BGH,
Beschl. v. 28.7.2005 - 4 StR 109/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 109/05
vom
28.07.2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28.07.2005
gemäß
§§ 154 a Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Strafverfolgung wird gemäß § 154 a
Abs. 2 StPO auf
den Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und mit
vorsätzlichem gefährlichen
Eingriff in den Straßenverkehr beschränkt.
Soweit der Angeklagte wegen Nötigung in Tateinheit mit
vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und
wegen
Nötigung verurteilt worden ist, trägt die Staatskasse
die
Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen
des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Mannheim vom 18. November 2004 dahin
geändert, daß er wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung und mit
vorsätzlichem
gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr
zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt ist und der Maßregelausspruch dahin
ergänzt
wird, daß der Führerschein des Angeklagten eingezogen
wird.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
4. Der Angeklagte hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels
und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in
Tateinheit mit
vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung,
Nötigung und wegen versuchten
Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung und mit vorsätzlichem
gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es die
Entziehung
der Fahrerlaubnis, eine Sperre von 4 Jahren für die Erteilung
einer Fahrerlaubnis
sowie die Einziehung des Pkws des Angeklagten angeordnet. Mit
seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen
und sachlichen
Rechts.
I.
Der Verurteilung des Angeklagten liegt ein besonders schwerwiegender
Fall der „Nötigung im
Straßenverkehr“ zugrunde. Das Landgericht hat dazu
im
wesentlichen folgendes festgestellt:
Der Angeklagte fuhr mit seinem Pkw auf der linken Fahrspur
der Bundesautobahn 656 in Richtung M. . Der zu diesem
Zeitpunkt mit seinem Motorrad, einem sog. Chopper, auf
der rechten Fahrspur in einigem Abstand vorausfahrende
Nebenkläger
wechselte nach Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers
auf die linke Fahrspur, um das vor ihm fahrende langsamere
Fahrzeug zu überholen. Der darüber
verärgerte Angeklagte,
fuhr zu dem Motorrad auf, so daß die Fahrzeuge in
einem Abstand von nicht mehr als einem Meter bei einer Geschwindigkeit
von 110 km/h hintereinander her fuhren. Der
Angeklagte beschleunigte seinen Pkw mit der Absicht, das
sich entfernende Motorrad, falls es ihm nicht enteilte, zum
Räumen der linken Spur zu zwingen oder es rechts zu
überholen.
Als der Nebenkläger Anstalten machte, auf die rechte
Fahrspur zu wechseln, zog der Angeklagte ebenfalls nach
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rechts, um das Motorrad rechts zu überholen, und setzte den
Beschleunigungsvorgang fort, um so gewaltsam das Vorbeifahren
zu erzwingen. Der Nebenkläger bemerkte, daß die
rechte Fahrspur durch das Fahrzeug des Angeklagten blockiert
war, und "brach seinen Einschervorgang ab, da er einen
Zusammenstoß und einen möglichen Sturz
befürchten
mußte“ (Fall II. 1.).
Im Rahmen der Weiterfahrt schloß der Nebenkläger auf
der
Abbiegespur zur Bundesstraße 38 A mit seinem Motorrad zu
dem Pkw des Angeklagten auf und fuhr auf der mittleren
Fahrspur neben dem Pkw des Angeklagten. Der Angeklagte,
der möglicherweise einer abwärts führenden
Handbewegung
des Nebenklägers beleidigenden Charakter beimaß,
geriet
dadurch erneut in Wut und steuerte sein Fahrzeug abrupt
nach links auf die mittlere Fahrspur. Zu diesem Zeitpunkt betrug
der Abstand zwischen Motorrad und Pkw etwa
zwei Meter. "Dem Angeklagten war klar, daß er hiermit den
Zeugen von seiner Fahrspur abdrängen würde". Der
Nebenkläger
zog sein Motorrad, das dabei ins Schlingern geriet, auf
die linke der drei Fahrspuren (Fall II. 2.).
