicht gemindert, wenn er ungeachtet
seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum
Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Erkannte er hingegen das Unrecht
seiner Tat nicht, kann § 21 StGB nur angewendet werden, wenn dem Täter das
Fehlen der Unrechtseinsicht vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht
erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet
(st. Rspr., vgl. BGHSt 21, 27, 28 f.; 34, 22, 25 ff.; 40, 341, 349; BGH,
Beschlüsse vom 30. Juli 2004 - 2 StR 215/03 - und vom 4. November 2004
- 4 StR 388/04).
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Die Urteilsgründe lassen besorgen, daß sich die Strafkammer dieser
Problematik nicht bewußt war. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
selbst ergibt nicht, daß das Landgericht ein Fehlen der Einsicht positiv festgestellt
hat. Die Urteilsgründe lassen auch nicht den Schluß zu, daß die Strafkammer
nur eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit als gegeben ansah.
Somit sind weder die Voraussetzungen des § 21 StGB rechtsfehlerfrei
festgestellt noch die rechtlichen Voraussetzungen einer Unterbringung nach
§ 63 StGB. Letztere setzt nämlich die positive Feststellung eines länger andauernden,
nicht nur vorübergehenden geistigen Defekts voraus, der
zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des
§ 21 StGB begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.).
Die Verurteilung wegen versuchter Erpressung und die darauf beruhende
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus können somit keinen
Bestand haben. Die Sache muß neu verhandelt werden. Um dem neu erkennenden
Tatrichter vor allem zur Frage der Schuldfähigkeit widerspruchsfreie
Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat auch die Verurteilung wegen vorsätzlicher
Körperverletzung aufgehoben. Die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen konnten aber aufrechterhalten
bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.
Rissing-van Saan Detter Bode
Otten Rothfuß



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