Nachdem beide im weiteren Verlauf eine Ampelanlage passiert
hatten, in deren Bereich die Geschwindigkeit auf 70 km/h
begrenzt ist, beschleunigte der Angeklagte sein Fahrzeug auf
der linken der drei Richtungsfahrbahnen und schloß zu dem
auf der mittleren Spur fahrenden Motorrad auf. Im Rückspiegel
bemerkte der Nebenkläger das Fahrzeug des Angeklagten
und reduzierte seine Geschwindigkeit leicht, indem er das
Gas wegnahm, um den Pkw vorbeifahren zu lassen. Der Pkw
des Angeklagten hatte zu diesem Zeitpunkt eine Geschwindigkeit
von mindestens 83 km/h, das Motorrad des Nebenklägers
eine Geschwindigkeit von 78 km/h. Der Angeklagte
"entschloß sich in diesem Augenblick, aus Wut
darüber, daß
der Geschädigte sich ihm wieder zu entziehen drohte, nach
rechts zu fahren und auf die Spur des Motorrades zu wechseln,
um dieses wegzudrängen oder aber den Motorradfahrer
zu disziplinieren. Hierbei rechnete er gleichermaßen mit der
Möglichkeit, daß der Motorradfahrer durch einen
Anstoß zu
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Fall kommen könnte und daß er durch den hierdurch
verursachten
Sturz möglicherweise tödlich verletzt werden
würde".
Bevor der Angeklagte den Spurwechsel nach rechts einleitete,
wandte er den Kopf nach hinten zum rückwärtigen
Verkehr
"und betrachtete ihn etwa eine Sekunde lang, so daß er blind
auf den mittleren Fahrstreifen überwechselte". Als er mit einer
abrupten Lenkbewegung nach rechts den Spurwechselvorgang
einleitete, betrug der Abstand zwischen den beiden
Fahrzeugen etwa 1,7 Meter. Der Pkw des Angeklagten stieß
auf der mittleren Fahrspur nach etwa 1,8 Sekunden mit dem
vorderen Stoßfänger gegen den hinteren Reifen des
Krades.
Hierdurch wurde das Motorrad geringfügig beschleunigt und
der Nebenkläger aus dem Sattel gehoben. Ihm gelang es
nicht, das ins Schlingern geratene Motorrad zu stabilisieren,
das zu Fall kam. Der Nebenkläger rutschte über eine
Strecke
von etwa 56 Metern über die Fahrbahn, rutschte unter der am
Fahrbahnrand montierten Leitplanke hindurch und erlitt infolge
des Sturzes erhebliche Verletzungen. Der Angeklagte war
sich beim Einleiten des Spurwechsels bewußt, "daß
angesichts
des geringen Abstandes ein Zusammenprall der Fahrzeuge
höchst wahrscheinlich war und daß das Motorrad
seitlich
angestoßen hierbei zu Fall kommen und der Motorradfahrer
von dem Krad stürzen würde. Daß der
Motorradfahrer infolge
dieses als höchstwahrscheinlich angesehenen Sturzes
möglicherweise tödlich verletzt werden
würde", sah er als
mögliche Folge seines Handelns voraus und nahm dies billigend
in Kauf (Fall II. 3.).
II.
1. Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des
Generalbundesanwalts
auf den Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und mit
vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in
den Straßenverkehr. Da es sich bei den dem Angeklagten zur
Last gelegten
drei Handlungen um eine Tat im Sinne des § 264 StPO handelt,
ist eine Be-
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schränkung gemäß § 154 a Abs. 2
StPO und nicht eine Teileinstellung nach
§ 154 Abs. 2 StPO auszusprechen (vgl. BGH, Beschluß
vom 26. Februar 1998
- 4 StR 55/98). Die Beschränkung erfolgt, soweit es die
Verurteilung im Fall
II. 1. wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher
Straßenverkehrsgefährdung
betrifft, weil die gemäß § 315 c Abs. 1 Nr.
1 a StGB zur Tatbestandsverwirklichung
erforderliche konkrete Gefährdung durch die bisherigen
Feststellungen
nicht hinreichend belegt ist (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 261 m.N.). Zudem
läßt sich den Strafzumessungserwägungen
nicht entnehmen, ob das Landgericht
den festgestellten Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot
(Art. 6
Abs. 1 Satz 1 EMRK), der bei der Bemessung der Einsatzstrafe im Fall
II. 3. zu
einer Unterschreitung der „bei normalem Verlauf des
Verfahrens zu verhängende(
n) Strafe“ um zwei Jahre geführt hat, auch bei der
Bemessung der verhängten
Einzelgeldstrafen von 80 Tagessätzen (Fall II. 1.) und 60
Tagessätzen
(Fall II. 2.) berücksichtigt hat.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten ist unbegründet
im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO. Wie der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift
zutreffend ausgeführt hat, halten insbesondere auch die
Erwägungen
des Landgerichts, auf die es die Annahme eines bedingten
Tötungsvorsatzes
gestützt hat, rechtlicher Nachprüfung stand. Der auf
der Grundlage der rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen
aus dem
Fahrverhalten des Angeklagten bei dem abrupten Spurwechsel gezogene
Schluß, der Angeklagte habe dabei mit der Voraussicht
gehandelt, daß es zur
Kollision der Fahrzeuge und damit zum Sturz des Nebenklägers
kommen könnte,
ist nicht nur möglich, sondern liegt bei einem Spurwechsel
während der Beschleunigung
eines Fahrzeugs bei einer Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h
und einem Abstand von nur noch 1,7 Metern zu dem vorausfahrenden Fahr-
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zeug nahe. Dies gilt auch für die Annahme des insoweit
sachverständig beratenen
Landgerichts, der Sturz des Nebenklägers infolge der Kollision
sei aufgrund
der hohen Sturzausgangsgeschwindigkeit von 75 km/h
grundsätzlich
geeignet gewesen, den Tod des Nebenklägers
herbeizuführen, was der Angeklagte
als mögliche Folge seines Handelns vorausgesehen habe. Der
Senat
hat keine Bedenken, diese Würdigung jedenfalls dann als
rechtsfehlerfrei zu
bestätigen, wenn der Täter - wie hier - mit einem Pkw
ein mit (relativ) hoher
Geschwindigkeit fahrendes Krad rammt, dessen Fahrer nicht weiter
geschützt
ist. Der aus der für den Angeklagten danach offensichtlichen
Lebensgefährlichkeit
seiner Vorgehensweise und dem gleichwohl durchgeführten
Spurwechsel
gezogene Schluß, daß dieser die "erkannte
Möglichkeit, daß der Geschädigte
bei dem Sturz tödlich verletzt werden würde,
zumindest billigend in Kauf
genommen" hat, ist möglich und daher ebenfalls rechtlich nicht
zu beanstanden
(vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 56).
3. Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zur
Änderung des Schuldspruchs
und zum Wegfall der in den Fällen II. 1. und 2.
verhängten Einzelgeldstrafen
sowie der Gesamtfreiheitsstrafe. Die wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit
vorsätzlichem gefährlichem
Eingriff in den Straßenverkehr verhängte
Einzelfreiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten bleibt als alleinige Strafe bestehen.
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Der Senat ergänzt den Maßregelausspruch um die
versehentlich unterbliebene
Anordnung der Einziehung des Führerscheins (vgl. BGHSt 5, 168,
178 f.; BGH, Beschluß vom 5. November 2002 - 4 StR 381/02).
Maatz Kuckein Athing
RiBGH Dr. Ernemann
befindet sich in Urlaub
und ist deshalb verhindert
zu unterschreiben.
Maatz Sost-Scheible |